Die Deutschen können ihren Bedarf an Schweinefleisch nicht selbst decken, sondern müssen zusätzlich Fleisch importieren. Weltweit hat sich der Schweinebestand seit 1950 mehr als verdreifacht. Um diese enormen, ständig zunehmenden Fleischmengen überhaupt erzeugen zu können, steigern sich auch die Vorgaben innerhalb der Tierzucht.
Gezüchtet wurde, was gefiel
Vor etwa 12.000 Jahren begannen die Menschen, sesshaft zu werden. Mit der Sesshaftwerdung begann auch die landwirtschaftliche Produktion. Äcker wurden angelegt und Ställe für das Vieh gebaut.
Zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit wurden Tiere nicht mehr nur gejagt, sondern als Haustiere gehalten und gezüchtet.
Zunächst hielten die ersten Bauern nur Schafe, Ziegen und Rinder. Schweine, Esel und Pferde kamen später hinzu. Gezüchtet wurde, was gefiel, eine systematische Auslese gab es noch nicht. So waren vor allem Tierrassen mit auffallendem Äußeren wie Schafe mit gedrehten Hörnern bei unseren Vorfahren sehr beliebt.
Die gezielte Auswahl von Tieren begann im späten Mittelalter. Württembergische Bauern kreuzten ihren Schafbestand mit spanischen Merino-Schafen, um die Wollqualität zu verbessern.
Auch stellten sie bereits Überlegungen an, wie schädlich Inzucht sei. Denn die gekreuzten Schafe waren klein, lieferten feine Wolle, waren auf der anderen Seite aber nicht sehr robust.
Merinoschafe liefern eine feine Wolle
Regionale Rassen
Die systematische Tierzucht begann Ende des 19. Jahrhunderts. Die genetischen Regeln, die Gregor Johann Mendel nach Kreuzungsversuchen mit Erbsen kurz zuvor entdeckt hatte, übertrug man nun auf die Tierzucht.
Das Klima und die geografischen Gegebenheiten spielten zu Beginn der systematischen Tierzucht eine große Rolle. Die Tiere wurden so ausgewählt, dass sie den jeweiligen Lebensräumen optimal angepasst waren. In bergigen Regionen bevorzugten die Bauern Rinder mit kürzeren Beinen, die besonders geländegängig waren.
In der Regel wurden auch kleinere Tierrassen gehalten, da sie weniger Futter brauchten. Eine Eigenschaft, die gerade im Winter wichtig war, wenn es schwierig wurde, die Tiere mit ausreichend Heu zu versorgen.
Im 19. Jahrhundert wurden Rinder in erster Linie als Arbeitstiere eingesetzt. Die Zugleistung eines Tieres war enorm wichtig.
Erst an zweiter Stelle waren Rinder als Milch- und Fleischlieferanten von Bedeutung. Bei der Schweinezucht wurden vor allem Tiere mit einem hohen Fettgehalt ausgewählt.
Die Menschen mussten im Zeitalter der Industrialisierung körperlich sehr viel härter arbeiten und brauchten deshalb mehr Kalorien, die sie über fettes Schweinefleisch aufnahmen.
Die Tierzucht beschränkte sich meist auf die Region, in der die Landwirte lebten. So entstanden viele regionale, heute häufig vom Aussterben bedrohte Rassen.
Vom Aussterben bedroht: das Bentheimer Schwein
Moderne Tierzucht
Bis in die 1950er-Jahre hinein änderte sich wenig an den Bedürfnissen der Verbraucher. Kalorienhaltiges und nahrhaftes Fleisch war gefragt.
Die moderne Tierproduktion begann erst in den 1970er- und 1980er-Jahren, als eine gesündere Lebensweise mit weniger fettigem Essen in Mode kam.
Mit den neuen Essgewohnheiten veränderten sich auch die Zuchtziele. Züchter setzten nun auf extreme Fleischfülle. Das bedeutete, dass nun andere Tiere für die Zucht herangezogen wurden.
Stark im Kommen war das Piétrain-Schwein, das ursprünglich aus Belgien stammte und dort lange Zeit nur auf kleinen Bauernhöfen gehalten wurde. Da es einen kompakten und muskulösen Körper hat, der für viel und mageres Fleisch steht, wurde das Piétrain-Schwein gerade auf der männlichen Seite häufig eingekreuzt.
Die Fleischmenge erhöhte sich, doch die Stressempfindlichkeit der Tiere nahm zu und die Fleischqualität verschlechterte sich. Berühmt-berüchtigt ist etwa das Schnitzel, welches beim Braten in der Pfanne Wasser lässt und um die Hälfte schrumpft.
Hohe Fleischmenge, hohe Stressempfindlichkeit
Der Verbraucher hat das Sagen
Heute bestimmen die Wünsche der Verbraucher, was und wie gezüchtet wird. Und das sind in erster Linie Fleisch und Milch zu günstigen Preisen.
Vor allem die Nachfrage nach billigem und magerem Schweinefleisch ist ungebremst. Dunkleres Schweinefleisch mit Fettrand wird links liegen gelassen, obwohl fettigeres Schweinefleisch mehr Geschmack hat und von besserer Qualität ist.
Ab den 1990er-Jahren gelang es, stressresistentere Schweine zu züchten. Heute sind die Tierbestände wesentlich robuster als noch vor 25 Jahren, was sich wiederum auf die Qualität des Fleisches auswirken sollte.
Neben der Fleischmenge ist die Qualität in der Tierzucht von enormer Wichtigkeit. Auch die Gesundheit der Klauen oder Charaktereigenschaften und Verhaltensmuster wie Nervosität werden bei der Zucht berücksichtigt.
Bei Milchkühen sind vor allem die Milchmenge, die Eutergesundheit sowie der Eiweiß- und Fettgehalt der Milch die markanten Zuchtkriterien.
Insgesamt gibt es über 100 verschiedene Merkmale, die für die Zucht entscheidend sind. Die einzelnen Verbände formulieren ihre Kriterien auf einer Zuchtliste, dem sogenannten Selektionsindex.
Trotz der optimierten Zuchtkriterien ist nicht gewährleistet, dass die Tiere nur die gewünschten Eigenschaften weitervererben.
Merkmale von erwünschten Genen können durchaus mit Genen einhergehen, die negative Merkmale erzeugen. So erhöht sich bei einer Rasse zwar die Menge des Muskelfleisches, gleichzeitig werden jedoch die Geburten der Tiere erschwert.
Quelle: SWR | Stand: 06.07.2020, 08:58 Uhr