Die Rekonstruktion eines Urmenschen ist eigentlich eine Wissenschaft für sich. Und sie ist sehr stark äußeren Einflüssen ausgesetzt. Grundlage jeder Rekonstruktion sind natürlich die fossilen Hominiden-Funde. Selbst kleinste Knöchelchen geben Auskunft: ein Eckzahn, ein Teil des Schädeldachs, ein Kieferfragment.
Wesentliche Hilfen für die Einordnung der Funde bieten zum Beispiel die Kauflächen der Zähne oder die Schädelform mit den Wülsten über den Augen. Es lassen sich die typischen Merkmale einzelner Hominiden-Arten bestimmen. Und mit ziemlicher Sicherheit können die Forscher auch noch, je nach Fundort und Alter, Aussagen über die Hautfarbe machen.
Zähne und Knochen liefern wichtige Erkenntnisse
Alles andere ist Interpretation. Und die hängt von dem aktuellen kulturellen und religiösen Weltbild ab. Das war schon im 16. Jahrhundert so. Das Denkmal des Klagenfurter Lindwurms ist dafür ein Paradebeispiel: 1335 wurde in Klagenfurt der Schädel eines Lebewesens gefunden, das bis dahin völlig unbekannt war. Was man aber kannte, waren die damals gängigen Motive aus der Mythologie.
Für den Bildhauer war ein Drachen das einzige Wesen, zu dem dieser große Schädel passen konnte. Also meißelte er dem Lindwurm seinen Drachenkopf. Heute weiß man, dass die fossile Schädelvorlage des Klagenfurter Lindwurms einem wollhaarigen Nashorn gehörte, das während der Eiszeit in Europa lebte.
Es war ein Wollnashorn, kein Drache
Genau wie bei uns wird es auch bei den Urmenschen individuelle Unterschiede in Körperbau, Mimik und Ausdruck gegeben haben. Doch je nachdem von wem, wann und wo die Fossilien interpretiert und rekonstruiert werden, wird das Ergebnis immer ein anderes sein.
(Erstveröffentlichung 2012. Letzte Aktualisierung 17.07.2019)
Quelle: SWR