Die Ziele der RAF
Anfangs hatten die Ziele der RAF mit denen der Studentenbewegung viel gemeinsam: Die RAF protestierte gegen Kapitalismus und stellte die Existenz des bürgerlichen Staates in Frage. Aber sie tat es nicht nur mit Worten, sondern eröffnete auch den bewaffneten Kampf.
Obwohl bei diesem Kampf viele Menschen starben, übt die RAF damals wie heute auf viele eine seltsame Faszination aus. Dabei sind ihre Ziele oft nicht eindeutig und viele Aspekte ihrer Geschichte bleiben bis heute im Dunkeln.
Die Vorgeschichte
Am Anfang der Bewegung stand der Tod eines Studenten: Benno Ohnesorg wurde getötet durch einen Kopfschuss, abgefeuert von einem Polizisten während der Proteste gegen den Besuch des Schahs von Persien.
Es war ein Wendepunkt. "Der Staat hat auf uns alle geschossen", hieß es 1967 aus den Reihen der Studenten.
Militante Gruppen aus dem Umfeld der bisher friedlichen Studentenbewegung gewannen an Einfluss. Und in Berlin fanden sich zwei, die Gewalt im Kampf gegen den Staat für unverzichtbar hielten: Andreas Baader und Gudrun Ensslin.
Um gegen das "imperialistische System" zu protestieren, legten sie im April 1968 mit weiteren Verbündeten Brände in zwei Kaufhäusern in Frankfurt. Schon nach zwei Tagen wurden sie verhaftet und zu einer dreijährigen Gefängnisstrafe verurteilt.
Die Geburtsstunde der RAF
Während sich Gudrun Ensslin und die anderen dem Antritt der Haftstrafe entziehen konnten, wurde Andreas Baader gefasst. Aber er verbrachte nur einen Monat hinter Gittern.
Im Mai 1970 wurde ihm ein Besuch der Bibliothek des "Zentralinstituts für soziale Fragen" in Berlin zugestanden. Die Journalistin Ulrike Meinhof sollte dort mit ihm an einem Buch arbeiten. Doch Meinhof hatte sich mit der RAF verbündet und Baader konnte mit der Hilfe bewaffneter Gleichgesinnter befreit werden.
Es war ein medienwirksamer Coup und – so sagt man heute – die Geburtsstunde der RAF, weil sich die führenden Köpfe nun gefunden hatten: Baader, Meinhof, Ensslin und der Anwalt Horst Mahler. Tatsächlich aber war die Gruppe zu diesem Zeitpunkt noch namenlos. Die Medien nannten sie die "Baader-Meinhof-Bande".
Die Journalistin Ulrike Meinhof
Der Beginn des Terrors
Geld musste her, um Wohnungen, Autos und Waffen zu beschaffen und das Leben im Untergrund zu finanzieren. 1970 überfiel die Gruppe mehrere Banken, stahl Fahrzeuge und Dokumente.
1971 gab sich die RAF in Ulrike Meinhofs Strategiepapier "Das Konzept Stadtguerilla" ihren Namen. Hier erschien auch zum ersten Mal das Symbol der Roten Armee Fraktion: der rote Stern mit Maschinenpistole.
In ihrem Manifest propagierte Meinhof die Notwendigkeit des bewaffneten Kampfes. Und tatsächlich gab es bald das erste Todesopfer: Im Oktober 1971 wurde der Hamburger Polizist Norbert Schmid bei einer Verfolgungsaktion erschossen.
Der blutige Mai 1972
Um gegen den Vietnam-Krieg zu protestieren, verübte die RAF eine Serie von Bombenanschlägen, unter anderem auf die Hauptquartiere der US-Armee in Heidelberg und Frankfurt. Vier US-Soldaten starben.
Aber es gab auch deutsche Ziele: die Polizeidirektion in Augsburg und das Auto des Bundesrichters Wolfgang Buddenberg, der für die Ermittlungen gegen die RAF zuständig war.
