Die Hanse

01:39 Min. UT Verfügbar bis 25.09.2028 Von Lukas Prommer, Claudio Como


Download Podcast

Mittelalter

Hanse

In der Mitte des 12. Jahrhunderts schlossen sich deutsche Kaufleute zu Genossenschaften zusammen. Sie legten damit den Grundstein zum Hansebund, der ihre Handelsinteressen über Städte- und Ländergrenzen hinweg durchsetzte.

Von Gregor Delvaux de Fenffe

Deutsche Kaufleute auf Gotland

Die Hanse (althochdeutsch für "Schar" oder "Gefolge") war ein Interessenverband für seefahrende Kaufleute, die gemeinsam auf der Suche nach guten Geschäften ihre kostbaren Frachten auf große, abenteuerliche Fahrt schickten.

Schon im 11. Jahrhundert hatte eine Schar Kölner Kaufleute in London ein eigenes Haus erworben, um in England billig und in großen Mengen die hervorragende englische Schafwolle zu erwerben, die sie in ihrer Heimat teuer verkauften.

Den englischen Königen waren die deutschen Händler sehr willkommen, da diese ihnen hohe Summen liehen. Dafür standen die deutschen Kaufleute unter dem Schutz der englischen Krone. "Stalhof" hieß diese Handelsniederlassung der Deutschen in England, hier wurden die Waren "gestalt", das heißt, geprüft und mit einem Bleisiegel gekennzeichnet.

Die Idee hinter dem Bündnis der deutschen Kaufleute war die Erkenntnis, dass sich nur über den direkten Handel ohne Zwischenhändler gutes Geld verdienen ließ. Im späten Mittelalter tauschten deutsche Kaufleute in den Küstengebieten im Norden und Osten Europas Waren aus Nordeuropa gegen Produkte aus dem Süden.

Die Männer, mit denen sie Handel trieben, kamen von der östlich vom schwedischen Festland gelegenen Insel Gotland. Die Gotländer waren Großbauern, die als Zwischenhändler gut verdienten. Sie boten Waren an, die sie aus Russland, Schweden, Norwegen und Dänemark bezogen. Doch bald reichte den deutschen Händlern der Warenaustausch über die Gotländer nicht mehr aus.

Als im 13. Jahrhundert norddeutsche Fürsten und die Stadt Lübeck die dänische Vormachtstellung in der Ostsee durch einen kurzen Krieg beendet hatten, bekamen deutsche Kaufleute erstmals Zugang zum begehrten Ostseehandel. Sie begannen Gotland als Zwischenstation zu nutzen, um in den direkten Fernhandel mit Russland und Skandinavien zu treten. So wurden sie zu Konkurrenten der Gotländer und verdrängten diese bald aus dem Geschäft.

Gründung der Hansekontore

Im Jahr 1235 eröffneten deutsche Kaufleute eine Handelsniederlassung in Brügge (heute Belgien), damals ein Zentrum des europäischen Handels. Die fahrenden Kaufleute aus Deutschland gründeten im Laufe der Zeit in immer mehr Städten Niederlassungen vor Ort, die sogenannten Hansekontore. Berühmte Kontore waren London und Brügge, Bergen in Norwegen und Nowgorod im hohen russischen Norden.

Häsuerzeilen in Brügge

Brügge war eine der wichtigsten Handelsstädte im Mittelalter

Diese Handelsstützpunkte boten den deutschen Fernhändlern (ähnlich den heutigen Botschaften) sicheres Quartier auf fremdem Boden. Die großen Handelsniederlassungen vernetzten die daran angebundenen Städte, die rasch von den handeltreibenden Hansemitgliedern profitierten. So mündete die 200 Jahre gewachsene Hanse der Kaufleute des 12. Jahrhunderts in den Hansebund der Städte.

Bund der Städte

Im 14. Jahrhundert hatte sich ein Wirtschaftsraum herausgebildet, der sich von Nowgorod und Reval (dem heutigen Tallinn) im Osten bis nach Brügge und London im Westen erstreckte.

Die Hansemitglieder waren zu einem entscheidenden Machtfaktor geworden. Durch ihre enorme Wirtschaftskraft hatten sie großen politischen Einfluss gewonnen. Die ökonomischen Erfolge hatten viele Kaufmannsfamilien steinreich gemacht. Dadurch stieg das Selbstbewusstsein der handeltreibenden Bürger gegenüber dem Adel.

Die Luftaufnahme zeigt den Domberg, der erhöht über der Stadt liegt.

Tallinn war ein bedeutender Stützpunkt an der Ostsee

Durch ihre erfolgreichen Bürger gewannen die jungen, schnell wachsenden Städte im Deutschen Reich an Selbstvertrauen. Sie begannen ihre Interessen zu koordinieren und im Verbund den örtlichen Machthabern Privilegien und Rechte abzutrotzen. Oder sie kauften sich für große Summen besondere Genehmigungen und Privilegien direkt beim deutschen Kaiser.

