Die Wissenschaft von Fahnen und Flaggen
Fahnen und Flaggen haben eine eigene Wissenschaft: die so genannte "Vexillologie". Das Wort leitet sich vom lateinischen Wort "vexillum" ab, das für "Banner" steht, also für die Vorläufer heutiger Fahnen.
Die Vexillologie ist eine vergleichsweise junge Wissenschaft, die Ende der 1950er-Jahre entstand. Davor zählten Flaggen und deren Erforschung zur Wappenkunde (Heraldik). Die Vexillologen unterscheiden übrigens zwischen Flaggen und Fahnen, obwohl die beiden Begriffe im allgemeinen Sprachgebrauch für ein und dasselbe stehen.
Flaggen sind die typischen Länderembleme, die auf große Stofftücher gedruckt sind und an Masten von Gebäuden oder Schiffen gehisst werden. Fahnen sind dagegen wertvollere Einzelstücke mit teilweise aufgestickten Emblemen. Man findet sie heute vor allem bei traditionellen Schützenvereinen oder Musikkapellen. Bei ihren Auftritten werden sie meist auf einer Fahnenstange vorweg getragen.
Die Ursprünge
Fahnen und Flaggen dienen der Kommunikation. Man kann mit ihnen über größere Distanzen Zeichen und Botschaften übermitteln. Oder sich einfach nur erkennbar machen.
Wann es in der Geschichte der Menschheit zum ersten Mal so etwas wie Flaggen gegeben hat, ist unklar. Schon vor rund 5000 Jahren soll der Mensch angefangen haben, Symbole zu benutzen, um sich von anderen zu unterscheiden. Anfangs wurden sie in Stein gemeißelt, irgendwann suchte man nach Möglichkeiten, diese Symbole auch tragbar und weithin sichtbar zu machen.
Viele frühe Kulturen haben sich in Kriegen oder bei friedlichen Begegnungen durch gut sichtbare Objekte, die auf Stangen hochgehalten wurden, als Gruppe ausgewiesen. Bei den Römern sollen dies zum Beispiel Adler gewesen sein. Sie wurden auf einer Stange als Skulptur oder als Zeichnung auf einem Banner den Legionen voran getragen.
Später benutzte man Wappen, um erkannt zu werden. Diese Wappen enthielten oft aufwändige Zeichnungen mit Tiermotiven. Sehr wichtig waren sie für Ritter, damit sie trotz ihrer Rüstung erkennbar blieben. Ritter trugen ihre Wappen auf ihren Rüstungen und ließen sie auf Stofffahnen malen.
Ein Ritter mit Sturmfahne im 14. Jahrhundert
Die Entstehung der heutigen Nationalflaggen
Die Nationalflaggen, wie wir sie heute kennen, haben ihren Ursprung in der Seefahrt des Mittelalters. Die großen im Wind wehenden Stofftücher sorgten dafür, dass Kriegs- und Handelsschiffe schon von weitem identifiziert werden konnten. Die holländische Trikolore aus dem 16. Jahrhundert mit ihren drei rot-weiß-blauen Querstreifen gilt als eine der ersten modernen Flaggen. Sie ist bis heute in Gebrauch.
Erst in der Zeit nach der Französischen Revolution bekamen Flaggen auch für die Menschen auf dem Festland eine größere Bedeutung. Sie wurden zunehmend zu einem Symbol für nationale oder politische Zugehörigkeiten. Flaggen markierten Grenzen, sie wurden zum Symbol für Unterdrückung und Inbesitznahme, für Befreiung und Widerstand. Seit dem frühen 19. Jahrhundert trägt die Deutschlandflagge die Farben Schwarz-Rot-Gold.
Bis heute haben Flaggen für viele Menschen eine besondere Bedeutung. Sie werden mit Respekt behandelt, geliebt und sogar verteidigt. Oder aber auch zerstört, wenn sie als Symbol für einen Gegner gelten.
Sowjetische Flagge auf dem Reichstag am 20. April 1945
Flaggen in der Werbung
Flaggen werden heute nicht mehr ausschließlich von Ländern oder politischen Einrichtungen genutzt. Wehende Fahnen im Wind sind ein Blickfang. Und das hat man seit langem auch in der Werbung erkannt. Viele Auto-, Möbel- oder Warenhäuser haben Flaggen mit eigenen Motiven. Und die geben – ein bisschen Wind vorausgesetzt – jedem Unternehmen ein dynamisches Erscheinungsbild.
