Alternative Heilverfahren: Welche Methoden wirken, welche nicht?
Planet Wissen. 11.11.2022. 02:00 Min.. UT. Verfügbar bis 15.11.2026. WDR.
Medizin
Alternativmedizin
Die Alternativmedizin hat sich längst als ernstzunehmender Zweig der Medizin etabliert. Allerdings gibt es neben wissenschaftlich anerkannten Methoden auch jede Menge Therapien, die wirkungslos sind.
Von Christiane Tovar
Globuli, Blutegel und kalte Güsse
Im Mittelalter – lange bevor es die Schulmedizin gab – zogen Heiler und Quacksalber durch Europa, um die Menschen von ihren Leiden zu befreien. Blutegel, Schröpfen und allerlei Kräutertinkturen waren damals gängige Therapien. Den Aderlass, bei dem den Menschen größere Mengen Blut abgenommen wurden, gibt es sogar schon seit der Antike.
Diese Methoden gehören zu den rund 400 Heilmethoden, die man heute unter dem Oberbegriff Alternativmedizin zusammenfasst. Sie lassen sich grob in drei Bereiche einteilen.
Man unterscheidet erstens die klassischen Naturheilverfahren, zweitens die erweiterten Verfahren und drittens die eigenständigen Konzepte wie Homöopathie, Traditionelle Chinesische Medizin (TCM) oder Anthroposophische Medizin.
Letzteren liegen jeweils ein spezielles Menschenbild und ein besonderes Diagnosesystem zugrunde. So gibt es in der TCM zum Beispiel die Zungen- und die Pulsdiagnose.
Pestwurz und Rosskastanie
Eines der klassischen Naturheilverfahren ist die Phytotherapie (Pflanzenheilkunde). Sie beruht auf der Annahme, dass bestimmte Pflanzen bei der Heilung helfen. So wird zum Beispiel Rosskastanie gegen Krampfadern eingesetzt, und mit Pestwurz haben Alternativmediziner gute Erfahrungen bei Heuschnupfen gemacht.
Auf Sebastian Kneipp geht die Hydrotherapie zurück, die ebenfalls zu den Naturheilverfahren gehört. Bei diesen Methoden steht das Wasser im Vordergrund. Die Patienten werden je nach Beschwerde durchaus erfolgreich mit Güssen, Wickeln und Wechselbädern behandelt.
Massage, Yoga und Entspannungsverfahren wie Autogenes Training fallen in den Bereich der erweiterten Verfahren. Auch ihnen wird eine gute Wirksamkeit bestätigt.
Yoga zum Beispiel ist bei Herz- und Kreislauferkrankungen hilfreich, mit Autogenem Training haben Therapeuten Schlafstörungen und Asthma erfolgreich behandelt.
Auch Entspannungsverfahren gehören zur Alternativmedizin
Das ganzheitliche Menschenbild
Homöopathie, Akupunktur, Hydro- und Phytotherapie gehören zu den bekanntesten Methoden der Alternativmedizin. Aber auch Blutegeltherapie, Biofeedback und Geistheilung fallen unter diesen Oberbegriff.
Typisch für viele Methoden in der Alternativmedizin ist das ganzheitliche Menschenbild. Das heißt, die Therapeuten sehen die einzelnen Krankheiten nicht isoliert, sondern beziehen den ganzen Menschen und auch die Psyche mit ein.
Alle Therapien – und das gilt auch für die etablierten Methoden wie Phytotherapie und Homöopathie – haben allerdings etwas gemeinsam: Ihr Nutzen ist, bis auf wenige Ausnahmen, nicht wissenschaftlich belegt.
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Alternativ, komplementär oder integrativ?
Strittig ist auch der Begriff Alternativmedizin. Im englischen Sprachraum heißt sie kurz CAM: "Complementary and Alternative Medicine", zu Deutsch: "Ergänzende und alternative Medizin". Dieser Begriff trifft es nach Ansicht vieler Mediziner am besten.
Denn sie verstehen die Alternativmedizin eher als Ergänzung zur Schulmedizin und meinen, dass sich die Methoden nicht gegenseitig ausschließen, also keine Alternativen zur konventionellen Medizin sind.
