Der Skilangläufer Björn Daehlie lächelt im Jahr 1993 in die Kamera

Skilanglauf

Björn Daehlie – Langlaufkönig der 1990er

"Unschlagbar" – diese Auszeichnung wird nur wenigen Sportlern zuteil. Der Norweger Björn Daehlie war einer von ihnen. Er dominierte während der 1990er den Skilanglauf, verausgabte sich bis zum Letzten und wurde für Rivalen zum nahezu unbesiegbaren Phantom.

Von Claudia Kracht

Er "läuft sich blau" – und macht einfach weiter

Beleg für Björn Daehlies Einzigartigkeit sind nicht nur sechs Gesamtsiege im Weltcup, sondern auch 29 Medaillen bei Olympischen Spielen und Weltmeisterschaften. Er wurde zum "Nordischen Skisportler des Jahrhunderts" gewählt, man nannte ihn "König Björn I." und den "weltbesten Loipen-Bändiger".

Sich quälen können, bis an die absoluten Grenzen der eigenen Leistungsfähigkeit gehen und sogar darüber hinaus: Das ist eine der Voraussetzungen, um im Spitzensport etwas zu erreichen. Björn Daehlie hatte schon früh diesen unbeugsamen Willen, in der Weltspitze mitzulaufen.

Der ehemalige deutsche Langlauf-Bundestrainer Jochen Behle versuchte diese Erfahrungen im Grenzbereich so zu erklären: "Niemand unter den Läufern kann sich so verausgaben wie Björn. Er mobilisiert Reserven, wo andere zusammenbrechen, läuft sich blau und sieht Sternchen, rennt aber auf dem gleichen Niveau weiter."

Björn Daehlie beim Zieleinlauf

Björn Daehlie konnte sich bis zur totalen Erschöpfung verausgaben

Stadtmensch auf Skiern

Erstaunlich für einen Skilangläufer: Björn Daehlie ist eigentlich ein Stadtmensch. Geboren wurde er am 19. Juni 1967 in Raholt vor den Toren Oslos. Schon als Kind interessierte er sich für die Nordische Kombination. Auf der Sprungschanze flog er bereits an die 60 Meter weit, ehe er sich mit 15 Jahren ausschließlich auf den Langlauf konzentrierte.

Entscheidend für Björns Karriere war, dass seine Eltern schon in frühen Jahren das Talent ihres Sohnes erkannten und nach Kräften förderten. Nach dem Abitur versuchten sie gar nicht erst, ihn zu einem Studium zu überreden. Sofort nach der Schule wurde er Langlaufprofi, und als Superstar lebte er ganz gut davon.

Das sah er im Interview im Dezember mit dem "Züricher Sport" auch als durchaus gerechtfertigt an: "Ich opfere schließlich meine besten Jahre, habe keine Ausbildung und meine Familie vernachlässige ich auch."

Ein Talent wird zum Star

Wie viele andere Läufer trat der 1,84 Meter große Modellathlet international erstmals im Rahmen von Junioren-Weltmeisterschaften in Erscheinung und wurde 1987 in Asiago Vierter über 30 Kilometer Freistil. Bereits im folgenden Jahr wurde der gerade 20-Jährige Mitglied der norwegischen Nationalmannschaft.

Der internationale Durchbruch gelang ihm im Winter 1990/91. Daehlie trat aus dem Schatten seines Landsmannes Vegard Ulvang und wurde im Weltcup gemeinsam mit diesem Dritter.

Seine große Stunde aber schlug bei der Weltmeisterschaft (WM) 1991 im italienischen Val di Fiemme: als 23-Jähriger siegte er über 15 Kilometer im freien Stil – und zusammen mit seinen Landsleuten Skannes, Langli und Ulvang auch in der 4-mal-10-Kilometer-Staffel.

Vegard Ulvang im Langlaufdress.

Konkurrent und Landsmann: Vegard Ulvang

Mentale Schwächen? Unbekannt!

Kennzeichnend für den Siegertyp Björn Daehlie war eine Äußerung kurz vor den Olympischen Winterspielen 1992 in Albertville. Die Fachwelt hatte vor Beginn der Wettkämpfe gerätselt, ob der damals 24-Jährige unter der Bürde des Olympiafavoriten zusammenbrechen würde.

Aber der Medaillenanwärter sah das ganz gelassen: "Wenn ich laufe, will ich immer gewinnen. Weshalb soll mich das dann belasten?"

Und tatsächlich: Zusammen mit Vegard Ulvang gewann er fast alles, was es zu gewinnen gab. Gold im Marathon über 50 Kilometer, über 15 Kilometer und mit der norwegischen Staffel, dazu die Silbermedaille über 30 Kilometer im klassischen Stil. Nur im 10-Kilometer-Sprint verpasste er knapp die Bronzemedaille.

