Auf dem Arktischen Ozean am Nordpol schwimmen mehrere Eisplatten

Atlantik

Atlantik und Klimawandel

Maßgebend für das europäische Klima ist der Nordatlantikstrom, eine nördliche Verlängerung des Golfstroms. Käme diese warme Meeresströmung zum Stillstand, hätte das entscheidende klimatische Veränderungen für Europa zur Folge.

Von Lothar Nickels

Globaler Kreislauf

Das Wasser der Weltmeere ist in ständiger Bewegung. Verursacht wird sie durch eine enge Wechselwirkung verschiedener Strömungen an der Oberfläche und in der Tiefe. Die Oberflächenströmungen werden von Winden angetrieben, hauptsächlich von Passat- und Westwinden. Die Tiefenströmungen haben ihre Ursache in der unterschiedlichen Wasserdichte, die wiederum abhängig ist von Temperatur und Salzgehalt des Wassers.

Das Zusammenspiel dieser Strömungen umfasst sowohl den Pazifischen, den Indischen als auch den Atlantischen Ozean, die zusammen etwa 71 Prozent der Erdoberfläche ausmachen. Dieses sogenannte "globale Förderband" hält das Wasser im wahrsten Sinne des Wortes ständig im Fluss.

Der Golfstrom mit seinem Ausläufer, der Nordatlantischen Drift – dem Nordatlantikstrom – ist Teil dieses weltweiten Systems der Meeresströmungen. Er bestimmt das Klima in Europa.

Obstbäume in Norwegen

Der Golfstrom macht's möglich: Obstbäume in Norwegen

Der Golfstrom – eine gigantische Wärmepumpe

Im Golf von Mexiko und in der Karibik erwärmt sich der Nordatlantikstrom an der Oberfläche und bringt warmes, salzreiches Wasser über den Atlantik bis vor die Nordwestküste Europas. Hier wird die Wärme schließlich in die Erdatmosphäre abgegeben, wodurch der Salzgehalt des Wassers steigt. Westwinde tragen die warme Luft ins Landesinnere, die dort für ein besonders mildes Klima sorgt.

Im Gebiet zwischen Grönland, Island und Norwegen wird der Nordatlantikstrom dann von Winden des Polarmeers abgekühlt. Ebenfalls bildet sich Meereis, was das Wasser des Nordatlantikstroms noch salzhaltiger und damit noch schwerer macht.

Diese hohe Dichte bewirkt nun, dass das kalte Wasser bis auf drei Kilometer absinkt. Es entsteht ein gigantischer Sog, der erneut warme und salzreiche Massen an Oberflächenwasser aus den Tropen anzieht. Gleichzeitig befördern Tiefenströme das Kaltwasser wieder zurück in Richtung Süden zum Äquator.

Wie eine gewaltige Wärmepumpe bringt dieser Kreislauf immerzu warme Meeresströmung nach Norden, die das Klima in West- und Nordeuropa um bis zu zehn Grad Celsius erwärmt. Um diese Energie zu produzieren, wären 250.000 Atomkraftwerke nötig.

Meereis treibt auf dunkler See vor Spitzbergen (Norwegen).

Hoch im Norden kühlt der Golfstrom ab und sinkt in die Tiefe

Folgen des Klimawandels

Die Zirkulation im Atlantik könnte aber durch die globale Erwärmung gestört werden. Neben der erhöhten Temperatur der Wasseroberfläche würde wärmere Luft mit mehr Wasserdampf nach Norden transportiert werden. In den nördlichen Breitengraden käme es vermehrt zu Niederschlägen, wodurch der Süßwasseranteil im Nordatlantik steigen würde.

Auch die Gletscherschmelze würde diesen Prozess beschleunigen. Dieses Wasser würde wegen seiner geringeren Dichte langsamer sinken. Die Sogwirkung von warmem Wasser aus dem Süden in den Norden wäre nicht mehr so groß und auch die Tiefenströme des Kaltwassers wären schwächer. Das komplette System könnte zum Stillstand kommen.

Für Nordwesteuropa würde das einen dramatischen Klimawechsel bedeuten. Obwohl die Erderwärmung ansteigen würde, würden die Temperaturen auf dem europäischen Kontinent dann sinken. Manche Experten sprechen davon, dass bereits eine Verlangsamung des Golfstroms eingetreten sei. Sogar von Eiszeit-Szenarien ist die Rede.

Andere Wissenschaftler sind da etwas vorsichtiger. Sie sagen, die Abkühlung sei in diesem Fall lediglich in Nordwesteuropa spürbar und dort auch nur um etwa fünf Grad Celsius. Weiterhin würde auch die Erderwärmung die gesunkenen Temperaturen abfangen. Dennoch halten sie einen Stillstand des Nordatlantikstroms für denkbar. Konkrete Aussagen darüber könnten aber derzeit nicht getroffen werden.

Gletscher bei Spitzbergen.

Schmelzende Gletscher erhöhen den Süßwasseranteil im Nordatlantik

Quelle: SWR | Stand: 24.03.2020, 09:35 Uhr

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