Sterben
Sterbehilfe
Wenn ein Mensch unheilbar krank ist und große Schmerzen hat, kommt der Gedanke an Sterbehilfe auf. Sie ist in Deutschland verboten – dennoch gibt es Argumente dafür und dagegen.
Von Andrea Böhnke, Irina Fernandes
Unterschiedliche Arten von Sterbehilfe
Es gibt mehrere Arten der Sterbehilfe:
Bei der aktiven Sterbehilfe führt eine andere Person den Tod des Patienten herbei. Dabei greift der andere aktiv ein, indem er dem Kranken beispielsweise eine Überdosis eines Schmerz- oder Narkosemittels verabreicht. Diese andere Person handelt dabei zwar ausdrücklich nach dem Wunsch des Patienten, ist aber dennoch der Aktive bei dieser Art der Sterbehilfe.
Bei der indirekten Sterbehilfe geht es vor allem darum, die Schmerzen zu lindern. Dabei geht der Arzt das Risiko ein, dass der Patient möglicherweise schneller stirbt, weil er ihm starke Schmerzmittel verabreicht hat.
Wenn Ärzte oder andere Personen einem Patienten ermöglichen, sich durch von ihnen verschriebene oder zur Verfügung gestellte Maßnahmen selbst zu töten, spricht man von Beihilfe zum Suizid.
Bei der passiven Sterbehilfe wird darauf verzichtet, das Leben künstlich zu verlängern. Eine künstliche Ernährung, Bluttransfusion oder Beatmung werden also bewusst nicht verabreicht.
Die Rechtslage in Deutschland
In Deutschland regelt das Strafgesetzbuch ausschließlich die aktive Sterbehilfe. Diese ist strafbar, auch wenn der Patient ausdrücklich geäußert hat, dass er sterben möchte. Wer trotz des gesetzlichen Verbots aktiv beim Sterben hilft, begeht den Straftatbestand der "Tötung auf Verlangen".
Anders ist es bei der Beihilfe zum Suizid: Da eine Selbsttötung straffrei ist, ist auch die Beihilfe dazu theoretisch nicht strafbar. Zwischen 2015 und 2020 war die geschäftsmäßige Suizidbeihilfe gesetzlich verboten; das Bundesverfassungsgericht hob das Verbot aber im Februar 2020 auf, weil es verfassungswidrig war.
Bereits 2009 trat ein Gesetz in Kraft, das den Umgang mit der sogenannten Patientenverfügung regelt. In ihr können Menschen für den Fall vorsorgen, dass sie einmal nicht mehr selbst Entscheidungen treffen können, etwa wenn sie im Koma liegen: In der Patientenverfügung legen sie fest, welche medizinischen Eingriffe sie wünschen und welche nicht. Demnach müssen sich Ärzte und Angehörige an den Willen des Patienten halten, selbst wenn die Krankheit nicht unbedingt zum Tod führt.
Patientenverfügungen müssen schriftlich verfasst sein oder in einer ähnlich eindeutigen Art der Aufzeichnung vorliegen – wie beispielsweise als Video. Allerdings kann man in einer Patientenverfügung nicht einfordern, dass einem jemand beim Suizid hilft; dies bleibt weiterhin strafbar.
Patientenverfügungen müssen respektiert werden
Umfrage zeigt: Viele sind für die aktive Sterbehilfe
Während die Politiker in Deutschland seit Jahren über die aktive Sterbehilfe diskutieren, scheint sich die Bevölkerung bei diesem Thema relativ einig zu sein – zumindest, wenn man nach dem Ergebnis einer Forsa-Umfrage von 2014 geht.
Auf die Frage "Im Falle schwerster Krankheit, möchten Sie selbst die Möglichkeit haben, auf aktive Sterbehilfe zurückzugreifen?" antworteten 70 Prozent der Befragten mit Ja. Für die Studie, die von der Krankenkasse DAK-Gesundheit in Auftrag gegeben wurde, befragten die Forsa-Forscher 1005 Menschen im Alter ab 14 Jahren.
Sterbehilfe in anderen Ländern
In den Niederlanden sind, anders als in Deutschland, sämtliche Arten der Sterbehilfe straffrei. Der Arzt muss jedoch Vorgaben erfüllen. Er muss etwa zu dem Schluss kommen, dass der Patient aus eigenem Antrieb und nach reiflicher Überlegung sterben möchte.
Zudem muss der Arzt definitiv feststellen, dass der Sterbewillige keine Aussicht auf Besserung seines Zustandes hat und dass er seine Leiden kaum erträgt. Fällt dann die gemeinsame Entscheidung, dass Sterbehilfe eingeleitet geleistet werden soll, muss ein zweiter Arzt zustimmen. Ähnliche Regelungen gelten in den benachbarten Ländern Belgien und Luxemburg.