Im Mai 1972 gingen im Hamburger Axel-Springer-Haus mehrere Bomben hoch. Obwohl es zuvor mehrere Warnanrufe gegeben hatte, war das Gebäude nicht geräumt worden. Mehr als 30 Menschen wurden bei dem Anschlag verletzt.
Blutiger Anschlag auf den Axel-Springer-Verlag in Hamburg
Das Hochsicherheitsgefängnis Stammheim
Auf die Bombenanschläge folgte die größte Fahndungsaktion in der Geschichte der Bundesrepublik. Im Juni 1972 wurden die Anführer der so genannten ersten RAF-Generation in schneller Folge verhaftet und in Gefängnissen in der Nähe ihrer Verhaftungsorte untergebracht. Darunter waren auch Andreas Baader und die Terroristen Jan-Carl Raspe und Holger Meins.
"Isolationshaft" nannten die RAF-Mitglieder das und forderten die Zusammenlegung in ein Gefängnis – mit medienwirksamen und folgenschweren Hungerstreiks. Im November 1974 starb Holger Meins in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Wittlich trotz Zwangsernährung.
1975 wurde die RAF-Spitze in der JVA Stuttgart-Stammheim zusammengelegt. Das Hochsicherheitsgefängnis war für diesen Zweck völlig umgerüstet worden. Aus Furcht vor Befreiungsversuchen mit Hubschraubern überspannten Stahlseile große Teile der Anlage.
Um riskante Gefangenentransporte zu vermeiden, wurde eigens ein fensterloser Gerichtssaal neben dem Hochsicherheitstrakt des Gefängnisses gebaut. Hier begann im Mai 1975 der Prozess gegen die RAF-Spitze.
Die RAF-Spitze vor Gericht: Raspe, Baader, Ensslin und Meinhof
Der schwierige Prozess
Vier Morde, 39 Mordversuche und sechs Sprengstoff-Anschläge wurden den Angeklagten zur Last gelegt. Der Prozess war schwierig. In vielen Fällen ließ sich nicht feststellen, welche der Angeklagten an welchen Taten beteiligt gewesen waren. So folgte das Urteil erst nach 192 Verhandlungstagen im April 1977: lebenslänglich für Baader und Ensslin.
Ulrike Meinhof war zu diesem Zeitpunkt bereits tot: Sie hatte sich im Mai 1976 am Fenstergitter ihrer Zelle erhängt. Oder sie war das Opfer eines staatlichen Auftragsmordes geworden – das behaupteten zumindest die anderen RAF-Mitglieder.
Die Journalistin hatte sich während der Haft von den anderen Mitgliedern der RAF-Spitze entfremdet und offenbar viele Kränkungen hinnehmen müssen, vor allem von Gudrun Ensslin.
Ulrike Meinhofs Körper wurde 1976 auf dem Dreifaltigkeits-Friedhof in Berlin bestattet. Ihr Gehirn wurde erst 2002 beigesetzt. Es war nach ihrem Tod ohne Wissen der Angehörigen entnommen worden, um medizinische Untersuchungen durchzuführen.
Die Todesnacht von Stammheim
Während die Spitze der RAF im Gefängnis saß, hatte sich draußen eine zweite RAF-Generation zusammengefunden. Ihr dringendstes Ziel war die Befreiung der RAF-Gründer. Doch alle Versuche, die Gefangenen freizupressen, scheiterten.
1977 entführte ein palästinensisches Terrorkommando eine Lufthansa-Maschine – auch um die Forderungen der RAF zu unterstützen. Doch die Entführung scheiterte. Als die Nachricht zur inhaftierten RAF-Spitze durchdrang, töteten sich Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Jan-Carl Raspe in der Nacht vom 17. zum 18. Oktober 1977 in ihren Zellen selbst.
Irmgard Möller wurde mit zahlreichen Messerstichen ins Krankenhaus gebracht. Bis heute bestreitet sie einen kollektiven Selbstmord und spricht von staatlich verordneten Morden. Anhaltspunkte für ein Fremdeinwirken wurden jedoch nie gefunden.
(Erstveröffentlichung: 2007. Letzte Aktualisierung: 08.05.2018)
Quelle: WDR