Die Weltkarte von Mercator

Planet Wissen 02:00 Min. Verfügbar bis 21.05.2029 WDR Von ZDF/Terra X/SPIEGEL TV/Christopher Gerisch/Tilman Remme/Reiner Bauer, Oliver Gurr/Oliver Roetz/Hauke Ketelsen/Richard Sako, https://terraxplaincommons.zdf.de

Ordnungssysteme

Kartografie

Atlas, Wanderkarte und Navigationssystem gehören für uns zum Alltag. Dabei ist die Geschichte der Kartografie zugleich eine Geschichte der zivilisierten Menschheit: Sie spiegelt die Eroberung der Erde durch den Menschen wider.

Von Beatrix von Kalben und Tobias Aufmkolk

"Karte" und "Kartografie"

"Chártes" war bei den alten Griechen das aus dem Blatt der Papyrusstaude hergestellte Papier. Die Ursprünge des Wortes liegen vermutlich im Altägyptischen. Die Römer übernahmen das griechische Wort und machten das lateinische "charta" daraus. Dieses Wort fand in der Folge in alle romanischen Sprachen Eingang.

Das deutsche Wort "Karte" taucht im 15. Jahrhundert auf und ist dem französischen "carte" direkt entlehnt. Zunächst war mit Karte nur ein steifes Blatt Papier gemeint. Ab dem 17. Jahrhundert setzte sich in der deutschen Sprache die Bezeichnung "Landkarte" durch.

Die Kartografie ist laut Definition "die Lehre von der redaktionellen, gestalterischen und technischen Erstellung von Landkarten, die auf Vermessungsdaten, Luft- oder Satellitenbildern bzw. Computertechniken basiert".

Im Laufe der Zeit haben sich die Methoden und die Zielsetzungen der Kartografie verändert, Karten sind kleinräumiger, spezialisierter und viel genauer geworden. Dennoch brachten schon die Pioniere dieser Wissenschaft erstaunliche Ergebnisse zutage.

Weltkarte aus dem 17. Jahrhundert: zwei nebeneinander liegende Kreise, darum herum reich verzierte Bemalungen

Früher waren Karten reich verziert

Urahnen der Karte

Schon die Menschen der jüngeren Altsteinzeit (um 40.000 bis 10.000 vor Christus) versuchten, markante geografische Gegebenheiten aufzuzeichnen. Mit Zeichen, die sie in Stein, Knochen oder Horn ritzten, erleichterten sie sich die geografische Ortsbestimmung.

Die älteste detailgenaue Darstellung einer Landschaft stammt aus dem anatolischen Çatal Hüyük und wird auf 6200 vor Christus datiert. Eine Wandmalerei zeigt die Häuser der Stadt und die beiden Gipfel eines nahe liegenden Vulkans.

Die frühesten systematisch erstellten kartografischen Dokumente sind Tontafeln, die um 3800 vor Christus in Mesopotamien entstanden. Um 2000 vor Christus wurde in China und in Ägypten dann die Erstellung von Karten verbessert. Gelände wurden systematisch vermessen, zunächst jedoch nur zur Herstellung von kleinräumigen und regionalen Karten.

Aus dem 6. Jahrhundert vor Christus stammt die älteste erhaltene Weltkarte. Sie ist eine, in eine Tontafel eingeritzte, schematische Darstellung des babylonischen Weltbildes als Kreis.

In eine Tontafel eingeritzte, schematische Karte

Die älteste Weltkarte ist heute im British Museum ausgestellt

Das Weltbild der Antike

In der griechischen Antike wird die Geografie, und mit ihr auch die Kartografie, zu einer wissenschaftlichen Disziplin. Führende griechische Gelehrte machen sich Gedanken über die Gestalt, den Umfang und das Volumen der Erde. Der Philosoph, Astronom und Astrophysiker Anaximander von Milet (um 611 bis 546 vor Christus) entwirft als erster eine Erdkarte mit der damals bekannten Verteilung von Land und Meer.

Der Mathematiker und Philosoph Pythagoras, der im 6. Jahrhundert vor Christus lebt, erkennt angeblich sogar als erster Mensch der Antike, dass die Erde eine Kugel ist. Die Mathematiker und Philosophen aus der Schule des Pythagoras schließen auf die Erdkrümmung aufgrund von Beobachtungen und Messungen.

Weltkarte des griechischen Geografen Herodot

"Weltkarte" des griechischen Geografen Herodot aus dem 5. Jahrhundert vor Christus

Ein paar hundert Jahre später berechnet der Universalgelehrte Eratosthenes von Kyrene den Erdumfang so genau, dass sein Ergebnis von dem heute bekannten nur gering abweicht. Zudem entwirft er eine Gradnetzkarte der antiken Welt mit Breiten- und Längengraden.

Als einer der klügsten Köpfe der Antike gilt Claudius Ptolemäus. Berühmt wird er durch sein geozentrisches Weltbild, auch ptolemäisches Weltbild genannt, das die Erde in den Mittelpunkt des Sonnensystems rückt. Dieses Weltbild ist maßgebend für das gesamte europäische Mittelalter und wird erst in der Neuzeit durch Nikolaus Kopernikus, Johannes Kepler und Galileo Galilei widerlegt.

