Blick über die Bucht von Palma.

Südeuropa

Mallorca

Traumhaftes Meer, faszinierende Landschaften und eine perfekte Tourismus-Industrie machen Mallorca seit den 1950er-Jahren zu Europas begehrtestem Ferienparadies. Doch der jährliche Besucheranturm hat auch seine Schattenseiten.

Von Andrea Schultens

Die größte Insel der Balearen

Im westlichen Mittelmeer vor der Ostküste Spaniens liegen die Balearen. Die Inselgruppe gehört zu Spanien und besteht aus den Inseln Mallorca, Menorca, Ibiza und Formentera sowie mehr als 100 unbewohnten kleinen Felseninseln.

Auf den Balearen herrscht ein mediterranes Klima mit milden Wintern und heißen Sommern. Mit 3640 Quadratkilometern ist Mallorca größer als das Saarland und die mit Abstand größte Balearen-Insel. Hier leben knapp 900.000 Einwohner, etwa 400.000 von ihnen in Palma, der Hauptstadt der Insel und der gesamten Balearen.

Es gibt zwei Amtssprachen: Mallorquin, ein Dialekt des Katalanischen, und Kastilisch (Spanisch). Mallorca hat gut 500 Kilometer Küste, wobei besonders die Westküste zwischen Andratx und Pollença mit schroffer Berglandschaft, Steilküsten und Buchten landschaftlich faszinierend ist.

Südlich von Palma liegt El Arenal, der wohl bekannteste Urlaubsort der Insel. Außer Bettenburgen und Party-Tempeln finden die Touristen hier lange flache Sandstrände. Ein anderer beliebter Urlaubsort und gleichzeitig ein wichtiger Fischereihafen ist Cala Rajada im Osten.

Luftbild der Küste Mallorcas

Anflug aufs Urlaubsparadies

Die ersten Touristen auf der Baleareninsel

Im Winter 1838/39 bereiste die französische Schriftstellerin George Sand mit ihren beiden Kindern und ihrem Geliebten, Frédéric Chopin, die Mittelmeerinsel Mallorca. Das Eiland war weitgehend unberührt und faszinierte die Besucher.

In ihrem Roman "Ein Winter auf Mallorca" brachte Sand die Ablehnung der Bewohner zu Papier, die den ersten Reisenden misstrauen. Aber Sand schwärmte in ihrem Buch auch: "Das ist der schönste Ort, den ich je bewohnt habe."

Schon fünf Jahre vor dem Besuch dieser ersten Touristen war ein regelmäßiger Fährdienst zwischen Barcelona und Mallorcas Hauptstadt Palma eingeführt worden – zunächst per Segelboot, später dann mit Dampfschiffen.

Der erste organisierte Tourismus

Anfang des 20. Jahrhunderts besuchten allmählich mehr Touristen die Insel, zunächst vorwiegend vom spanischen Festland und aus Großbritannien. Es entwickelte sich eine touristische Infrastruktur: So wurde 1903 mit dem "Grand Hotel" das erste Hotel eröffnet.

1905 gründete der Unternehmer und Journalist Enrique Alzamora Gomá die Institution, die Mallorca als touristisches Ziel bekannt machen sollte: "Fomento del Turismo", den ältesten Fremdenverkehrsverband der Welt.

Der noch heute existierende Verband erstellte Landkarten, Broschüren und Inselführer, organisierte Reisen und leitete geführte Exkursionen. 1907 lief dann die erste Besuchergruppe im Hafen von Palma ein.

Viele Menschen am Flughafen von Palma

Urlaubermassen am Flughafen von Palma

In den 1950ern ging es richtig los

In den 1920er- und 1930er-Jahren bereisten mehr und mehr Urlauber die Baleareninsel. 1935 lockte das beworbene "ideale Klima" 50.000 Fremde nach Mallorca. In den darauf folgenden Jahren ruhte der Tourismus aufgrund des Spanischen Bürgerkrieges und des Zweiten Weltkrieges, aber schon 1950 kamen wieder knapp 100.000 Urlauber auf die Insel. Im folgenden Jahr verdoppelte sich die Anzahl.

Durch die wirtschaftliche Öffnung förderte der faschistische Staatschef Franco ab 1960 gezielt Mallorca als Touristenziel. Als dann auch noch der Flughafen Son Sant Joan die Insel dem Massentourismus zugänglich machte, ging der Besucheransturm richtig los: In den 1960er-Jahren besuchten jährlich mehr als eine Million ausländische Touristen die Insel.

Von geringen Schwankungen abgesehen, wuchs diese Zahl von Jahr zu Jahr. Ende der 1990er-Jahre galt Mallorca mit mehr als sechs Millionen Gästen im Jahr als Europas Ferienziel Nummer eins.

Menschenmassen an einem überfüllten Strand

Mallorca-Urlaub – nicht gerade ein Geheimtipp

Wurstkönige und Kneipiers – deutsche Geschäftsleute

Bei mehreren Millionen deutschen Urlaubern pro Jahr ist es nicht verwunderlich, dass auch viele der Gastronomie- und Tourismusbetriebe auf Mallorca heute fest in deutscher Hand sind.