Immer mehr setzt sich auch der Begriff der Integrativen Medizin durch, die so heißt, weil sie konventionelle und alternative Methoden kombiniert.
Die Komplementärmedizin ist mittlerweile auch im klassischen Gesundheitssystem angekommen. So gibt es mehrere Kliniken, die beide Therapieformen kombinieren und damit erfolgreich sind. Die Kosten für eine solche Behandlung werden von den Krankenkassen übernommen.
Die Alternativmedizin in der Wissenschaft
Seriöse Komplementärmediziner legen Wert darauf, dass die Methoden, mit denen sie arbeiten, eine wissenschaftliche Grundlage haben. An vielen renommierten Kliniken wie der Charité in Berlin wird deshalb zum Thema geforscht. Mittlerweile gibt es mehrere Lehrstühle, die sich mit der Komplementärmedizin beschäftigen.
Spitzenreiter unter den Studienobjekten ist die Akupunktur. Doch trotz einiger hundert Untersuchungen zum Thema gibt es keine eindeutigen Ergebnisse.
Offenbar ist die Behandlung mit Akupunkturnadeln besonders bei Rückenschmerzen und Migräne erfolgreich. Allerdings kommt es dabei nach bisherigen Erkenntnissen nicht darauf an, an welchen Punkten die Nadeln gestochen werden.
Das würde bedeuten, dass die Meridiane – also die gedachten Linien auf unserem Körper, auf die die Nadeln je nach Beschwerde gesetzt werden – keine Bedeutung hätten.
Dafür spricht auch die These, dass die Meridiane lediglich ein theoretisches Konstrukt sind, das auf die Verläufe der Flüsse und Straßen des chinesischen Reiches zurückgeht, aber keine medizinische Relevanz hat.
Der Streit um die Homöopathie
Weit umstrittener als die Akupunktur ist die Homöopathie. Während es glühende Anhänger dieser Lehre gibt, bezweifeln viele Wissenschaftler den therapeutischen Nutzen der homöopathischen kleinen Kügelchen namens "Globuli".
Begründet wurde die Homöopathie vom deutschen Arzt Samuel Hahnemann (1755-1843). Er ging davon aus, dass Ähnliches mit Ähnlichem geheilt werden kann. Wenn ein Patient zum Beispiel tränende Augen hat, bekommt er ein Heilmittel, das diese Symptome bei einem gesunden Menschen hervorruft.
Das zweite Charakteristikum der Homöopathie ist die starke Verdünnung der Arzneien. Für Kritiker ist das ein wichtiges Argument in der Diskussion um die Wirksamkeit. Denn der Wirkstoff selbst ist häufig gar nicht mehr in den Arzneien nachweisbar.
Obwohl die Homöopathie im Kreuzfeuer steht, gibt es allein in Deutschland mehr als 6000 Ärzte, die nach der homöopathischen Lehre arbeiten.
Quacksalber und Scharlatane
Gerade weil es so viele unterschiedliche Methoden in der Alternativmedizin gibt, fällt die Orientierung schwer. Neben einigen wenigen fundierten Therapien sind es viele zweifelhafte Behandlungsansätze auf dem Markt. Auch bei den Therapeuten selbst ist nicht jeder gleich seriös.
Für einige Methoden genügt schon eine mehrstündige Ausbildung. Seriöse Anwender erkennt man in der Regel an ihrer medizinischen Ausbildung. Nicht wenige TCM-Fachleute haben zum Beispiel Medizin studiert und sich dann weiterqualifiziert. Außerdem gibt es viele Heilpraktiker, die gute Arbeit leisten.
Das wichtigste aber ist, dass Alternativmediziner die Grenzen ihrer Methoden kennen und sich Unterstützung bei den schulmedizinischen Kollegen holen, wenn sie nicht mehr weiterkommen. Denn das Beste aus beiden Welten, da sind sich zumindest moderne Komplementärmediziner sicher, ist auch das Beste für die Patienten.
(Erstveröffentlichung 2011. Letzte Aktualisierung 25.05.2020)
Quelle: WDR