In der Schweiz ist die aktive Sterbehilfe strafbar, die anderen drei Formen hingegen – also die indirekte und die passive Sterbehilfe sowie der assistierte Suizid – sind erlaubt. Der Schweizer Berufsverband der Ärzte sieht einerseits die Beihilfe zur Selbsttötung nicht als Aufgabengebiet eines Mediziners an, andererseits soll ihm zufolge der Mediziner den Willen des Patienten respektieren. Deshalb wird in der Schweiz der assistierte Suizid toleriert.
Schweizer Organisationen wie "Dignitas" vermitteln Patienten auf Wunsch an Ärzte in der Schweiz, die bereit sind, zum Tode führende Medikamente zu verschreiben.
In Österreich sieht die rechtliche Lage ähnlich aus wie in Deutschland: Die passive und die indirekte Sterbehilfe sind erlaubt, sofern sie den Wunsch des Sterbenden widerspiegeln. Auch in Österreich können Patientenverfügungen verfasst werden, deren Erklärungen bindend sind.
Allerdings ist auch dort die aktive Sterbehilfe strafbar – und anders als in Deutschland ist die Beihilfe zum Suizid eindeutig nicht erlaubt, sie wird wie die aktive Sterbehilfe bestraft.
In den USA hingegen gibt es keine einheitliche Regelung zur Sterbehilfe. Die einzelnen Bundesstaaten sind selbst verantwortlich für die entsprechenden Gesetze. In keinem Staat ist aktive Sterbehilfe erlaubt, nur wenige Staaten tolerieren die Beihilfe zum Suizid.
Pro und Contra
Befürworter und Gegner der Sterbehilfe beharren auf ihren Argumenten. Die Gegner führen an, dass es nicht rechtens sei, über Leben und Tod zu entscheiden. Außerdem verbiete der Hippokratische Eid den Ärzten, Sterbehilfe zu leisten.
Ein Argument gegen Sterbehilfe, das immer wieder genannt wird: Die Schmerztherapie sei mittlerweile sehr wirkungsvoll, sodass der Patient bis zum natürlichen Lebensende nicht leiden müsse. Zudem sei das Netz an Hospizdiensten so dicht, dass das Sterben menschenwürdig gestaltet werden könne.
Die Befürworter hingegen sind der Meinung, dass jeder Mensch das Recht haben sollte, über seinen eigenen Todeszeitpunkt und die Todesart selbst zu entscheiden.
Darüber hinaus würde eine klare rechtliche Regelung, die die Sterbehilfe erlaube, eine verlässliche Grundlage für Mediziner bilden. Sie könnten dann die entsprechenden Medikamente auf jeden Fall straffrei verschreiben. Damit würde das Leiden von unheilbar Kranken verkürzt werden, so das Argument der Befürworter.
Aktive Sterbehilfe bei Kindern?
Sollen auch unheilbar kranke Kinder selbst entscheiden können, ob sie ihrem Leben ein Ende setzen wollen oder nicht?
Kritiker meinen, Minderjährige besäßen noch nicht die geistige Reife, um solch eine folgenschwere Entscheidung zu treffen. Zudem könnten sie sich genötigt fühlen, diesen Schritt zu gehen, um ihren Eltern nicht weiter zur Last fallen zu wollen.
Anstelle legaler Sterbehilfe fordern Kritiker, mehr und bessere Betreuungsangebote für sterbenskranke Kinder und ihre Familien zu schaffen.
Befürworter halten dagegen, dass die jungen Patienten oft einen langen Leidensweg hinter sich hätten. Wenn zahlreiche Therapien keine Wirkung gezeigt hätten, sei der Tod für viele eine Erlösung. Zudem seien die betroffenen Kinder meist weiter entwickelt als andere Jungen und Mädchen in ihrem Alter und daher in der Lage, diese Entscheidung selbst zu treffen.
In den Niederlanden ist Sterbehilfe für Kinder ab zwölf Jahren möglich. In Belgien trat 2014 ein Gesetz in Kraft, das die aktive Sterbehilfe bei unheilbar kranken Kindern erlaubt – ohne Altersbeschränkung. Allerdings nur in bestimmten Fällen: etwa wenn die Kinder unter starken Schmerzen leiden und es keine Medikamente gibt, die ihnen helfen könnten.
Zudem müssen Ärzte und Eltern den Sterbewunsch der Kinder unterstützen. In Deutschland ist ein vergleichbares Gesetz zurzeit nicht in Sicht.
Kindersterbehilfe: In Belgien und den Niederlanden erlaubt
(Erstveröffentlichung: 2013. Letzte Aktualisierung: 10.03.2023)
Quelle: WDR