Wie Erinnerung funktioniert

Planet Wissen 05.02.2024 03:00 Min. UT Verfügbar bis 02.11.2027 SWR

Nerven

Die Nervenzellen

Unser Körper besitzt Hunderte Milliarden Nervenzellen. Das sind sind hoch spezialisierte, sehr sensible Zellen, die Signale zwischen Sinnesorganen und Gehirn übertragen.

Von Amanda Mock

Aufbau einer Nervenzelle

Hunderte Milliarden von Nervenzellen ermöglichen im menschlichen Körper die Signalübertragung von den Sinnesorganen zum Gehirn und vom Gehirn zu Organen und Körperperipherie. Aufbau und Funktion einer Nervenzelle sind so komplex wie faszinierend.

Es gibt viele unterschiedliche Arten von Nervenzellen (Neuronen), die Spezialisierungen in Form und Funktion entwickelt haben. Gewisse Gemeinsamkeiten teilen sie jedoch alle.

Jedes Neuron hat einen relativ großen Zellkörper (Soma). Der deutlichste Unterschied zu anderen Zellen sind aber die langen Fortsätze, die dem Zellkörper entspringen: die Dendriten und Axone.

Die Dendriten empfangen Signale von anderen Zellen und leiten sie zum Zellkörper weiter. Die Axone leiten die Impulse vom Soma zu ihren Endigungen, wo sich die sogenannten Endknöpfchen befinden.

Grafik: Aktive Nervenzellen mit Axon, Myelin, Dendriten und Synapsen

Grafik: Aktive Nervenzellen mit Axon, Myelin, Dendriten und Synapsen

Signalweiterleitung innerhalb der Zelle

Das Signal, das von den Dendriten über den Zellkörper und das Axon zu den Endknöpfchen einer Nervenzelle gelangt, wird in Form eines elektrischen Impulses weitergeleitet.

Wie bei jeder lebenden Zelle ist auch bei einer Nervenzelle der Innenraum der Zelle negativer geladen als ihre Umgebung. Das liegt am Konzentrationsunterschied von geladenen Teilchen (Salzionen) zwischen innen und außen.

Das Besondere an Nervenzellen ist jedoch, dass sie diesen Konzentrationsunterschied (ein elektrisches Potenzial) nutzen können, um einen elektrischen Impuls weiterzuleiten.

Eine besondere Beschaffenheit der Nervenzellmembran (das Vorhandensein spezieller Ionenkanäle und -pumpen) ermöglicht, dass elektrische Ströme durch die Membran fließen und sich so Signale entlang der Zelle fortbewegen können.

Elektronenmikroskopaufnahme des Hypothalamus mit Parenchymen und Neuronen

Nervenzellen sind das Kommunikationssystem des Körpers

Die Vorgänge an der Synapse

Für die Medizin ist eine bestimmte Station in der Signalweiterleitung von besonderem Interesse: der Informationsaustausch von Nervenzelle zu Nervenzelle an der sogenannten Synapse. Bei vielen Krankheiten wie beispielsweise Parkinson oder Depression sind diese Schaltstellen aus dem Gleichgewicht geraten.

Nervenzellen sind (in der Regel) nicht elektrisch leitend miteinander verbunden. Das heißt: Um eine Information von einer Zelle zur nächsten übertragen zu können, muss eine Lücke überwunden werden. Diese Lücke nennt sich synaptischer Spalt. Eine Synapse besteht aus dem Axon-Endknöpfchen der Senderzelle, dem Dendriten der Empfängerzelle und dem synaptischen Spalt dazwischen.

Im Axon-Endknöpfchen befinden sich kleine Bläschen (Vesikel), die chemische Botenstoffe (Neurotransmitter) enthalten. Wenn ein elektrischer Impuls im Endknöpfchen ankommt, verschmelzen die Vesikel mit der Zellmembran und die Botenstoffe werden in den synaptischen Spalt ausgeschüttet. Aus dem elektrischen Signal wird also ein chemisches.

An der Zellmembran der Empfängerzelle sitzen spezielle Andockstellen (Rezeptormoleküle) für die Botenstoffe. Wenn ein Transmitter an ein Rezeptormolekül bindet, wird in der Empfängerzelle wieder ein elektrisches Signal ausgelöst, das sich entlang der Zelle fortpflanzen kann. So werden Nervenimpulse von Zelle zu Zelle weitergegeben. Wie Dominosteine löst ein Signal das nächste aus.

Wie wirken Drogen im Gehirn?

Ein System, das so komplex ist wie die Vorgänge an der Synapse, ist natürlich empfindlich gegenüber Einflüssen von außen. Psychoaktive Substanzen können an unterschiedlichen Stellen des Ablaufs eingreifen.

Dazu gehören diverse Rauschmittel (Kokain, Ecstasy) und Medikamente (Antidepressiva, Beruhigungsmittel), aber auch Kaffee und Zigaretten. Je nach Substanz kann das unterschiedliche Auswirkungen haben.

Manche Stoffe bewirken beispielsweise, dass die Neurotransmitter länger im synaptischen Spalt bleiben (indem ihr Abbau oder die Wiederaufnahme in die Senderzelle gehemmt werden). Das ist bei manchen Krankheiten, wie zum Beispiel bei Depressionen, erwünscht, da dort die Konzentration bestimmter Neurotransmitter zu niedrig ist.

Der Missbrauch von Rauschmitteln hingegen kann zu einer Überreizung und damit zu Psychosen und natürlich Sucht führen.

Ein Mann raucht besonders lässig eine Zigarette.

Nikotin beeinflusst die Arbeit der Nervenzellen

Lernen und Gedächtnis

Eine der vielleicht wichtigsten Funktionen der Nervenzellen für unser Selbstverständnis ist die Fähigkeit zu lernen. Auch dabei spielen die Synapsen eine entscheidende Rolle.

Unser Gedächtnis wird einem bestimmten Hirnareal, dem Hippocampus, zugeschrieben. Bei Lernvorgängen kommt es hier zu funktionellen Veränderungen an bestimmten Synapsen, die dazu führen, dass die elektrischen Antworten in den Empfängerzellen stärker werden. Durch häufiges Wiederholen, das heißt: Benutzen der Synapse, wird die Verbindung zwischen den beiden Zellen gestärkt (auch indem neue Verbindungen entstehen).

Man kann sich das wie einen Trampelpfad durch den Wald vorstellen: Je häufiger er benutzt wird, desto leichter zugänglich wird er – man kann ihn leichter wiederfinden und sich immer besser auf ihm fortbewegen. Genauso kann er aber wieder zuwuchern, wenn er nicht gebraucht wird.

Das passiert auch im Gehirn – Neues lernen lässt neue Verbindungen entstehen, werden sie nicht gebraucht, werden sie auch wieder abgebaut. Also: Nur wer seine Nervenzellen in Schwung hält, bleibt auch geistig beweglich!

(Erstveröffentlichung 2009. Letzte Aktualisierung 14.11.2019)

Quelle: WDR

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