Armut in Zahlen
Eine Auswertung des Statistischen Bundesamts zeigt: In Deutschland waren im Jahr 2023 gut 17,7 Millionen Menschen von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht. Das heißt: Sie haben weniger als 1310 Euro im Monat zur Verfügung (für alleinlebende Personen) oder, bei zwei Erwachsenen mit zwei Kindern unter 14 Jahren, weniger als 2751 Euro im Monat.
Betroffen von Armut sind in Deutschland vor allem kranke und alte Menschen, Niedriglöhner und Arbeitslose, kinderreiche Familien und Alleinerziehende. Besonders kritisch sehen Sozialverbände die Armutsquote bei Kindern, die deutlich über dem Durchschnitt der Bevölkerung liegt.

Die Armutsgefahr in Deutschland wächst
In einem wohlhabenden Land wie Deutschland spricht man von "relativer Armut": Wer hierzulande wesentlich weniger besitzt als der Durchschnitt, ist arm. Meist bezieht sich die relative Armut auf das Einkommen. So bezeichnet die Weltgesundheitsorganisation WHO denjenigen als arm, der monatlich weniger als die Hälfte des Durchschnittseinkommens seines Landes zur Verfügung hat.
Solche statistischen Armutsgrenzen sind umstritten, denn die sogenannte Einkommensarmut gibt den gesellschaftlichen Status nur unzureichend wieder. Faktoren wie Bildungsstand oder soziales Netz spielen ebenfalls eine große Rolle. Wie auch immer relative Armut beschrieben wird: Es geht um die ungleiche Verteilung von Chancen, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen.

Viele Menschen müssen jeden Cent umdrehen
Arme Menschen sterben früher
Im Gegensatz zur relativen Armut bedroht absolute Armut die physische Existenz. Als absolut arm gelten Menschen, die pro Tag weniger als einen US-Dollar ausgeben können. Zwar muss in Deutschland niemand Hunger leiden. Dennoch gefährdet Armut auch hier Leben und Gesundheit.
Arme Menschen sind in Deutschland häufiger von Krankheit betroffen und haben eine deutlich geringere Lebenserwartung. Eine Studie des Robert-Koch-Instituts hat nachgewiesen, dass arme Menschen früher sterben als der Durchschnitt: Frauen um acht Jahre, Männer sogar um fast elf Jahre früher.

Armut wirkt sich auf die Gesundheit aus
Abstieg in die Armut
Der Sozialabbau der vergangenen Jahre macht sich bemerkbar: Die Einführung von Arbeitslosengeld II und die Kürzung der staatlichen Unterstützung seit 2005 drängen arbeitslose Menschen noch schneller in Armut. Doch es trifft nicht nur Menschen ohne Job: Geringe Löhne haben dazu geführt, dass mittlerweile viele Menschen trotz ihrer Arbeit von Armut bedroht sind.
Besonders gefährdet sind Alleinerziehende und ihre Kinder, Wohnungslose, Menschen mit Migrationshintergrund und – durch Gesundheitsreformen und hohe Zuzahlungen – wieder verstärkt Alte, Kranke und Menschen mit Behinderung. Häufig kommen gleich mehrere Belastungen zusammen, wie geringes Einkommen, ungesicherte Wohnverhältnisse, Krankheit, psychische Probleme, mangelnde Ausbildung und soziale Ausgrenzung.

Kein ungewöhnliches Bild in deutschen Großstädten
Arm, keine Wohnung, kein Job
Wer erst einmal auf staatliche Unterstützung angewiesen ist, hat es oft schwer, sich aus dieser Abhängigkeit wieder zu befreien. Eine der schlimmsten Auswirkungen von Armut ist der Verlust der eigenen Wohnung. Ein Teufelskreis: Wer obdachlos ist, bekommt keinen Job. Wer keinen Job hat, wird nur schwer eine Wohnung finden oder kann sich keine leisten.
Oft bekommen die Betroffenen das Gefühl, ihre Situation selbst zu verschulden. Dieses Gefühl wird ihnen auch von außen vermittelt. Viele sind deprimiert und verunsichert, vor allem wenn sich ihre Lage über Jahre nicht verändert hat.
Der Arzt Gerhard Trabert, der den Verein "Armut und Gesundheit in Deutschland" ins Leben gerufen hat, kommt bei seiner Arbeit täglich mit solchen Menschen in Berührung. Seiner Meinung nach brauchen Betroffene vor allem jemanden, der an ihre Fähigkeiten glaubt: "Wichtig ist, ihnen Wertschätzung zu geben."
(Erstveröffentlichung 2013. Letzte Aktualisierung 10.04.2024)
Quelle: SWR