Mittelgebirge
Bayerischer Wald
Im Osten Bayerns liegt der Bayerische Wald, zwischen den Flüssen Donau und Regen und an den Grenzen zu Österreich und Tschechien. Mit einer Höhe von bis zu 1456 Metern ist er Deutschlands zweithöchstes Mittelgebirge nach dem Schwarzwald.
Von Tobias Aufmkolk und Almut Röhrl
Entstehung eines Gebirges
Zusammen mit den angrenzenden Wäldern des Böhmerwalds, des Oberpfälzer Walds, des Neuburger Walds und des Sauwalds bildet der Bayerische Wald das größte zusammenhängende Waldgebiet Mitteleuropas. Hohe Berge, tiefe Schluchten, stille Waldseen und uralte Riesenfichten findet man hier – eine wilde Landschaft mit unbändiger Natur.
Alle deutschen Mittelgebirge entstanden im Gegensatz zu den erdgeschichtlich noch jungen Alpen vor sehr langer Zeit. Vor rund 500 Millionen Jahren verschoben sich Erdplatten, was auch Auswirkungen auf Mitteleuropa hatte. So wurde dadurch auch der Bayerische Wald emporgehoben.
Zu diesem Zeitpunkt war der Bayerische Wald noch von hohen schroffen Bergen geprägt. Doch im Laufe von Jahrmillionen wurde das Gebirge durch Verwitterungsprozesse großflächig abgetragen. Übrig blieb eine gewellte Hochfläche, die typisch für alle deutschen Mittelgebirge ist.
Während der Eiszeiten, die bis etwa 10.000 vor Christus andauerten, erhielt der Bayerische Wald dann sein heutiges Aussehen. Fast das gesamte Gebirge war in dieser Zeit unter einem dicken Eispanzer verborgen, der die ohnehin schon gewellten Kuppen noch weiter abflachte.
Wo sich Gletscher ihren Weg ins Tal bahnten, kann man heute noch eiszeitliche Formen entdecken. So sind zum Beispiel die beiden Arberseen und der Rachelsee Relikte aus der Kälteperiode.
Der Bayerische Wald – wild und ursprünglich
Mönche leisten Pionierarbeit
Bis heute gehört der Bayerische Wald mit seinen stillen Seen, dunklen Wäldern und tiefen Schluchten zu den rauesten Regionen Deutschlands. Lange Zeit wagte es kaum ein Mensch, diese unwirtliche Gebirgsregion zu besiedeln.
Die römische Militärpräsenz nördlich der Alpen endete an der Donau. Das waldreiche Gebiet weiter nördlich erschien den Römern wirtschaftlich zu unattraktiv, und so ließen sie es links liegen.
Auch im frühen Mittelalter galt der Bayerische Wald noch als undurchdringliche Wildnis, als ein Ort ohne Recht und Gesetz. Das zog Menschen an, die anderswo verfolgt wurden, wie Wilderer, Schuldner und Entrechtete, die im tiefen Wald ihr Versteck fanden.
Die Mönche aus den Donauklöstern wagten sich im frühen 11. Jahrhundert als Erste für längere Zeit in den dunklen Wald. Zur Aufgabe der bayerischen Mönche im Mittelalter gehörte es, neue Flächen durch Rodung der Wälder zu erschließen. In ihrem Gefolge brachten sie einige Bauern mit, die rund um die neu entstandenen Klöster kleine Siedlungen errichteten.
Freiwillig zogen jedoch nur die wenigsten in diese Gegend. Meist waren es zweit- oder drittgeborene Bauernsöhne, die auf ihren Elternhöfen kein Auskommen mehr fanden. Zusätzliche Steuerprivilegien durch die Landesherren sollten ihnen den Gang in das waldreiche Gebirge versüßen.
Glashütten und Handelswege
Im Spätmittelalter fanden Glasbläser den Weg in den Bayerischen Wald. Das Mittelgebirge hatte für sie zwei unschätzbare Vorteile. Zum einen gab es dort reiche Vorkommen an Quarz, dem wichtigsten Rohstoff für die Glasherstellung. Zum anderen benötigten sie große Mengen an Holz, um ihre Produkte herstellen zu können. Beides hatte der Bayerische Wald im Überfluss zu bieten.
Die Glasbläser rodeten die Wälder in der Umgebung ihrer Hütten vollständig ab. War kein geeignetes Holz mehr zu finden, bauten sie ihre Glashütte ab und errichteten sie an einem anderen Standort neu.
Einen wichtigen Anteil an der Besiedlung hatten auch die Säumerpfade durch den Bayerischen Wald, benannt nach Transporteuren, die Waren über die Alpen brachten. Die Pfade galten jahrhundertelang als wichtigste Handelsverbindungen von den wirtschaftlichen Zentren an der Donau über den Bayerischen Wald in die böhmischen Städte.
Vor allem Salz wurde so auf Lastkarren über das Mittelgebirge nach Norden transportiert. Auf dem Rückweg gelangten Getreide, Hopfen, Honig und Branntwein in die Donaustädte. Der bekannteste dieser Säumerpfade ist der "Goldene Steig", der von Passau ins tschechische Prachatice führte.
Passau war Ausgangspunkt des "Goldenen Steigs"
Vom Armenhaus zum Touristenmagnet
Bis weit ins 20. Jahrhundert hinein galt der Bayerische Wald als Armenhaus Deutschlands. Die Landwirtschaft verlangte den Bauern viel ab. Die nährstoffarmen Böden waren schwer zu bewirtschaften und gaben nicht viel Ertrag her. Die nicht weit entfernten Agrargebiete der Talebenen von Donau, Rott und Vils hatten weit günstigere Bedingungen zu bieten.
Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass es viele Waldler, wie die Bewohner des Bayerischen Waldes genannt werden, zumindest saisonal in die Ebenen zog. Ackerbau und Viehzucht reichten in heimischen Gefilden meist nur für eine karge Selbstversorgung aus. Geld musste andernorts verdient werden.
Nach dem Zweiten Weltkrieg hatte der Bayerische Wald mit zusätzlichen Strukturproblemen zu kämpfen. Die Grenzen des Eisernen Vorhangs schnitten die Region von den wichtigen Handelsrouten nach Böhmen ab. Viele junge Leute verließen den Bayerischen Wald, um ihr Glück fernab der Heimat zu suchen.
Erst in den 1960er-Jahren erkannte man, dass der Bayerische Wald gegenüber anderen Regionen Deutschlands einen unschlagbaren Vorteil besitzt: die Natur. Mit der Einrichtung des ersten deutschen Nationalparks 1970 wurde erstmals ein Konzept entwickelt, die Region sowohl unter Naturschutzaspekten als auch wirtschaftlich zu stärken.
Inzwischen ist das Konzept voll aufgegangen, der Nationalpark zum wirtschaftlichen Motor des gesamten Bayerischen Waldes geworden. Mehr als eine Million Touristen besucht jedes Jahr den Park.
Der Nationalpark brachte wirtschaftlichen Aufschwung
(Erstveröffentlichung: 2010. Letzte Aktualisierung: 28.05.2021)
Quelle: WDR/SWR