Unterschiedliche Phasen der Vergletscherung
Der Mensch geht mit diesen Zeugen der Eiszeit nicht besonders pfleglich um. Die zunehmende Erwärmung des Erdklimas sorgt dafür, dass viele Gletscher schmelzen oder sogar ganz verschwinden.
Immer wieder gab es Phasen der Erdgeschichte, in denen das Weltklima für eine Weile verhältnismäßig kalt oder warm war. Die sogenannten Eiszeiten, in denen die Vergletscherung ein wesentlich größeres Ausmaß einnahm als heute, sind im Vergleich zu den Warmzeiten kurz. Wissenschaftler gehen von mindestens drei Eiszeiten aus, die das Bild der Erde geprägt haben.
Eine sehr starke Vergletscherung der Erde entstand vor etwa 250 Millionen Jahren gegen Ende des Paläozoikums, das auch Erdaltertum genannt wird. Eine weitere, noch viel weiter in der Vergangenheit liegende Eiszeit beherrschte die Erde vor rund 2,3 Milliarden Jahren, im Proterozoikum.
Gletscher in Frankreich
Die letzte Eiszeit, das Pleistozän, liegt dagegen in der verhältnismäßig jungen Vergangenheit der Erde. Denn das Pleistozän begann vor rund 1,7 Millionen Jahren und endete erst vor 10.000 bis 15.000 Jahren.
Charakteristisch für diese jüngste Eiszeit ist, dass sie insgesamt gesehen als Kaltzeit bezeichnet wird, aber dennoch klimatischen Schwankungen unterworfen war. Es gab sowohl kalte Perioden, die sogenannten Glazialen, als auch relativ warme Zeiten, die Interglazialen.
Die heftigen Niederschläge während der Glazialen waren eine Ursache dafür, dass sich zu dieser Zeit riesige Gletscher bildeten. Über die genaue Ursache von Eiszeiten wird noch immer spekuliert. Sicher erscheint jedoch, dass dabei die Position und Entfernung der Erde auf ihrer Umlaufbahn um die Sonne eine große Rolle spielen.
Eisige Landschaftsgestalter
Gletscher entstehen dann, wenn in einer bestimmten Region mehr Schnee fällt als wieder verdunsten oder abtauen kann. Fallen auf den bereits vorhandenen Schnee weitere Niederschläge, werden die unteren Kristalle immer weiter zusammengedrückt.
Es entsteht das sogenannte Firneis. Dieses wird durch weitere Schneeschichten noch mehr verdichtet und wird schließlich zu Gletschereis. Ab einer bestimmten Dicke beginnt der Gletscher durch die Schwerkraft ins Tal zu wandern.
Ohne die Gletscher sähe Mitteleuropa anders aus. Denn in der Eiszeit bis vor gut 15.000 Jahren war die Landschaft mit mächtigen Eismassen überzogen. Viele Hügel und Talsenken, Seen und Bachläufe sowie Unmengen an Aufschüttungen von Geröll gäbe es ohne die Gletscher von damals nicht.
Aus zwei Richtungen suchten sich die Eisriesen ihren Weg: von Norden über das Gebiet der heutigen Ostsee und aus dem südlichen Alpenraum. Durch die Kraft, mit der sich die kilometerdicken Gletscher nach vorne schoben, wurden Berge und Täler aufgeschüttet.
Schneekristalle werden zu Eis
Im Bereich voreiszeitlicher Vertiefungen entstanden durch die schürfende Wirkung des Eises riesige Tröge oder Trichter, die Kare. Vielfach sind diese heute von sogenannten Karseen gefüllt. Typische Karseen sind die "Augenseen" des Schwarzwaldes, die wegen ihrer oft kreisrunden Form innerhalb eines tiefen und heute dicht bewaldeten Trogtales attraktive Touristenziele darstellen.
Als die Gletscher der Eiszeit abschmolzen, hinterließen sie den mitgeführten Schutt in Form von Stirn-, Seiten- und Grundmoränen. Wer aus nördlicher Richtung in die Alpen reist, wird unweigerlich die Hügelformen des Alpenvorlandes passieren, die einst von Gletschern aufgeschüttet wurden.
Die Landschaft Norddeutschlands, in der Gletscher aus Skandinavien wirkten, wird in Jung- und Altmoränenlandschaft unterteilt. Das Jungmoränenland ist jenes Gebiet, das durch das Inlandeis der jüngsten, also der Würm- oder Weichsel-Kaltzeit geformt wurde. Typisch für das Jungmoränenland sind der Seenreichtum sowie ein unübersichtliches Gewässernetz.
Indizien einer kalten Tat: Findlinge
Weitere Beweise dafür, dass Deutschland einmal von Gletschern bedeckt war, sind vereinzelt noch heute auf den Äckern der Voralpenlandschaft und in Norddeutschland zu finden: die großen runden Steine, die Findlinge genannt werden. Sie zeugen von der Macht eines Gletschers, der die Steine mit sich führte und dort zurückließ, als das Klima wärmer wurde und das Eis schmolz.
Vor allem in den Alpen finden sich weitere deutliche Spuren der eiszeitlichen Gletscher, die Schrammen. Das sind parallel in Felsen verlaufende Rillen, die die ehemalige Fließrichtung des Gletschers anzeigen. Vom Eis mitgeführte Steine kratzten diese Gletscherschrammen ein.
Gletscher können gewaltige Felsbrocken mit sich schleppen
Anders die Gletschertöpfe: Sie entstanden am Grund des Gletschers durch die Wucht des abfließenden Wassers. Wie heute noch auf den Alpengletschern floss das Schmelzwasser zuerst auf der Eisoberfläche und drang durch Spalten ins Innere des Gletschers.
Am Grund des Gletschers stand das Wasser unter hohem Druck, und das Schmelzwasser war stark durchsetzt von Sand und Kies, die innerhalb weniger Jahre die Gletschertöpfe aushöhlten. Heute erkennt man Gletschertöpfe an ihrer annähernd schraubenförmigen Lochform, die sich wie eine steilwandige senkrechte Höhle in das Gestein windet.
(Erstveröffentlichung 2004, letzte Aktualisierung 18.06.2020)
Quelle: SWR