Johann Wolfgang von Goethe
Der Politiker Goethe – Geheimrat und Minister
Johann Wolfgang von Goethe war nicht nur Deutschlands berühmtester Dichter, sondern beteiligte sich auch an der Politik. In Weimar wurde er Staatsminister und Geheimrat – während Europa von Krieg, Umbruch und Neuordnung geprägt war.
Von Alfried Schmitz
Ankunft in Weimar
1775, als Johann Wolfgang von Goethe der Einladung von Herzog Carl August nach Weimar folgte, zählte die Residenzstadt nur 6000 Einwohner. Das gesamte Herzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach brachte es auf gerade einmal 100.000 Bürger. Zudem erstreckte es sich nicht über ein zusammenhängendes Gebiet, sondern war zersplittert und umfasste neben Weimar selbst noch die Städte Jena, Apolda, Eisenach und Ilmenau.
Das kleine Land war durch den Siebenjährigen Krieg (1756-1763) zwischen Preußen und Österreich stark in Mitleidenschaft gezogen worden. Zwar hatte man auf Seiten der siegreichen Preußen gestanden, doch hatten die Kämpfe viele Menschenleben und finanzielle Opfer gefordert.
Dem Ehrgeiz und der Klugheit von Herzogin Anna Amalia war es jedoch zu verdanken, dass sich der Zwergstaat wieder im wirtschaftlichen und kulturellen Aufschwung befand.
Die umtriebige Landesfürstin wollte Weimar zum "Musenhof" machen, wie sie es nannte. Daher förderte sie den Wunsch ihres Sohnes Carl August, der 1775 Regent des Herzogtums wurde, Goethe an ihren Hof zu holen – einen aufstrebenden und durch Werke wie "Die Leiden des jungen Werther" und "Götz von Berlichingen" schon bekannten Dichter.
Herzogin Anna Amalia ließ Goethe nach Weimar holen
Berufung ins Staatsamt
Der damals 18-jährige Herzog und der acht Jahre ältere Goethe freundeten sich rasch an. Mehr noch, Goethe wurde zum engen Vertrauten und Ratgeber des jungen Regenten.
Schon ein Jahr später wurde Goethe, mit einem guten Gehalt ausgestattet, zum Geheimen Legationsrat ernannt und bekam damit gleichzeitig einen Sitz im höchsten Regierungsorgan des Landes. Zudem erhielt Goethe als Leiter der Bergwerkskommission, als Leiter der Wege- und Wasserbaukommission, als Leiter der Kriegskommission und später noch als Finanzminister weitreichende Kompetenzen und Aufgaben.
Goethe verstand sein neues politisches Handwerk: Er förderte den Abbau von Silber und Kupfer, ließ Straßen und Wege sanieren, verjüngte und reduzierte die kleine Armee und erwies sich als gewiefter Geld- und Steuerfachmann, der die Finanzlage des Herzogtums sanierte.
Der Herzog belohnte das politische Engagement seines Freundes nicht nur mit vielen Freiheiten, Annehmlichkeiten und Vergünstigungen. 1782 stellte der Landesfürst das Ersuchen an Kaiser Josef II., Goethe in den Adelsstand zu erheben.
Johann Wolfgang von Goethe erwies sich für das kleine Fürstentum als wahrer Glücksgriff. Die Anwesenheit des bekannten und erfolgreichen Dichters zog auch noch andere Geistesgrößen nach Weimar. Neben dem Theologie-, Philosophie- und Literaturwissenschaftler Herder gelang es Goethe später auch, Friedrich Schiller nach Weimar zu holen. Die kleine Residenzstadt stieg zu einer der bedeutendsten europäischen Kulturmetropolen auf.
Schiller liest in Weimar, Goethe und andere Kulturgrößen hören zu
Zeitzeuge von Wandel und Umschwung
Als Herzog Carl August 1792 im Rang eines Generals mit den verbündeten preußisch-österreichischen Truppen gegen Frankreich zog, um sich dort der Revolutionsarmee zu stellen, schloss sich Goethe seinem Freund an. Der Dichter erlebte das euphorische Siegesgefühl nach der Eroberung der Grenzfestung Verdun, aber auch die ergebnislose Kanonade bei Valmy, nach der sich die preußisch-österreichische Koalition für den Rückzug entschied.
Neben der Französischen Revolution von 1789 bekam Goethe auch ein anderes historisches Phänomen hautnah mit: 1804 krönte sich der französische Feldherr Napoleon Bonaparte zum Kaiser der Franzosen. Unter seiner Herrschaft wurden die Eroberungszüge der Revolutionsarmee siegreich fortgeführt. Den besetzten Ländern gab Bonaparte nach französischem Vorbild ein neues Staats- und Rechtsgefüge, den so genannten Code Napoleon, später Code Civil.
Goethe war fasziniert vom charismatischen Franzosenkaiser und von seinen zum Teil fortschrittlichen Reformen. Im Oktober 1808 kam es während des Erfurter Fürstentages zu einem Treffen der beiden auf politischem Parkett.
Von Napoleons Reformen war Goethe fasziniert
Im Laufe des Gespräches erwies sich Bonaparte als Literaturkenner und äußerte sich lobend über Goethes Werke. Besonders den "Werther" soll er dabei hervorgehoben haben.
Ein kritikloser Bewunderer Napoleons war Goethe aber nicht. Der Dichter erkannte durchaus das Dämonische in Napoleons Wesen, seinen Hang zur Macht und zum Machtmissbrauch. 1815 wurde Goethe schließlich Zeuge von Napoleons Niedergang und der Neuordnung Europas durch den Wiener Kongress.
(Erstveröffentlichung 2005. Letzte Aktualisierung 09.04.2020)
Quelle: WDR