Sibirien
Vielvölkerland Sibirien
"Sibirer" oder "Sibirjaken" nennen sich die Einwohner von Sibirien. Hier leben eingewanderte Russen, Weißrussen und Ukrainer sowie zahlreiche indigene Volksgruppen. Doch ihre traditionelle Lebensweise ist durch Industrialisierung und Umweltzerstörung gefährdet.
Von Sandra Kampmann
Die verschiedenen Bevölkerungsgruppen
Sibirien hat nur etwa 24 Millionen Einwohner, also 2,7 Menschen pro Quadratkilometer. Zum Vergleich: In Deutschland teilen sich im Schnitt 231 Einwohner einen Quadratkilometer. In Sibirien wohnen die meisten Menschen im Süden und Südwesten in den größeren Städten, die unmittelbar an die Transsibirische Eisenbahn angebunden sind.
Die mit rund 85 Prozent größte Bevölkerungsgruppe stellen die Russen dar. Sie eroberten Sibirien während der Zarenherrschaft ab dem 16. Jahrhundert und drängten die ursprünglichen Bewohner immer mehr zurück. Dennoch existieren noch heute zahlreiche verschiedene Ethnien. Manche der Volksgruppen haben nur noch wenige hundert Angehörige.
Andere Volksgruppen sind dagegen noch in größerer Zahl zu finden. Zu den sogenannten "Großvölkern" zählt man beispielsweise die Tuwiner, Jakuten, Altaier und Burjaten. Letztere sind mit rund einer halben Million die größte ethnische Minderheit in Sibirien.
Das ursprünglich aus der Mongolei stammende Volk ist im Süden des Landes in der Nähe des legendären Baikalsees ansässig und hat viel von der mongolischen Kultur behalten.
Burjatische Frau in Sibirien
Einst waren die Burjaten Nomaden, die mit ihrem Vieh und der Hirtenjurte umherzogen, heute sind die meisten von ihnen sesshaft. Ein Großteil lebt in Burjatiens Hauptstadt Ulan-Ude. Viele sind Anhänger des Schamanismus oder der buddhistischen Religion, die im 17. und 18. Jahrhundert aus der Mongolei in diesen Teil Sibiriens gebracht wurde.
Zerstörung der natürlichen Lebensräume
Zu den kleineren Naturvölkern zählen die Chanten, Mansen, Ewenken, Tschuktschen und Nenzen. Das Volk der Nenzen lebt in Nordrussland, wobei zwischen den im europäischen Teil lebenden Nenzen nahe der Stadt Archangelsk und den Jamal-Nenzen im Norden des westsibirischen Tieflandes unterschieden wird.
Auf der Jamal-Insel leben etwa 4700 Nenzen. Mit ihren großen Rentierherden ziehen die Nomaden von den Sommerweiden an der Küste des Polarmeeres zu den Winterquartieren in die walddominierte Taiga, wo sie vor den eisigen Winden der Tundra geschützt sind. Die Rentierherden sind die Lebensgrundlage der Vollnomaden: Sie liefern ihnen alles Lebensnotwendige wie Fleisch, Felle und Werkzeuge, die aus den Geweihen der Tiere gefertigt werden.
Andere Gruppen wie die Tschuktschen im östlichsten Teil Russlands leben vom Fischfang und der Jagd. Doch nicht alle indigenen Völker Sibiriens konnten und können ihre traditionellen Lebensweisen und kulturellen Eigenheiten so gut bewahren wie diese beiden Völker.
Durch die Sowjetisierung und Zwangs-Christianisierung der Ureinwohner haben viele ihre unabhängige und naturverbundene Lebensweise eingebüßt. Immerhin gibt es seit der Auflösung der Sowjetunion eine Interessenvertretung, die "Vereinigung der kleinen Völker des Nordens". Sie berät die russische Regierung und strebt zumindest eine partielle Selbstbestimmung der Minderheiten an.
Auch die Traditionen der Altaier, wie etwa die Adlerjagd, sind bedroht
Die stärkste Bedrohung für die indigenen Volksgruppen geht jedoch von der Industrialisierung des Landes und der kommerziellen Ausbeutung der Bodenschätze aus. Die Förderung von Öl, Gas und Gold zerstört die Jagd- und Weideflächen der Ureinwohner Sibiriens.
Die Abholzung der Taiga-Wälder sowie die massiven Bodenverunreinigungen durch die Gas- und Ölindustrie zählen zu den schwerwiegendsten Umweltsünden Sibiriens. So gehört beispielsweise der "Autonome Kreis der Jamal-Nenzen" zu den bedeutendsten Regionen der russischen Erdöl- und Erdgasindustrie, die dort schwere Umweltschäden verursacht.
Die Industrie verursacht große Umweltschäden
Quelle: SWR | Stand: 28.05.2020, 17:00 Uhr