In der Forschung wird zwischen dem expliziten und dem impliziten Gedächtnis unterschieden. Mit dem expliziten Gedächtnis erinnern sich Menschen an Ereignisse und erkennen Gegenstände, Orte und Personen wieder, die mit diesen Ereignissen verbunden sind. Außerdem wird hier erworbenes Wissen gespeichert. Es handelt sich dabei um einen bewussten Vorgang des Erinnerns.
Das implizite Gedächtnis ist dagegen das unbewusste Gedächtnis. Darin befinden sich Inhalte, die weitgehend unser Verhalten bestimmen, allerdings ohne dass wir es bewusst zur Kenntnis nehmen. Zu diesen Inhalten gehören neben Fähigkeiten wie Fahrradfahren oder Schwimmen auch Ängste.
Dass das unbewusste Angstgedächtnis unabhängig vom expliziten Gedächtnis ist, erkannte erstmals der Genfer Arzt und Psychologe Edouard Claparède Anfang des 20. Jahrhunderts. Er behandelte eine Patientin mit Amnesie, also Erinnerungsausfall, die sich keine neuen Ereignisse und Personen mehr merken konnte. Claparède musste sich ihr jedes Mal erneut vorstellen, wenn er den Raum betrat.
Eines Tages hielt der Arzt bei der Begrüßung einen Reißnagel in der Hand verborgen. Die Patientin erschrak und schrie auf vor Schmerz. Beim nächsten Besuch weigerte sich die Frau dem Arzt die Hand zu geben – obwohl sie ihn nicht erkannte. Sie konnte auf Nachfrage auch keinen Grund für ihre Weigerung geben.
Für Claparède stand damit fest, dass sich in der Situation ein zweites Gedächtnis warnend bemerkbar gemacht hatte, um einen erneuten Schmerz zu verhindern.
(Erstveröffentlichung 2002. Letzte Aktualisierung 21.01.2020)
Quelle: WDR