Vom Kart zur Königsklasse
Auf dem Hinterhof im heimatlichen Kerpen darf der vierjährige Michael Schumacher mit einem vom Vater gebauten Kart erste Fahrversuche unternehmen. Mit dem immerhin schon fünf PS (Pferdestärken) starken Gefährt rauscht Schumacher gegen eine Laterne. Vom Vater gibt es dafür eine Ohrfeige und die Einsicht, dass der ungestüme Junge auf der Kartbahn besser aufgehoben ist, als auf dem Hinterhof.
Schon als Fünfjähriger trainiert Schumacher wie besessen und liebt es, bei Regen allein auf dem Kurs zu üben – seine Vorliebe für nassen und damit schwer zu beherrschenden Asphalt wird ihm in seiner späteren Karriere noch häufig von Nutzen sein.
Schnell entdecken Sponsoren das Talent des jungen Fahrers. Schumachers Weg verläuft über verschiedene Rennklassen wie die Formel 3 und die "Deutsche Tourenwagen Meisterschaft" (DTM) zügig Richtung Formel 1.
Großen Anteil daran hat Schumachers Manager Willi Weber, der den 19-jährigen Rennfahrer 1988 unter Vertrag nimmt – mit einer höchst spekulativen Option: 20 Prozent von Schumachers zukünftigen Einnahmen will Weber für sein Engagement, das sich damit später als äußerst lukratives Geschäft erweist.
Schumachers erste Schritte in die Formel 1 verlaufen kurios: Für das "Team Jordan" soll 1991 eigentlich der Rennfahrer Bertrand Gachot im Cockpit sitzen, aber der verbüßt in England ein Haftstrafe, weil er einen Taxifahrer mit Reizgas attackiert hat. Schumacher springt ein.
Schon in der nächsten Saison wechselt er zum "Team Benetton", das – anders als Jordan – konkurrenzfähige Motoren besitzt. Die Benetton-Autos sind zwar äußerst schwer zu handhaben, doch Schumacher kann sein fahrerisches Können unter Beweis stellen. 1994 wird er zum ersten Mal Weltmeister, 1995 wiederholt er diesen Erfolg.
Schumacher mit seinem Mentor und Manager Weber
Mit Ferrari in den Formel-1-Himmel
Es ist die Idee des österreichischen Ex-Weltmeisters Niki Lauda, Michael Schumacher zu Ferrari zu holen. Trotz des klangvollen Namens ist das Team in diesen Jahren im Neuaufbau begriffen und eigentlich noch weit entfernt davon, in den Kampf um die Spitze einzugreifen.
Durch eine komplette Neuausrichtung, massive Investitionen und nicht zuletzt Dank des neuen Fahrers Schumacher kämpfen sich die als "rote Gurken" titulierten Ferraris nach vorne. Im Jahr 2000 wird Schumacher unter dem Jubel der Ferrari-Fans erneut Weltmeister, ein Erfolg, den er bis 2004 und seinem damit siebten und bis dahin letzten Titel, in jedem Folgejahr wiederholt.
Eine solche Erfolgsserie ist in der Formel 1 bis dato unbekannt. Selbst der legendäre argentinische Rennfahrer Juan Manuel Fangio, der bis zu Schumachers Erfolgen als unerreichbarer König des Formel-1-Sports gilt, hatte lediglich fünf Titel gewonnen.
Mit sieben Weltmeisterschaften und 91 Grand-Prix-Siegen in 250 Rennen bricht "Schumi" bis zu seinem ersten Rücktritt 2006 fast alle Rekorde in seiner Disziplin. Einzig in Sachen Gewinnquote bleibt der 1995 verstorbene Juan Manuel Fangio ungeschlagen: Der Argentinier hatte von seinen 51 gefahrenen Rennen 24 als Sieger beendet.
Niki Lauda holte Schumacher zu Ferrari
Pannen und Punkte
Schumachers fahrerische Qualitäten stehen außer Frage: Telemetrische Daten, die genauen Aufschluss über die Fahrweise eines Rennfahrers geben, zeigen, dass kaum ein Fahrer in diesen Jahren so dicht am Limit des Möglichen ist wie Michael Schumacher. Und kein Fahrer ist in der Lage, in diesem Grenzbereich ähnlich konstant zu agieren.