Doch auch sein großes geografisches Werk bringt ihm den Ruhm der Nachwelt ein. Er verfasst eine geografische Anleitung, in der er die bekannte Welt und deren Bewohner beschreibt und zeichnet zahlreiche Welt-, Erdteil- und Länderkarten. Zudem berechnet auch er den Erdumfang, ist dabei aber deutlich ungenauer als Eratosthenes über 300 Jahre zuvor.

Mittelalterlicher Kupferstich des griechischen Mathematikers und Philosophen Ptolemäus

Claudius Ptolemäus – Genie der Antike

In wissenschaftlicher Hinsicht bringt die Kartografie unter den Römern keine weiteren Fortschritte. Obwohl auf der griechischen Kartografie basierend, ist den Römern die praktische Verwendung von Karten wichtiger als deren wissenschaftliche Genauigkeit. So stellen sie auf ihren Karten die Erde nicht mehr als Kugel, sondern als Scheibe dar. Zur Beschreibung von Wege- und Straßennetzen sowie Grundstücksmarkierungen reicht dies auch vollkommen aus.

Im Mittelalter wird jedoch diese Darstellung von der Kirche als unumstößliches Weltbild übernommen. Die Peutingersche Tafel ist die mittelalterliche Abschrift einer solchen römischen Straßenkarte, die durch eine starke Dehnung in Ost-West-Richtung und eine Verkürzung in Nord-Süd-Richtung vollkommen unmaßstäblich ist, aber zur Darstellung der Macht und Ausdehnung des Spätrömischen Reiches genügt.

Das Mittelalter – zwischen Stagnation und Aufbruch

Im Mittelalter widmen sich besonders die Araber der Kartografie. Erst sie können im 9. Jahrhundert nach Christus den Erdumfang noch genauer berechnen als Eratosthenes. Durch den Handel und die Expansion ihres Reiches benötigen sie gute Karten, die sie in großem Umfang herstellen. Auch die europäischen Entdeckungen der Neuzeit sind Folge von den Kenntnissen der arabischen Kartografie.

Die meist in Klöstern betriebene Kartografie des Abendlandes bringt dagegen keinen Fortschritt. Das christliche Abendland wendet sich anderen Idealen zu. Der mittelalterliche Mensch hat streng nach Glaubenssätzen zu leben. Alle Wissenschaft hat sich dem Glauben anzupassen. Die Anfertigung von Karten ist hauptsächlich Mönchen vorbehalten. Sie steht ganz im Sinne der Untermauerung eines christlichen Weltbildes mit der heiligen Stadt Jerusalem im Mittelpunkt.

Beispiele hierfür sind die so genannten T-O-Karten. Auf diesen Karten bilden das Mittelmeer sowie die Flüsse Don und Nil ein "T", das die bekannte Welt in drei Kontinente aufteilt. Asien liegt als größter Kontinent oberhalb des T-Schaftes, Europa und Afrika befinden sich links und rechts des "T".

Das "O" steht für den Kartenrand der runden Karte und symbolisiert sowohl den Ozean als auch die Grenze des irdischen Raums. Bemerkenswert ist, dass diese Karten nicht genordet sind, sondern nach Osten ausgerichtet, mit Jerusalem als Zentrum des christlichen Lebens.

Eine mittelalterliche Weltkarte aus dem Jahr 1285

Eine mittelalterliche "Weltkarte" aus dem Jahr 1285

Rasanter Fortschritt in der Neuzeit

Der kartografische Fortschritt in Europa setzt erst mit der zunehmenden Seefahrt im 15. Jahrhundert ein. Das christliche Weltbild gerät durch wissenschaftliche Forschungen zunehmend unter Druck und die Entdeckungsfahrten und Eroberungen der Portugiesen, Spanier, Niederländer und Engländer verlangen nach guten, objektiven Karten und genauen Wegbeschreibungen. Zudem fördert der Einsatz der Drucktechnik die massenhafte Verbreitung von Karten.

Vom 17. bis zum 19. Jahrhundert werden vor allem in Frankreich neue Methoden zur Vermessung von Landflächen entwickelt. Großen Anteil daran hat die Familie Cassini, die über drei Generationen den Direktor der Pariser Sternwarte stellt und in dieser Zeit Frankreich vollständig vermisst.

1793 wird die erste exakte Gesamtkarte Frankreichs vorgestellt, die "Carte de Cassini". Sie gilt als Urtyp der topografischen Karte, auf der jedes Detail des Landes eingezeichnet ist – wie zum Beispiel Straßen, Flüsse, Kanäle, Dörfer, Abteien, Schlösser, Weinberge, Seen und Windmühlen.

Heute gehören Flugzeuge, Kameras, Computer und Satelliten zu den wesentlichen Hilfsmitteln der Kartografen. Die Luftbildvermessung ermöglicht es, Gebiete jeden Umfangs aus der Luft mit einer Präzision zu vermessen, die kaum noch zu übertreffen ist.

Griffel und Tuschefeder als Werkzeug der Kartografen haben ausgedient, die heutigen Geoinformationssystemen (GIS) werden über Computer bedient. Die moderne Satellitenkartografie setzt die aus dem Weltraum aufgenommenen Daten und Bilder der Erde per Computer in auf den Meter genaue dreidimensionale Karten um, so dass auch die letzten weißen Flecken auf der Erde eine Gestalt bekommen.

Galileo-Navigationssatelliten in der Erdumlaufbahn

Ohne Satelliten im All gäbe es keine Navigationsgeräte am Boden

(Erstveröffentlichung 2003. Letzte Aktualisierung 02.12.2019)

Quelle: WDR

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