Deutschunterricht
Johan Amos Comenius
Der tschechische Theologe, Philosoph und Pädagoge Johan Amos Comenius war überzeugt von der menschlichen Bildungsfähigkeit und der grenzenlosen Fassungskraft des Geistes. Er entwickelte die erste systematisch aufgebaute Pädagogik der Neuzeit auf der Basis der Muttersprache und das erste Bilderbuch für Kinder.
Von Julia Lohrmann
Sein Leben: Katastrophen und Hoffnung
Jan Amos Komenský, so sein bürgerlicher Name, wird am 28. März 1592 in Nivnice in Ostmähren geboren. Schon mit zehn Jahren verliert er seine Eltern und Geschwister. Er wächst bei einer Tante auf, unter dem Einfluss der Brüderunität – einer christlichen Bewegung, die nach dem Geist der Bergpredigt und dem Vorbild der christlichen Urgemeinden lebt. In Herborn und Heidelberg studiert er Philosophie und Theologie.
1616, im Alter von 24 Jahren, wird Comenius Pfarrer der Brüderunität und übernimmt 1618 die Leitung der Gemeinde und der Schule in Fulnek. Er heiratet. Im selben Jahr beginnt der Dreißigjährige Krieg, der fortan sein Leben bestimmen soll.
Alle Nicht-Katholiken müssen fliehen, Comenius hält sich versteckt und wechselt ständig seine Aufenthaltsorte. Er verliert seine Frau und seine zwei kleinen Kinder durch eine Seuche.
Mit seiner Gemeinde muss er nach Lissa (das heutige Lezno in Polen) ins Exil und übernimmt dort die Leitung des Gymnasiums. Er heiratet ein zweites Mal. In dieser Zeit verfasst er eine Vielzahl pädagogischer Schriften.
Comenius wird Bischof der Brüdergemeinde, reist nach London und Stockholm, wo er die Regierungshäuser in Bildungsfragen berät. 1648 kehrt er nach Lissa zurück. Seine zweite Frau stirbt. Der Westfälische Frieden bringt keine Anerkennung für die Brüdergemeinde.
Comenius heiratet erneut, reformiert das Schulwesen in Sárospatak in Siebenbürgen und verfasst neue Schulbücher. 1656 verliert er nach seiner Rückkehr nach Lissa sein gesamtes Hab und Gut bei der Zerstörung der Stadt im polnisch-schwedischen Krieg. Die Brüdergemeinde löst sich auf, Comenius flieht nach Amsterdam.
Bis ans Ende seines Lebens widmet er sich dort mit ganzer Kraft seinen didaktischen Schriften. Am 15. November 1670 stirbt der große Pädagoge, der trotz harter Rückschläge niemals resignierte und nie die Hoffnung auf eine bessere Welt und neue, friedfertige Menschen aufgab.
Der Dreißigjährige Krieg bestimmt Comenius' Leben
Sein Erziehungsziel: "Omnes Omnia Omnino"
Comenius sah in der Erziehung den einzigen Ausweg aus dem verkehrten Zustand der Menschheit. In einer Zeit, die von Kriegen, Unterdrückung und Unrecht geprägt war, verlor er nie den Glauben an die Macht der Erziehung und die Selbstbildungsfähigkeit des Menschen.
Alle alles auf umfassende Weise zu lehren – "omnes omnia omnino" – war sein Ziel. Alle hieß für ihn: jeder einzelne Mensch ungeachtet seines Alters, seiner Besitzverhältnisse, seines gesellschaftlichen Standes und seines Geschlechts. Von allem wollte er das Wesentliche, die Grundlage lehren.
Seine Methode war ganzheitlich und frei von Zwang. "Die Lust zu ergründen" wollte er fördern, das Lernen sollte "wie ein Spiel und kurzweilig vor sich gehen". Er forderte eine öffentliche Schule für alle.
Comenius war überzeugt davon, dass jeder Mensch gefördert werden kann. "Wenn Sie sagen, dass man nicht aus jedem Holz einen Löffel schnitzen könne, so antworte ich: Aber aus jedem Menschen kann ein Mensch werden, wenn nicht einer auftritt, der die Sache verdirbt."
Seine Methode: Muttersprache und Bildung von der Wiege an
Nach Comenius' Vorstellungen soll sich Erziehung in vier Schritten vollziehen: Schon von der Wiege an lernen die Kinder in der "Mutterschule" mit "Buchen und Eichen als Lehrer".
Von sechs bis zwölf sollen dann alle Kinder in öffentlichen Schulen Lesen, Schreiben, Messen, Rechnen, sowie grundlegende religiöse, sittliche, geographische, geschichtliche und politische Kenntnisse erlernen – nicht wie damals in den wenigen Schulen üblich in Latein, sondern in der Muttersprache.
Wer keinen handwerklichen oder kaufmännischen Beruf ergreift und die Begabung für ein Studium besitzt, geht danach bis 18 in die Lateinschule, lernt neben weiteren Übungen in der Muttersprache Latein, Griechisch und Hebräisch, die klassischen Künste, Physik, Geographie, Chronologie, Geschichte, Ethik und Theologie. Die Universität von 19 bis 24 Jahren soll trotz Fächerwahl weiter auch allgemeinbildend sein.
Comenius veröffentliche das bebilderte Schulbuch "Orbis sensualium pictus"
Sein Einfluss: Didaktik und Optimismus
Comenius' Reformvorschläge wurden in seiner Zeit kaum umgesetzt. Aber dennoch hatte sein Lebenswerk indirekten Einfluss auf die Entwicklung des Schulwesens – vor allem auf die Durchsetzung der allgemeinen Schulpflicht und auf die Einführung des muttersprachlichen Unterrichts als Fundament der Volksbildung.
Schon zu seinen Lebzeiten genoss Comenius großes Ansehen als Gelehrter und als Berater für Schulentwicklung. Das englische Parlament, die schwedischen Könige und deutschen Fürsten beauftragen ihn mit Schulreformen.
Auch der französische Kardinal Richelieu und die amerikanische Harvard-Universität wollten ihn als pädagogischen Leiter gewinnen. Viele seiner Unternehmungen scheiterten meist aufgrund der politischen Wirrungen.
Seine schriftlichen Werke waren von längerer Dauer. Sein pädagogisches Hauptwerk ist die "Didactica magna" (Große Unterrichtslehre), eine der wichtigsten Schriften in der Geschichte der Didaktik.
Diese pädagogische Systematik enthält schon alle wesentlichen Prinzipien, Kategorien und Grundfragen, die die Pädagogik der Neuzeit bewegen: von anthropologischen Grundfragen über Erziehungsziele, Lerninhalte und Methodikfragen bis hin zu Fragen der Schulorganisation.
Ebenso bekannt ist der "Orbis sensualium pictus" (Die sichtbare Welt in Bildern), eines von Goethes Lieblingsbüchern. Es ist ein illustriertes, lateinisch-deutsches Sprachenbuch für Kinder und gilt als das erste Bilderbuch und als Vorläufer der heutigen Schulbücher.
(Erstveröffentlichung 2004. Letzte Aktualisierung 07.06.2021)
Quelle: WDR