Einige Deutsche hatten schon Anfang der 1970er-Jahre die Idee, Mallorcas Tourismus-Boom zu nutzen und dort selbst Wurzeln zu schlagen. 1970 eröffnete der Düsseldorfer Altstadtkönig Erwin Bornscheuer mit großem Erfolg die erste Disco Mallorcas: das "Carrusel".

Auch Horst Abel, ein gelernter Metzger aus Fulda, war einer der ersten. Ebenfalls 1970 wanderte er nach Mallorca aus, im Reisegepäck etwas Startkapital und eine Geschäftsidee. Zunächst war er Besitzer einer kleinen Imbissbude, eröffnete aber bald eine Fleisch- und Wurstwarenfabrik.

Die hausgemachte deutsche Wurst hatte Erfolg: Abel wurde Multimillionär und mit rund 20 eigenen Firmen erfolgreicher Unternehmer mit immer neuen Ideen. So übernahm er 1988 das "Carrusel" und machte daraus die erste mallorquinische Hausbrauerei.

Einkaufsstraße in El Arenal. Rechts gehen Passanten, links sieht man die Schilder der Läden wie 'Kalter Sekt', 'Sangria' oder 'Souvenirs'.

Fast wie daheim – Einkaufen in El Arenal

"Malle" für alle: der "Ballermann"

Entlang der Küstenstrecke östlich von Palma befinden sich auf sechs Kilometern Strandlänge etwa 250 Hotels. Direkt in der Einflugschneise des Flughafens treffen Kegelclubs vom Rhein auf schwäbische Betriebsausflügler. Wo Betonbunker die Aussicht verschandeln, erfreuen sich deutsche Billig-Urlauber an Sonne, Partys, Sex und Alkohol.

Stolze Bierbäuche feiern im "Hofbräuhaus", "Oberbayern" oder in der "Schinkenbude", während leistungsstarke Lautsprecher Hits aus den "Mallorca Top Ten" brüllen. Sonnenhungrig und bierdurstig finden Billig-Touristen hier jede Menge Gleichgesinnte und "lassen die Sau raus". Zu jeder Schandtat bereit brutzeln sie mit gestählten und gebräunten Oberkörpern an der Playa.

Mittlerweile vom spanischen "Balneario" ins deutsche "Ballermann" umbenannt, stehen hier – jeweils 500 Meter voneinander entfernt – die von "Balneario 1" bis "Balneario 15" durchnummerierten Strandbuden.

Wichtigster Anlaufpunkt für deutsche feucht-fröhliche Feiern war jahrelang der berühmt-berüchtigte Strandabschnitt "Ballermann 6". Es liegt auf der Hand, dass am "Ballermann" auch jeder Spanier Deutsch spricht. Denn das "Feier- und Saufrevier" sichert den Einheimischen beachtliche Umsätze und jede Menge Arbeitsplätze.

Doch der jährliche Besucheranturm hat auch seine Schattenseiten: Das Trinkwasser wird knapp, die Pflanzenvielfalt leidet und das Meer ist an vielen Stellen stark verschmutzt.

Sieben Touristen trinken mit Strohhalmen aus einem gemeinsamen Topf, der auf einem runden Tisch steht. Im Hintergrund mehr Menschen und die Strandbude mit der Aufschrift 'Ballermann - 6 - Balneario'.

Ohne Sangría geht am "Ballermann 6" nichts

Insel für Naturliebhaber und Ruhesuchende

Die größte der Baleareninseln hat aber viele verschiedene Gesichter. Zu Recht wird sie auch "Insel der Stille" genannt. Alternativtouristen finden Ruhe und Abgeschiedenheit in einer atemberaubenden Naturlandschaft.

Mehr als ein Drittel der Insel ist Landschaftsschutzgebiet. Im Tal um das Städtchen Sóller an der Westküste beeindrucken ausgedehnte Orangenplantagen, das komplett unter Naturschutz stehende Tramuntana-Gebirge bietet Wanderern beeindruckende Naturspektakel.

Mallorca ist vielseitig, die Insel verfügt über wunderschöne Landschaften, farbenfrohe Berghänge und traumhafte Strände. Zudem kommen bei Bedarf auch die spanische Lebensart und Kultur nicht zu kurz. An vielen Orten, nicht zuletzt in der Universitäts- und Kulturstadt Palma, faszinieren Museen, Sehenswürdigkeiten und spanisches Leben fern des Pauschaltourismus.

Kathedrale von Palma

Palma de Mallorca – Anziehungspunkt für kulturell Interessierte

Bei den Reichen und Schönen

Auf Mallorca existieren Parallelwelten. Eine dieser Welten beherbergt eine Menge Promis. Sie alle haben hier zumindest ihren Zweitwohnsitz. Auch Politiker, Könige und deutsche Wirtschaftsgrößen ziehen sich zum Abschalten und Entspannen gern nach Mallorca zurück.

Für Letztere sind Natur und Umgebung eher zweitrangig. Laut "Manager Magazin" schätzen sie vor allem die perfekte Infrastruktur der Insel: "Wenig Kriminalität, ausgebaute Straßen, gute Flugverbindung, hervorragende Restaurants und Golfplätze, viele deutsche Ärzte, keine Sprachprobleme".

(Erstveröffentlichung 2004. Letzte Aktualisierung 28.09.2020)

Quelle: WDR

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