Doch maßgeblich beteiligt an Schumachers Erfolgen ist auch die Technik der Ferrari-Autos und vor allem die brillante Taktik des Teams, die allerdings nicht immer breiten Beifall findet.
In der Saison 2002 etwa fordert das Team beim Rennen im österreichischen Spielberg den in Führung liegenden anderen Ferrari-Piloten Rubens Barrichello auf, den an zweiter Position fahrenden Schumacher gewinnen zu lassen. Eine Entscheidung, die Schumacher zwar zusätzliche Punkte für die Weltmeisterschaft (WM) bringt, aber auch für viel Unmut sorgt.
Obwohl Schumacher der alles überragende Fahrer seiner Zeit ist, stehen manche seiner Fahrmanöver in der Kritik. So versucht er etwa 1997 den in der WM-Gesamtwertung unmittelbar hinter ihm liegenden Jacques Villeneuve von der Strecke zu drängen, um sich die Weltmeisterschaft zu sichern. Das Manöver misslingt, Schumacher landet selbst im Kiesbett und Villeneuve wird Weltmeister.
Auch Schumacher selbst wird Opfer von undurchsichtigen Attacken: Im Jahr 1998 kollidiert er in Spa mit dem Mercedes-Kontrahenten David Coulthard, der eigentlich schon überrundet ist und seinen Wagen, auf der Ideallinie fahrend, unmotiviert langsamer werden lässt.
Der überraschte Schumacher kracht in das Fahrzeugheck von David Coulthard, dessen Teamgefährte Mika Häkkinen von dem Unfall profitiert: Häkkinen wird Weltmeister. Nach diesem Vorfall wird Schumacher so wütend, dass ihn Teamkollegen vor Handgreiflichkeiten in der Boxengasse von Mercedes bewahren müssen.
Abgesehen von solchen Kollisionen bleibt Michael Schumachers Karriere weitgehend frei von Unfällen. 1999 versagen seine Bremsen und er rast mit 107 Kilometern pro Stunde in einen Reifenstapel. Schumacher hat Glück und bricht sich lediglich einen Unterschenkel.
Die meisten Punkte fährt Schumacher für Ferrari ein
Misslungenes Comeback
Auch nach dem vorläufigen Ende seiner Karriere im Jahr 2006 bleibt Schumacher ein herausragender Fahrer: Als Testpilot bei Ferrari legt er zum Teil schnellere Rundenzeiten vor als die Hauptfahrer selbst – und sogar im Kart hält Schumacher die Konkurrenz in Schach: Bei einem Rennen in Brasilien Ende 2007 düpiert er seine Kontrahenten in einem Kartrennen der Altstars.
Möglicherweise auch deshalb lässt ihn der Gedanke an eine Rückkehr in die Formel 1 nicht los. Als Ferrari-Fahrer Felipe Massa 2009 einen schweren Unfall hat und für den Rest der Saison ausfällt, soll Schumacher ihn bis Jahresende ersetzen. Doch aus dem Comeback wird nichts, weil Schumacher selbst noch mit den Folgen eines Motorradunfalls zu kämpfen hat.
In der nächsten Saison ist es dann aber so weit: "Schumi" kehrt zurück in die Königsklasse – im Cockpit eines deutschen Rennwagens. Von 2010 bis 2012 startet Schumacher für das "Team Mercedes GP" und arbeitet damit wieder mit einem alten Bekannten zusammen. Mercedes-Teamchef Ross Brawn war bei Ferrari als technischer Direktor nicht unerheblich an Schumachers früheren Erfolgen beteiligt. Doch die kehren nicht zurück. Schumacher fährt in diesen drei Jahren nur ein einziges Mal auf das Podest.
Bei Mercedes lief es nicht mehr so gut
Im Dezember 2013 dann der Schock: Michael Schumacher stürzt bei einem Skiunfall schwer und erleidet ein Schädel-Hirn-Trauma. Fast ein halbes Jahr lang liegt er im Koma. 2014 beginnt der langsame Prozess der Rehabilitation, der sich über eine lange Zeit hinzieht. Seitdem wird Michael Schumacher durch seine Familie und engsten Vertrauten von der Öffentlichkeit abgeschirmt.
(Erstveröffentlichung 2008. Letzte Aktualisierung 17.01.2023)
Quelle: WDR