Selbstbild im Wandel
Die mediale Inszenierung von Benito Mussolini gehört zu den besonderen Merkmalen der faschistischen Diktatur in Italien. Mussolini setzte sie gezielt für seine Herrschaftssicherung ein und etablierte damit den Führermythos.
Von Anfang an kontrollierte er seine Außendarstellung, nichts überließ der "Duce" dem Zufall. Bilder, die ihm nicht gefielen, wurden einfach nicht veröffentlicht. Nach Bedarf passte Mussolini seine Außendarstellung der jeweiligen Situation an und so ist es nicht verwunderlich, dass in den über 20 Jahren Diktatur verschiedene Bilder des "Duce" propagiert wurden.
Vor der Machtübernahme setzte Mussolini vor allem auf "Feldherrn-Manier". Viele Bilder zeigen ihn in der typischen Militäruniform der "Schwarzhemden", seiner faschistischen Kampfbünde. Erhobenen Hauptes blickt er seine Betrachter stolz und heroisch vom Fotokarton aus an und verkündet mit dieser Haltung die imperialen Ansprüche des neuen, faschistischen Italiens.
Nach dem "Marsch auf Rom" im Jahr 1922 ändert Mussolini seine Taktik. Gefragt ist jetzt das Bild des treusorgenden Staatsmannes. Mit dem Bild des normalen Politikers wollte Mussolini seine konservativen Bündnispartner beruhigen und dem Ausland Vertrauen signalisieren.
Bilder aus dieser Zeit zeigen ihn arbeitend am Schreibtisch, im Frack oder auch in monarchisch inspirierten Uniformen. Beliebt sind in dieser Zeit auch Szenen, die Mussolini als liebevollen Familienvater zeigen.
In den 1920er-Jahren, als Mussolini noch in der Blüte seiner Manneskraft und Jugend ist, nutzt er auch bewusst den eigenen Körper, ganz im Gegensatz zu Hitler später. Aufnahmen Mussolinis mit nacktem Oberkörper, am Adria-Strand als Schwimmer oder beim Skifahren sind keine Seltenheit. Damit zielte er auf eine männlichkeitsbetonte Form der Selbstdarstellung. Das war nicht unproblematisch, denn mit den Jahren wurde natürlich auch Mussolini älter.
In den 1930er-Jahren und insbesondere zu Kriegsbeginn 1939 nimmt die Verbreitung von Mussolini-Konterfeis als Heerführer wieder zu. Aus dieser Zeit gibt es fast nur noch Fotos vom "Duce" in Uniform. Neben Fotos spielt insbesondere der Film eine große Rolle für die Verbreitung des "Mussolini-Mythos".
Mussolini als kämpferischer Redner
Propaganda auf der Leinwand – das "Istituto Luce"
"Mussolini Superstar" – dieser Traum ging für den "Duce" vor allem durch die Gründung des neuen Filminstituts in Erfüllung. 1925 übernahm der frisch gebackene Diktator in Rom das "Istituto Luce". Es war bereits 1924 von dem Journalisten Luciano De Feo mit dem Ziel gegründet worden, Informationsfilme für seine Landsleute zu produzieren.
Mit seinen Filmprojekten wollte er dazu beitragen, auch den armen Süden an Bildungsinitiativen teilhaben zu lassen, und daran mitwirken, den Analphabetismus in Italien einzudämmen. Doch das älteste öffentliche Kino- und Filminstitut der Welt wurde bereits ein Jahr später zweckentfremdet.
Mit modernster Filmtechnik ausstaffiert, stand Mussolini mit dem neuen "Istituto Luce" ein gigantischer Propagandaapparat zur Verfügung. Die faschistische Propaganda konnte mithilfe des Films jetzt in die abgelegenen Winkel des armen Süditaliens getragen werden – auch wenn die Filme offiziell der kulturellen Erziehung und Bildung der Italiener dienen sollten.
Ab 1927 befahl Mussolini, dass vor jedem Film eine Art italienische "Tagesschau", das "Giornale Luce" laufen sollte. So konnte Mussolini sicher sein, dass die meisten Italiener über die neuesten politischen Entwicklungen informiert wurden – natürlich in seinem Sinne.