Dadurch wurden sie "reichsunmittelbar", sie unterstanden rechtlich allein dem Kaiser. Ansprüche seitens der Landesfürsten – das Deutsche Reich war damals ein Flickenteppich unterschiedlicher Fürsten- und Herzogtümer – waren damit hinfällig. Zusätzlich zu entrichtende Abgaben und Steuern konnten die reichen Städte dadurch verhindern.

Lübeck und Hamburg machen den Anfang

Bis heute resultiert der besondere politische Status der Stadtstaaten von Hamburg und Bremen aus der Zeit der freien, reichsunmittelbaren Stadt. Die reichste Hansestadt war jedoch Lübeck, das bald zum Haupt der Hanse wurde. Die ersten Städte, die sich zu einem Bund zusammenfanden, waren Lübeck und Hamburg. Sehr bald folgten weitere.

Zur Hanse gehörten neben Küstenstädten wie Lübeck, Hamburg, Bremen, Wismar, Rostock, Stralsund, Greifswald, Danzig und Königsberg auch Binnenstädte wie Köln, Dortmund, Hannover, Naumburg und Berlin.

Blick auf die Altstadt von Stralsund

Stralsund war schon sehr früh Mitglied der Hanse

Eine wirkliche Definition für den Bund der Hanse hat es nie gegeben. Zur Blütezeit der Hanse vom 14. bis zum 16. Jahrhundert befanden sich bis zu 200 Städte in der Hanse. Dabei unterlag der Beitritt rein ökonomischen Interessen. Wenn sich eine Stadt einen finanziellen Vorteil versprach, stieß sie zum Bund hinzu.

"Hanse" (auch "hense" oder "henze") hieß außerdem das Entgelt, das Kaufleute und Städte zu entrichten hatten, wenn sie beitraten. Denn die Interessenvertretung kostete Geld: Die Handelsprivilegien mussten oft teuer erkauft, Beamte bestochen und Kriege finanziert werden, wenn feindliche Mächte den Hansestädten entgegentraten.

Hanse-Tage

Als die Städte begannen, ihre Interessen zu koordinieren, um sie besser wahrnehmen zu können, schufen sie ein Gremium, in dem sie gemeinsam auftraten – den Hanse-Tag. 1356 fand der erste Hansetag in Lübeck statt. Auf diesen Treffen, die bis 1669 existierten, kamen die Abgesandten der Hansestädte zusammen, diskutierten Handelsverträge, die Neuaufnahme oder den Ausschluss von Mitgliedern und den Umgang mit Handelsprivilegien.

Dabei war der Hansetag ein sehr lockeres Gebilde, juristisch gesehen sogar ein Kuriosum. Denn nach der Rechtslage war das Städtebündnis überhaupt nicht existent. Obwohl der Hansetag de facto allgemeines Beschlussgremium der hansischen Städte war, gab es keinen Etat, keine Satzung, keinen Verein und keinen schriftlichen Vertrag.

Trotzdem konzentrierte sich auf diesen Hansetagen die geballte ökonomische Macht des mittelalterlichen Deutschen Reiches und traf Entscheidungen, die sich unmittelbar auf das alltägliche Leben der Menschen auswirkten.

Niedergang der Hanse

Mitte des 15. Jahrhunderts begann der Niedergang des Hansebündnisses. Die Herrscher der angrenzenden Länder Dänemark, Niederlande und Russland gewannen an politischer Macht und gefährdeten das Monopol der Hansestädte auf Handel und Fischfang. Die jahrhundertelang aufrechterhaltenen Steuerfreiheiten und Privilegien der Hansekaufleute wurden eingeschränkt.

So begann Dänemark im Jahr 1429 systematisch einen Zoll auf durchfahrende Handelsschiffe zu erheben. Im Jahr 1494 schloss Zar Iwan III. das Hansekontor in Nowgorod. 1603 wurde der Stalhof in London geschlossen.

Das Hansekontor in Nowgorod.

1494 schloss Zar Iwan III. das Hansekontor in Nowgorod

Die deutschen Landesfürsten begannen, sich gegenüber den Städten durchzusetzen und beschleunigten den Niedergang der Hanse. Sie untersagten den innerdeutschen Hansestädten das Bündnis mit den bedeutenden Küstenstädten des Nordens und zwangen sie, aus dem Bund auszusteigen. Gleichzeitig drangen die Engländer und Holländer verstärkt in den Wirtschaftsraum der Ostsee vor. Die Hanse bekam starke Konkurrenz.

Den zunehmend komplexer gewordenen politischen und wirtschaftlichen Gegebenheiten des 15. Jahrhunderts fiel bald die hansische Solidarität zum Opfer, da es schwieriger wurde, einheitliche Entscheidungen zu treffen. Die Hanse sprach immer weniger mit einer Stimme.

Während sich gegen Ende des 15. Jahrhunderts der internationale Handel neue Märkte in Übersee erschloss, erstarrte die Hanse zunehmend im wenig flexiblen Festhalten an überkommenen Privilegien. Als Konstrukt des Mittelalters war der Bund der Kaufleute und Städte dem wirtschaftlichen und politischen Aufbruch Europas in die Moderne nicht länger gewachsen.

(Erstveröffentlichung 2004. Letzte Aktualisierung 20.04.2020)

Quelle: WDR

Darstellung: