Zweifel an den konventionellen Methoden
Kurz nach dem Ende des Ersten Weltkriegs lag die deutsche Landwirtschaft am Boden. Der Krieg hatte zu erheblichen Ertragseinbrüchen geführt. Zu dieser Zeit wurden auch die ersten ökologischen Schädigungen durch eine verstärkte Industrialisierung in der Landwirtschaft sichtbar.
Viele Böden waren ausgelaugt, Pflanzenkrankheiten und Schädlingsbefall nahmen zu und die Qualität der Nahrungsmittel durch steigende chemische Düngung ab. Zweifel an einer technisch intensivierten Landwirtschaft wurden lauter.
Mitte der 1920er-Jahre entwickelte der Österreicher Rudolf Steiner die "Geisteswissenschaftlichen Grundlagen zum Gedeihen der Landwirtschaft". Steiner war als Begründer der Anthroposophie bekannt geworden, einer christlich fundierten, spirituellen Weltanschauung, die für viele gesellschaftliche Bereiche neue Ideen entwickelte.
Rudolf Steiner dachte schon früh ökologisch
Neben der Landwirtschaft beschäftigte sich Steiner auch mit der Pädagogik (Waldorfpädagogik), der Bewegungskunst (Eurythmie) oder der Entwicklung alternativer Heilmethoden in der Medizin.
Direkt nach Veröffentlichung seiner agrarwissenschaftlichen Schrift wurde der "Landwirtschaftliche Versuchsring der Anthroposophischen Gesellschaft" gegründet. Dessen landwirtschaftliche Produkte werden seit 1928 bis heute unter dem Namen "Demeter" verkauft.
Parallel zu Rudolf Steiners anthroposophischer Strömung entstand in Deutschland die christliche Lebensreform-Bewegung. Daraus entwickelte sich unter anderem die "Arbeitsgemeinschaft Natürlicher Landbau und Siedlung".
Ihr Gründer und Leiter Ewald Könemann schrieb zwischen 1931 und 1937 sein dreibändiges Werk "Biologische Bodenkultur und Düngewirtschaft". Könemann gilt als Wegbereiter des ökologischen Landbaus.
Von einer Randbewegung in den öffentlichen Fokus
Jahrzehntelang fristete der ökologische Landbau ein Schattendasein. Auch nach dem Zweiten Weltkrieg änderte sich wenig in der deutschen Landwirtschaft. Anfang der 1970er-Jahre gründete sich mit "Bioland" ein zweiter größerer ökologischer Anbauverband neben "Demeter".
Doch erst mit der Umweltbewegung Ende der 1970er-Jahre wurde erstmals in Deutschland über die Grenzen und Nachteile der zunehmenden Technisierung in allen Bereichen der Gesellschaft in einer breiteren Öffentlichkeit diskutiert.
Die Partei der "Grünen" entstand, und mit ihrem steigenden Erfolg wurde auch der Öko-Gedanke populärer. Doch in der breiten Gesellschaft wurden in den 1980er-Jahren Menschen, die sich biologisch ernähren wollten, noch als Öko-Spinner abgetan.
Erst in den 1990er-Jahren rückten globale Umweltprobleme auch den Ökolandbau ins Licht der Öffentlichkeit. Seitdem erfreuen sich biologisch erzeugte Produkte wachsender Beliebtheit. Mittlerweile haben alle Supermärkte und Discounter eine breite Palette an Bio-Produkten.
Lange Zeit war Bio als Spinnerei verschrien
Durchblick im Schilderwald
Nicht überall, wo "Bio" draufsteht, muss auch "Bio" drin sein. Auch bei biologisch erzeugten Produkten sollte der Verbraucher darauf achten, wo sie herkommen und vor allem, welches Bio-Siegel sie tragen.
Seit 1991 gibt es die EG-Öko-Verordnung. Sie ist für alle Mitgliedsländer der Europäischen Union verbindlich und schützt die Begriffe "Bio" und "Öko". In Deutschland ist auf Produkten, die die Richtlinien der EU erfüllen, seit 2001 ein einheitliches Bio-Siegel zu finden.
