Umstrittenes Regelwerk
Einige liberale Juden empfinden das strikte Regelwerk ihrer Religion als willkürliche Einschränkung ihrer Handlungsmöglichkeiten – wie zum Beispiel das Verbot, Mischgewebe aus Wolle und Leinen zu tragen. Viele Gläubige hingegen sehen in den Vorschriften eine Hilfe, um dem Alltag religiöse Tiefe zu geben. Für sie sind die religiösen Gesetze ihr Weg zu einem bewussteren Leben.
Für gläubige Juden stellt das Regelwerk den Sinn des Lebens dar. Gott hat ja das jüdische Volk auserwählt, sodass sie sich verpflichten müssen, seine Regeln zu befolgen, so kompliziert sie auch sein mögen. Damit hat aber Gott den Juden auch einen tieferen Lebenssinn gegeben, was ihr Dasein mit Freude erfüllt.
So werden die Regeln nicht als Bürde gesehen, sondern als die Möglichkeit, das Leben nach Gottes Wünschen – also richtig – zu führen.
Viele der Gebote können auch Außenstehenden logisch erscheinen, andere wiederum sind schwer nachzuvollziehen. So zum Beispiel Regeln, die fordern, dass aus Rindfleisch eine bestimmte Sehne entfernt wird. Für Juden stellt sich aber die Frage nach der Logik gar nicht, denn die Regeln wurden so von Gott gegeben. Im Buch Hiob wird zudem erklärt, dass der Mensch unfähig und nicht in der Lage sei, Gottes Gedanken zu folgen.
Gläubige Juden kaufen in Spezialgeschäften ein
Milch und Fleisch müssen getrennt werden
Um sicherzugehen, dass der Mensch nicht aus Versehen eine der Regeln bricht, wurden die entsprechenden Gebote über Tausende von Jahren kontinuierlich ausgelegt und debattiert.
Um die ursprünglichen Gebote wurden aus Sicherheitsgründen Pufferzonen errichtet, sogenannte Zäune. So wurde aus dem Verbot, "das Zicklein in der Milch seiner Mutter zu kochen", ein generelles Verbot, Milch und Fleisch miteinander zu mischen.
Mittlerweile wird für die beiden Speisearten auch getrenntes Geschirr benutzt. Der Abwasch wird in verschiedenen Spülen erledigt. Restaurants mit nur einer Küche können, um koscher zu sein und Gläubige zu bedienen, nur entweder "fleischig" oder "milchig" sein.
Um noch sicherer zu sein und um eine Vermischung beim Verdauen zu vermeiden, warten Orthodoxe während der Mahlzeiten. Über die Frage, wie lange, gibt es hitzige Debatten zwischen verschiedenen Gruppierungen und Rabbinern.
Milch- und Fleischprodukte dürfen nicht gemeinsam lagern
Anpassung an aktuelle Probleme
Aber auch aktuellen Entwicklungen versucht man gerecht zu werden. Fragen, die neue Fischarten, Speisen oder Gartechniken betreffen, werden diskutiert.
In der Regel wendet sich eine Person an einen Rabbiner mit einer Frage, über die Unsicherheit herrscht. So gilt etwa Sushi als koscher, solange es nicht Meeresfrüchte beinhaltet. Denn aus dem Meer dürfen Juden nur Fische essen, die Schuppen und Kiemen haben.
Eine andere Debatte entstand, als ein Rabbiner behauptete, dass in den Nuri-Algen, die für Sushi verwendet werden, auch Reste von mikroskopischem Meeresgetier vorhanden sein können. Sicherheitshalber verbot er den Verzehr von Sushi. Allerdings gibt es auch Regeln, die besagen, dass das, was nicht sichtbar ist, die Kaschrut nicht beeinflusst.
Sushi: Koscher oder nicht koscher?
(Erstveröffentlichung 2007. Letzte Aktualisierung 09.04.2019)
Quelle: WDR