Dabei entfernt sich die Gestaltung zunehmend von den klassischen Flaggen. Immer häufiger findet man bedruckte Fahnen mit fotorealistischen Motiven. Auch Hotels schmücken sich gerne mit Fahnen. Neben eigenen Motiven benutzen sie auch reguläre Länderflaggen, um Gäste aus einem bestimmten Land willkommen zu heißen. Oder sie versuchen, sich durch eine Vielfalt an Nationalflaggen ein internationales Image zu geben.
Spezielle Flaggen zur Kommunikation
Neben Fahnen und Flaggen, die eine Zugehörigkeit ausdrücken, gibt es auch Kommunikationsflaggen. Sie findet man unter anderem in der Schifffahrt und im Sport.
Ein bekanntes Beispiel ist die schwarzweiß karierte Zielflagge beim Autorennen. In der Schifffahrt existiert ein internationales Signalalphabet mit 26 verschiedenen Signalflaggen und zehn Flaggen, die für die Ziffern 0 bis 9 stehen. Dieses Alphabet geht zurück auf die Zeit, in der es noch keinen Funkverkehr auf See gab und die Besatzungen nur mittels Flaggen in Sichtweite kommunizieren konnten.
Von der Farbgebung und Gestaltung ähneln diese Flaggen manchen Nationalflaggen, haben aber eine völlig andere Bedeutung.
Die jeweiligen Bedeutungen sind in einem internationalen Signalbuch festgelegt, das es seit 1901 gibt. In den seltensten Fällen werden diese Flaggen jedoch zum Buchstabieren genutzt. Jede Signalflagge hat eine eigene Bedeutung.
Und auch Kombinationen mehrerer Flaggen haben spezielle Aussagen, die mit den eigentlichen Buchstaben nichts zu tun haben müssen. Die Signalflagge für den Buchstaben "O" bedeutet "Mann über Bord". "V" steht für "Ich brauche Hilfe" und "G" steht für "Ich benötige einen Lotsen". Werden diese drei Flaggen gemeinsam gehisst, bekommen sie für den kundigen Seefahrer eine völlig andere Aussage und bedeuten dann "Ich danke Ihnen".
Ein eindeutiges Signal
Fahnen als Kunstobjekte
Fahnen habe eine große ästhetische Wirkung. Die leuchtenden Farben vor möglichst königsblauem Himmel haben ihren Reiz. Und das ist natürlich auch der Kunstszene nicht verborgen geblieben. Es gibt einige Künstler, die sich der Gestaltung phantasievoller Flaggen angenommen. Dabei halten sie sich an keinerlei Regeln. Ob rund, eckig oder gezackt: Schön ist, was gefällt.
Mit den Ergebnissen werden dann Innenhöfe, Gebäude oder sogar Bäume dekoriert. Dass diese Form der Kunst durch Wind und Wettereinflüsse sehr vergänglich ist, wird von den Künstlern übrigens als selbstverständlich hingenommen.
Flaggen schaffen Arbeitsplätze
Flaggen und Fahnen sind ein nicht zu unterschätzender Wirtschaftszweig. Es gibt in Deutschland zahlreiche Firmen, die sich auf ihre Herstellung spezialisiert haben. Allein die handwerkliche Anfertigung von Fahnen für Vereine bringt gutes Geld. Ein solch aufwendig gesticktes Einzelstück kann mehrere Tausend Euro kosten.
Den Hauptumsatz bringen natürlich die Flaggen für Länder, Werbung, Sportvereine und nicht zuletzt Fan-Flaggen. Allein während der Fußball-WM 2006 wurden Schätzungen zufolge fünf Millionen Flaggen verkauft, was dem Flaggenhandel einen Umsatz von rund 25 Millionen Euro verschafft haben soll.
Auch wenn rund 80 Prozent der Flaggen aus Fernost importiert wurden, war auch die hiesige Flaggenindustrie mehr als erfreut über die neue Begeisterung an dem wehenden Stoff.
Sport- und Sonderveranstaltungen bescheren dieser Industrie immer wieder Umsatzhöhepunkte. Aber auch sonst ist eine ständige Nachfrage vorhanden. Denn Flaggen unterliegen durch Wind und Wetter einem hohen Verschleiß und müssen regelmäßig ausgetauscht werden.
Die Herstellung hochwertiger Länderflaggen verlangt präzise Handarbeit
(Erstveröffentlichung 2007. Letzte Aktualisierung 15.06.2018)
Quelle: WDR