Akupunktur
Ohr-Akupunktur gegen die Sucht
Bei einer Ohr-Akupunktur werden Nadeln in bestimmte Stellen der Ohrmuschel gestochen. Neben der Schmerztherapie soll diese Behandlungsform bei Suchterkrankungen helfen. Die Reizung der so genannten "Suchtpunkte" könne das Verlangen bremsen.
Von Susanne Decker
Der Embryo in der Ohrmuschel
In der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) wird die Stimulierung bestimmter Punkte in der Ohrmuschel durch Akupunkturnadeln schon seit Jahrhunderten angewendet. In Europa ist die Ohr-Akupunktur immerhin schon seit dem 17. Jahrhundert bekannt.
In den 1950er-Jahren stellte Paul Nogier, ein französischer Arzt, seinem Fachpublikum einen neuen Ansatz vor: Die Form der Ohrmuschel erinnere an einen Embryo, so seine These. Der "Embryo im Ohr" stelle seiner Meinung nach in Miniaturform den gesamten Organismus dar und repräsentiere die Punkte, die dem jeweiligen Körperteil im Zentralnervensystem entsprechen.
Nogiers Methode fand Ende der 1950er-Jahre auch Anhänger in China, die aus dieser Theorie eine "chinesische Ohr-Akupunktur" entwickelten. Die chinesische Ohr-Akupunktur hat viele Gemeinsamkeiten mit der Therapie von Nogier, in bestimmten Punkten unterscheidet sie sich aber. Heute versucht man beide Ansätze in einer weiterentwickelten Form der angewandten Ohr-Akupunktur zu vereinen, die auch in der Suchttherapie eine Rolle spielt.
Ohr-Akupunktur kann eine suchttherapeutische Behandlung unterstützen
Das NADA-Protokoll – Akupunktur gegen Sucht
Die gemeinnützige Organisation NADA (National Acupuncture Detoxification Association) wurde in den 1980er-Jahren in New York gegründet, um im Therapiebereich "Ohr-Akupunktur" solide Standards in der Ausbildung zu ermöglichen und den internationalen Erfahrungsaustausch zu fördern.
Die Methode der Ohr-Akupunktur nach dem NADA-Protokoll etablierte sich in den darauffolgenden Jahren in vielen Ländern auf der ganzen Welt. Seit den 1990ern wird sie auch in Deutschland in ambulanten und stationären Einrichtungen der Suchthilfe angewendet.
Ergänzende Therapie gegen Nikotin- oder Ess-Sucht
Ohr-Akupunktur kann als ergänzende Therapie während einer suchttherapeutischen Behandlung eingesetzt werden. Oft werden Dauernadeln gestochen. Bei dieser Methode bleiben die Nadeln bis zu einer Woche im Ohr und werden vom Patienten mit Magneten regelmäßig stimuliert.
Um von einer Ess-Sucht oder Nikotinsucht loszukommen, kann Ohr-Akupunktur als begleitende oder ergänzende Therapie ein sinnvoller Ansatz sein. Bisherige Studien konnten allerdings nicht eindeutig zeigen, dass Ohr-Akupunktur die Chancen steigern kann, Betroffene dauerhaft von ihrer Sucht zu heilen. Die Ohr-Akupunktur kann also eine suchttherapeutische Behandlung nicht ersetzen, aber unterstützen.
Quelle: SWR | Stand: 18.03.2021, 23:00 Uhr