Mitte der 1930er-Jahre begann im "Istituto Luce" die Produktion heute teils umstrittener Kinofilme wie "Scipio, der Afrikaner" von Carmine Gallone, der auch als Rechtfertigung für Mussolinis Äthiopienkrieg angesehen werden kann.
Mussolini schuf eine gigantische Filmindustrie für seine Zwecke
Eine Postkarte vom "Duce"
Ein anderes, überaus beliebtes Mittel für die Verbreitung des "Duce-Mythos" waren Postkarten. Die Postkarten wurden von privaten Herstellern produziert und verbreitet. Die Nachfrage bei den Italienern war enorm – die Karten erschienen in Millionenauflage. Viele wollten das Konterfei des "Duce" wenigstens als Postkarte auf ihrem Nachttisch haben.
Über die Wahl der Motive wachte Mussolini genauso wie über die Verbreitung von Fotos. Die Postkarten zeigten den "Duce" als Heerführer, mit Kindern, aber auch oft als Modernisierer Italiens. Tatkräftig zeigte er sich als Erntehelfer auf den Feldern. Die Postkarten, die Mussolini mit Bauern zeigen, sollten vermitteln, dass er ein großes Herz für die Belange der kleinen Leute hatte.
Andere Motive zeigen ihn mit der Spitzhacke beim Umbau von Stadtvierteln oder als einfachen Arbeiter bei der Trockenlegung der Pontinischen Sümpfe. Die Trockenlegung der malariaverseuchten Sümpfe um Rom war ein wichtiges Propagandathema in der Ära Mussolini. Im Gegensatz zu Hitler, von dem es vor allem militärische Porträts gibt, gab sich Mussolini sehr viel volksnaher.
Waren in Italien sehr beliebt – Postkarten mit dem Konterfei Mussolinis
Mussolini: Frauenheld und Macho
Seine "Volksnähe" zeigte Mussolini auch bei den Frauen. Er nutzte das weibliche Geschlecht für seine Selbstinszenierung. Zwar gibt es eher selten Bilder von seiner Familie und insbesondere von seiner Ehefrau Rachele, aber die Mund-zu-Mund-Propaganda funktionierte dennoch einwandfrei. Die meisten Italiener wussten von ihrem Führer, dass er zahlreiche Affären hatte.
Mussolini verkörperte das typische Klischee des machohaften Italieners. Und das imponierte nicht nur den Männern. Heute gilt es als offenes Geheimnis, dass Mussolini des öfteren weibliche Bewunderinnen in seinem Palast an der Piazza Venezia in Rom für ein "Schäferstündchen" empfing.
Er hatte aber auch längere Liebschaften. Neben der jüdischen Intellektuellen Margherita Sarfatti, die Mussolini bis in die 1930er-Jahre die Treue hielt, war seine wichtigste Geliebte Claretta Petacci. Sie folgte dem "Duce" 1945 sogar freiwillig in den Tod.
Mussolini mit Ehefrau und den fünf Kindern
Der Mythos lebt weiter
Der "Duce" ist tot – aber sein Mythos lebt in den Herzen einiger Italiener immer noch fort. Jedes Jahr pilgern mehrere tausend rechtsradikale Anhänger in den Geburtsort Mussolinis bei Bologna.
In Predappio besuchen sie nicht nur die Gruft des Diktators, sondern decken sich in den Souvenirläden der Kleinstadt auch direkt mit Mussolini-Devotionalien ein. Von Mussolini-Shampoo, -Champagner, -Kalendern bis hin zu "Duce-Büsten" ist hier alles zu bekommen.
Offiziell ist der Verkauf faschistischer Andenken und Symbole zwar auch in Italien verboten, aber so genau nehmen es die Ordnungshüter damit nicht. Zumal das Geschäft mit dem Faschismus gutes Geld in die Kassen von Predappio spült.
Doch nicht alle Einwohner befürworten den Mussolini-Kult und so gibt es mittlerweile auch Projekte, die sich durchaus kritisch mit der Zeit des Faschismus beschäftigen. Ein Beispiel: das Geburtshaus von Mussolini mit seinen wechselnden Ausstellungen.
Jedes Jahr pilgern Mussolini-Anhänger in seinen Geburtsort
(Erstveröffentlichung 2009. Letzte Aktualisierung 30.11.2021)
Quelle: WDR