Betriebe, die das Biosiegel verwenden, werden mindestens einmal im Jahr überprüft. Große Anbauverbände wie Demeter, Naturland, Bioland oder Ökoland müssen ebenfalls dieses Siegel auf ihren Produkten führen. Die meisten der Verbände führen aber noch eigene Kontrollen durch, die über die Kontrollen der EU hinausgehen.
Das deutsche Bio-Siegel gibt es seit 2001
Gleichstand bei Vitaminen und Mineralien
Immer wieder entflammen Diskussionen über den Sinn und Unsinn von ökologisch erzeugten Früchten und Gemüse. Größer angelegte Untersuchungen zeigen, dass es in punkto Mineralstoffe, Vitamine oder Nährstoffgehalt praktisch keine Unterschiede zwischen Früchten aus ökologischem und konventionellem Anbau gibt.
Für Wissenschaftler, die sich mit dem Wachstum und der Entwicklung von Pflanzen beschäftigen, ist das keine Überraschung. Schließlich ist es bei der konventionellen Landwirtschaft das Ziel, den Pflanzen möglichst optimale Wachstumsbedingungen zu geben.
Das bedeutet aber auch, dass entsprechend angebaute Pflanzen ihre grundlegenden Inhaltsstoffe ungestört entwickeln können. Das gilt generell für die sogenannten "wertgebenden" Inhaltsstoffe wie Vitamine, Mineral- und Nährstoffe.
In einzelnen Fällen entwickeln konventionell produzierte Früchte durch die Düngung sogar mehr Vitamine als das Biogemüse. Das ist zum Beispiel beim Vitamin B1 und bei der Vitaminvorstufe Carotin bei Möhren der Fall.
Entscheidend für den Vitamingehalt von Obst und Gemüse ist aber nicht die Anbauform, sondern die Frische. So nimmt beispielsweise der Vitamin C-Gehalt von Salat mit jedem Tag Lagerung deutlich ab.
Bio-Möhren enthalten nicht mehr Vitamine
Vorteile bei den sekundären Pflanzenstoffen
Doch neben Vitaminen und Mineralien gibt es noch eine weitere Gruppe von Pflanzenstoffen, die von Grund auf in allen Pflanzen enthalten sind: die sekundären Pflanzenstoffe. Das sind zum Beispiel Flavonoide, die in Obst und Gemüse, Zwiebeln und Tee vorkommen.
Zum Teil gehören diese Stoffe zum Immunsystem, mit dem sich die Pflanzen gegen ihre natürlichen Feinde schützen: gegen Bakterien, Pilze oder Insekten.
Beim Biolandbau ist die Pflanze in dieser Hinsicht stärker gefordert. In der Regel muss sich die Pflanze dort gegen mehr Konkurrenten durchsetzen als im konventionellen Anbau. Dort wird der Pflanze mit einem Cocktail an Pflanzenschutzmitteln diese Arbeit weitgehend abgenommen.
So erscheint es plausibel, dass die verhätschelte Pflanze aus konventionellem Anbau weniger der schützenden sekundären Pflanzenstoffe ausbildet als eine Pflanze aus ökologischem Anbau.
Tomaten sind voll von wichtigen Inhaltsstoffen
Häufig erhalten Biofrüchte während ihres Wachstums auch weniger Wasser als die Früchte aus konventionellem Anbau. Das kann die Konzentration von sekundären Pflanzenstoffen zusätzlich begünstigen.
Ob diese höhere Konzentration bei den sekundären Inhaltsstoffen allerdings tatsächlich einen gesundheitlichen Vorteil für die Konsumenten bringt, ist bisher nur für wenige Stoffe wissenschaftlich belegt. Für das Lycopin der Tomate beispielsweise, das offenbar vor Krebs schützen kann.
Einige Wissenschaftler sprechen sogar davon, dass sie in Zukunft wichtiger werden könnten als Vitamine, deren Grundbedarf bei normaler Ernährung einfach abgedeckt wird.
(Erstveröffentlichung 2003. Letzte Aktualisierung 01.03.2022)
Quelle: SWR/WDR