Ein albanisches Fahrzeug Marke Eigenbau.

Albanien

Albanische Auswanderer

Auf der Suche nach Arbeit oder auf der Flucht vor politischer Unterdrückung: Millionen kehrten seit der Wende dem kleinen Balkanstaat Albanien den Rücken – besonders die junge Generation. Hauptziele sind die Nachbarländer Kosovo und Mazedonien.

Von Katharina Bueß

Abwanderung der Massen

Auswandern war in Albanien jahrzehntelang unter dem kommunistischen Regime streng verboten und stand unter Strafe. Nach der Wende kam es in den 1990er-Jahren zu einer regelrechten Massenabwanderung.

Bis zum Jahr 2010 war laut Angaben der Bundeszentrale für politische Bildung fast die Hälfte der Bevölkerung ausgewandert. Vier Millionen Albaner leben dauerhaft im Ausland – was eine bemerkenswert hohe Zahl ist, da in Albanien selbst heute nur etwa 2,8 Millionen Menschen leben.

Die Zahlen der Abwanderer sind nach wie vor hoch. Berechnungen der Weltbank platzieren Albanien auf Rang neun der zehn Länder mit der höchsten Auswanderungsrate in Relation zur Bevölkerungszahl im Herkunftsland.

Flüchtende Albaner, Männer, Frauen und Kinder mit Gepäck

Albanische Auswanderer

Arbeitsmigration und Flucht in die Nachbarstaaten

Große Gruppen albanischer Auswanderer leben in Griechenland, Italien, den USA sowie in Großbritannien. Die Zahl der in Deutschland lebenden Albaner liegt bei rund 320.000.

Neben Arbeitsmigranten gibt es auch eine hohe Zahl albanischer Flüchtlinge. Das UN-Flüchtlingshilfswerk schätzt, dass zwischen 1990 und 2010 rund 180.000 Albanern der Flüchtlingsstatus zugesprochen wurde. Sie flohen unter anderem vor politischer Unterdrückung oder ethnisch motivierter Verfolgung, wie zum Beispiel der Roma-Minderheit.

Italien bemüht sich, Fluchtversuche aus dem Land zu verhindern, der Nachbarstaat Griechenland hat in der Vergangenheit zehntausende albanische Flüchtlinge abgeschoben.

Nicht wenige albanische Staatsbürger suchen auch Asyl in Deutschland. Seit 2015 stuft die Bundesregierung Albanien als sicheren Herkunftsstaat ein. Beim Schutz der Menschenrechte seien seit 2015 weitere Fortschritte zu verzeichnen, systematische Menschenrechtsverletzungen seien nicht zu erkennen.

Die Zahlen der in Deutschland gestellten Asylanträge sind rückläufig. Von den rund 2.000 Asylanträgen, die in Deutschland derzeit pro Jahr gestellt werden, werden nur rund 0,3 bis um die zwei Prozent anerkannt.

Jedoch merkt die Bundesregierung an, dass der Zugang der Roma zu Bildung, Gesundheitsversorgung und Arbeitsmarkt – trotz einer positiven Entwicklung – weiterhin eingeschränkt bleibt und dass Albanien nach wie vor zu den ärmsten Ländern Europas gehört.

Mehrere Wägelchen mit Gruppen von Albanern, die das Land verlassen.

Viele Albaner verlassen ihr Land

Lange Geschichte der Abwanderung

Die Geschichte der Massenmigration aus Albanien reicht weit zurück – bis ins 15. Jahrhundert. Unter osmanischer Herrschaft flohen Bewohner vor Verfolgung oder Armut. Im 20. Jahrhundert gaben die Balkankriege und die beiden Weltkriege Anlass zur Flucht.

Besonders aus dem Süden des Landes wanderten mehrheitlich Männer nach Nordamerika aus, in der Hoffnung auf ein besseres Leben. Noch heute pflegen albanische Minderheiten in Griechenland, den USA, Italien und weiteren Ländern ihre eigene Sprache und Kultur.

Mit der Machtübernahme der Kommunisten im Jahr 1944 wurden die Grenzen geschlossen. Nur wenigen gelang die Flucht. Die Zahl der Zuwanderer war während dieser Periode, die bis 1990 andauern sollte, verschwindend gering.

Albanien – "Armenhaus Europas"

Einer der wichtigsten Gründe für die bis heute hohen Abwanderungszahlen ist die Armut. Das Pro-Kopf-Bruttoinlandsprodukt liegt mit 5.261 US-Dollar ganze 40 Prozent unter dem EU-Durchschnitt.

Der monatliche Durchschnittslohn beträgt laut Berechnungen der Bundesregierung aus dem Jahr 2019 um die 400 Euro brutto. Zwei Prozent der Bevölkerung lebt mit einem Pro-Kopf-Einkommen unter 60 US-Dollar pro Monat oder weniger als 2,5 US-Dollar pro Tag in "absoluter Armut".

Die Arbeitslosigkeitsrate lag 2018 offiziell bei 13,7 Prozent, dürfte jedoch tatsächlich noch deutlich darüber liegen.

Gut Ausgebildete verließen Albanien

Nach der Befreiung des Landes 1990 herrschten Armut und Arbeitslosigkeit. Wie in anderen postkommunistischen Staaten wurden landwirtschaftliche Genossenschaften geschlossen und die Industrie lag am Boden. Massive Armut führte viele Bewohner in die Küstenstädte im Westen, mit dem Ziel, per Schiff nach Italien zu gelangen.

In den 1990er-Jahren verließ rund die Hälfte der Wissenschaftler und Akademiker das Land. Für die albanische Wirtschaft ist das Geld, das im Ausland arbeitende Albaner ihren Angehörigen überweisen, sehr bedeutend.

Im Jahr 2007 erreichten die Überweisungen einen Höchststand von 1,3 Milliarden US-Dollar, seitdem sinken die Zahlen tendenziell. Die sogenannten Rücküberweisungen machten 2018 laut Angaben der Weltbank fast zehn Prozent des Bruttoinlandprodukts aus.

Im Ausland arbeitende Familienmitglieder ermöglichen den Angehörigen ein Auskommen, Bildung und kleine Investitionen.

Albanische Studentin beim Abschluss mit Talar

Studierte Albaner zieht es ins Ausland

Landflucht entvölkert Regionen

Auch die Migration innerhalb des Landes spielt in Albanien eine große Rolle. Sie führt zu einer unausgewogenen Verteilung der Bevölkerung. So haben sich einige Regionen, wie zum Beispiel in der Gemeinde Leskovik im bergigen Südosten des Landes, regelrecht entvölkert. Hier leben durchschnittlich nur noch zwei Bewohner auf einem Quadratkilometer.

Die Städte, besonders die Hauptstadt Tirana, sind hingegen sehr dicht besiedelt. Besonders in den Dörfern gibt es außerhalb der Landwirtschaft kaum Arbeit, was die Landflucht erklärt. Dass junge Albaner in die Städte oder ins Ausland ziehen, führt zu einer regelrechten Vergreisung auf dem Land. Da mehrheitlich junge Menschen auswandern, kommen zudem immer weniger Kinder zur Welt.

Quelle: SWR | Stand: 17.07.2020, 15:00 Uhr

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