Der Kirchenstaat: päpstliche Residenz
Obwohl der Zwergstaat Vatikan nur 44 Hektar groß ist, hat er durch sein Oberhaupt, den Papst, großen politischen Einfluss in der Welt.
Im Jahr 1929 wurde der Vatikanstaat auf dem römischen Monte Vaticano eigenständiges Staatsgebiet. Der Vatikan besitzt eine eigene Staatsbürgerschaft, eine eigene Bank, er prägt Münzen und gibt Briefmarken heraus und seine Autos haben vatikanische Nummernschilder.
Der Vatikan ist das Zentrum der katholischen Kirche, einer der ältesten Institutionen der Welt. "Du bist Petrus, auf diesen Felsen will ich meine Kirche bauen". Eingraviert in die gewaltige Kuppel des Petersdoms ist dieses Jesuswort im Vatikan zum steinernen Denkmal geworden.
Im Zeichen des Kreuzes nimmt der Papst als Stellvertreter Petri für sich in Anspruch, die 2000 Jahre alte katholische Kirche zu vertreten. Aber der Papst ist nicht nur geistliches Oberhaupt, er ist auch der weltliche Herrscher des Vatikans.
Bereits im 8. Jahrhundert errichteten die Päpste einen eigenen Staat, den sogenannten Kirchenstaat, der sich über ganz Mittelitalien erstreckte. Die Päpste des Mittelalters und der frühen Neuzeit waren machtbewusste Herrscher. Vom Kirchenstaat aus griffen sie ins Weltgeschehen ein, krönten Kaiser und entsandten Truppen.
Als das Papsttum im Jahr 1309 unter die völlige Abhängigkeit der französischen Krone geriet, begann das Exil der Päpste in Avignon: Fast 70 Jahre lang residierten die Päpste in Frankreich.
Der Papstpalast in Avignon – für 68 Jahre die Residenz der Päpste
1377 kehrte der Bischof von Rom in die Ewige Stadt zurück. Erst jetzt entstand auf dem römischen Vatikanhügel eine repräsentative Residenz der Päpste. Der Vatikan wurde zum Zentrum der katholischen Kirche und löste den jahrhundertealten Sitz der Päpste im Lateranpalast ab.
Die "Römische Frage"
Im Jahr 1870 ließ König Vittorio Emanuele bei der nationalen Einigung Italiens das Land des Papstes von italienischen Truppen besetzen. Mit einem Schlag verlor der Papst alle weltliche Macht, seine Truppen und Territorien. Der Kirchenstaat wurde in das neue Land Italien zwangseingegliedert.
Außer sich vor Entrüstung stilisierte sich der ohnmächtige Papst Pius IX. zum "Gefangenen des Vatikans", eines Gebietes rund um die Peterskirche, winzige 44 Hektar groß und mitten im römischen Stadtgebiet gelegen.
60 Jahre lang blieb die sogenannte "Römische Frage" ohne abschließende Regelung. Erst 1929 wurde der Staat der Vatikanstadt mit den sogenannten Lateranverträgen geschaffen. Darin wurde festgelegt, dass sich das weltliche Territorium der römischen Kirche fortan auf die Vatikanstadt beschränkt.
Es war der faschistische Diktator Benito Mussolini, der den Päpsten mit seiner Unterschrift unter das Vertragswerk die Souveränität zurückgab, die sie seit dem Zusammenbruch des Kirchenstaates im Jahr 1870 verloren hatten. Der Vatikan wurde darin als Nachfolger des Kirchenstaates anerkannt und erhielt den rechtlichen Status einer eigenständigen Nation.
Im Auftrag von Papst Pius XI. besiegelte Kardinalstaatssekretär Pietro Gasparri die Lateranverträge, in denen die Kurie auch ihre finanzielle Unabhängigkeit wiedererlangen sollte. 1,75 Milliarden Lire zahlte das faschistische Italien dem Vatikan als Entschädigung für die 1870 beschlagnahmten Kirchengüter.
Laut den Lateranverträgen erstreckt sich das eigentliche Territorium der Vatikanstadt nur noch über das von einer Mauer begrenzte Gelände. Zum Vatikan gehören der Petersdom, der Petersplatz sowie die Paläste und Gärten innerhalb der vatikanischen Mauern.
Doch verfügt der Vatikan noch über eine Reihe exterritorialer Besitzungen in Rom, etwa die Sommerresidenz des Papstes Castel Gandolfo und die päpstliche Universität Gregoriana, sowie diverse Kirchen, Basiliken, Wohnungen und weitere Immobilien.
Der Papst als Monarch
Der Vatikanstaat ist eine absolute (Wahl-)Monarchie. Regiert wird der Vatikan durch einen vom Kardinalskollegium gewählten "Priesterkönig", den Papst. Der Papst vereint die drei Staatsgewalten in einer Hand: Er ist Herrscher über die Legislative (Gesetzgebung), die Exekutive (ausführende Gewalt) und die Judikative (Gerichtsbarkeit).
Der Papst ist heute der letzte absolute Regent Europas, souveräner Herrscher eines souveränen Staates. Einmal gewählt, ist er solange Oberhaupt des Vatikans und der katholischen Kirche, wie er selbst es befürwortet. Niemand kann den Papst zur Abdankung zwingen.
Der letzte absolute Regent Europas
Quelle: SWR | Stand: 30.03.2020, 10:53 Uhr