Am Saisonende verbuchte Daehlie darüber hinaus noch vier Weltcupsiege auf seinem Konto.

Heimspiel in Lillehammer

1994 fanden die Olympischen Winterspiele im norwegischen Lillehammer statt. Kein Wunder, dass Daehlies Landsleute im Mutterland des Skilanglaufs wahre Wunder von ihrem Star erwarteten.

Er hatte seinen Trainingszeitplan voll und ganz auf Olympia ausgerichtet, kannte die Laufstrecke wie seine eigene Westentasche, feilte an seinen Schwächen – und hielt erneut dem psychischen Druck stand.

Die Loipe in Lillehammer wurde für ihn zu einem Heimspiel. Fast täglich sahen die Fernsehzuschauer in aller Welt die rote Nationalflagge mit dem blauen Kreuz über der Loipe wehen: Björn Daehlie gewann zweimal Gold, zweimal Silber und verpasste nur über die Marathonstrecke als Vierter eine Medaille.

Björn Daehlie nach Siegerehrung in Jubelpose

In seinem Heimspiel dominierte Daehlie die Konkurrenz

Die große Kunst: oben bleiben

An die Spitze zu kommen ist schwer. Aber noch viel schwieriger ist es, sich dort zu behaupten. Im Winter 1996/97 unternahm Björn Daehlie die nächsten Schritte in Richtung Unsterblichkeit.

Beim Weltcup-Auftaktrennen im schwedischen Kiruna übertraf der Norweger mit seinem 31. Sieg in einem Weltcup-Rennen seinen großen schwedischen Rivalen Gunde Svan, und auch bei der Zahl der WM-Titel zog "Björn der Große" anlässlich der Heim-WM in Trondheim 1997 am großen Schweden vorbei. Dort gewann er drei Gold-, eine Silber- und eine Bronzemedaille.

Auch nach der WM konnte er sein hohes Niveau aufrecht erhalten: Er gewann noch zwei Weltcup-Rennen und holte sich mit über 250 Punkten Vorsprung bereits zum fünften Mal den Sieg im Gesamt-Weltcup.

Die Olympischen Spiele 1998 im japanischen Nagano waren Björn Daehlies olympischer Abschluss. Als mittlerweile 30-Jähriger gewann er nochmals drei Gold- und eine Silbermedaille. Insgesamt holte Björn Daehlie zwölf Medaillen bei Olympischen Spielen – und ist damit der erfolgreichste männliche olympische Sportler im Skilanglauf.

Abschied vom Leistungssport

Ursprünglich hatte Daehlie vor, auch als 34-Jähriger bei den Olympischen Winterspielen 2002 in Salt Lake City (USA) seine Medaillen-Sammlung weiter zu vergrößern. Im Sommer 1999 stürzte er jedoch schwer beim Rollski-Training.

Im Herbst desselben Jahres musste er sich einer Rückenoperation unterziehen – und auf die Saison 1999/2000 verzichten. Comeback-Versuche im Winter 2000 scheiterten, im März 2001 musste Björn Daehlie wegen seiner langwierigen Rückenverletzung seinen Abschied vom Leistungssport erklären. Ein Comeback hatte keinen Sinn.

Bereits 1994 hatte sich der Langlauf-Superstar mit seiner Lebensgefährtin Vilde Vlach-Ytter in Holter bei Oslo niedergelassen. Die beiden haben zwei Söhne: Sivert (geboren 1994) und Sander (geboren 1997).

Der Ältere hatte sich offenbar bereits in jungen Jahren an die Siege seines Vaters gewöhnt, erzählte Daehlie im März 1998 dem "Sportmagazin": "Er glaubt immer, Langlauf sei, wenn ich gewinne und die anderen mitlaufen."

Außerhalb seiner Familie konzentrierte sich der erfolgsverwöhnte Profi während seiner Laufbahn fast ausschließlich auf seinen Beruf. Für Hobbys blieb da kaum Zeit, am ehesten noch fürs Jagen und Fischen. Trotz seines Unfalls 1999 hat der vielfache Millionär aufgrund zahlreicher Werbeverträge und der Beteiligung an einer Sportartikel-Firma längst ausgesorgt.

Familienfoto: Björn Daehlie mit Frau und zwei Söhnen.

Björn Daehlie mit seiner Frau und seinen beiden Söhnen

(Erstveröffentlichung 2004. Letzte Aktualisierung 03.06.2019)

Quelle: WDR

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