Immer ein offenes Auge
Im Jahre 1840 kam der im schottischen Glasgow geborene Allan Pinkerton in die USA. Der Sohn eines Polizisten war damals 21 Jahre alt und einer von unzähligen Einwanderern, die Europa den Rücken gekehrt hatten, um in der "Neuen Welt" ihr Glück zu versuchen. Pinkerton ließ sich in der aufstrebenden Millionen-Metropole Chicago nieder und fand einen Job als Hilfssheriff.
Hier in der zweitgrößten Stadt der USA, am Ufer des Michigansees, gründete er 1852 ein Privatdetektivbüro, das er "Pinkerton’s National Detective Agency" nannte. Sein Firmenlogo war ein offenes Auge, unter dem das Leitmotiv der Agentur zu lesen war: "We never sleep" – "Wir schlafen nie".
Dieses offene und stets wachsame Auge wurde später so bekannt, dass man bis heute in der amerikanischen Umgangssprache den Begriff "Private Eye" als Bezeichnung für einen Privatdetektiv verwendet.
Chicago – Hochburg der Detektive
Gegen Eisenbahnräuber und Geldfälscher
Der Ruhm Pinkertons kam nicht von ungefähr. In der aufkeimenden Industrialisierung lag seine große Chance: Als vor allem in den nördlichen Bundesstaaten der USA die Industrie immer mehr an Bedeutung gewann, mussten neue Verkehrswege erschlossen werden, um Güter, Produkte und Menschen schnell und zuverlässig transportieren zu können.
Eisenbahnlinien wurden aus dem Boden gestampft, sie wurden zu wichtigen Bindegliedern zwischen weit voneinander entfernten Städten. Doch diese neuen Verkehrsadern gerieten in das Visier von Verbrechern: Die Züge wurden oft überfallen, die Fahrgäste ausgeraubt. Dadurch entstand ein hoher wirtschaftlicher Schaden und eine große Verunsicherung in Gesellschaft und Wirtschaft.
Pinkerton sah die passende Gelegenheit für sein Detektivbüro gekommen: Er spezialisierte sich und seine Leute darauf, als bewaffnete Zugbegleiter Überfälle und Diebstähle zu verhindern. Seine Auftraggeber waren die reichen Eisenbahngesellschaften, die hohe Summen zahlten, um ihre Strecken sicher zu halten.
Berühmt wurden Pinkerton und seine Detektive aber auch, als sie einer großen Bande von Geldfälschern das Handwerk legten.
Eisenbahnüberfälle waren damals an der Tagesordnung
Im Auftrag des Präsidenten
1860 wurde Abraham Lincoln zum 16. Präsidenten der USA gewählt. Der Jurist aus einer bäuerlichen Quäkerfamilie setzte sich während seiner Amtszeit ab 1861 vehement für die Abschaffung der Sklaverei in den Vereinigten Staaten ein.
Diese politisch und humanistisch begründete Forderung stieß aber vor allem in den ärmeren Südstaaten auf große Ablehnung. Die Farmer dort glaubten auf die billige Arbeitskraft der Sklaven angewiesen zu sein und sahen ihre Existenz gefährdet. Der Präsident wurde wegen seiner Politik nicht nur wüst beschimpft, er erhielt auch offene Morddrohungen.
Da man um das Leben Lincolns fürchten musste, beauftragte man Pinkertons Agentur mit dem Schutz des Staatsoberhauptes. Der gute Ruf der Detektivagentur war längst bis in die Hauptstadt Washington und ins Weiße Haus vorgedrungen.
Pinkertons (links) berühmtester Kunde: Präsident Lincoln (Mitte)
Pinkerton und seine Leute arbeiteten gründlich und konnten schon bald ein Mordkomplott gegen Abraham Lincoln aufdecken. Noch im selben Jahr begann 1861 der Amerikanische Bürgerkrieg zwischen den Nord- und den Südstaaten, der auf beiden Seiten hohe Verluste fordern und bis 1865 dauern sollte.
Pinkerton wurde von der Regierung der Nordstaaten damit beauftragt, einen Geheimdienst aufzubauen, um die militärische Führung mit Informationen über den Feind zu versorgen. Er trug damit nicht unwesentlich zum Sieg der Nordstaaten über die Südstaaten bei. Die drohende Spaltung der Union durch den Sezessionskrieg war damit abgewendet.
Nur wenige Tage nach Ende des Krieges und kurz nach seiner Wiederwahl zum US-Präsidenten wurde Abraham Lincoln am 14. April 1865 vom fanatischen Südstaatler Simon Booth während eines Theaterbesuchs erschossen. Die Sicherheitsmaßnahmen für den Präsidenten waren unvorsichtigerweise gelockert worden.
Pinkerton (links) bespricht sich 1862 mit seinen Leuten
Jagd auf Jesse James und Co
Durch die Verdienste im US-Bürgerkrieg war der Aufstieg der Detektiv-Agentur Pinkerton nicht mehr zu bremsen. Pinkertons Leute waren zu einer inoffiziellen nationalen Bundespolizei geworden, die in allen Bundesstaaten tätig war. Sie wurden damit beauftragt, die ganz großen Schurken, Mörder und Banditen zu jagen, aufzuspüren und dingfest zu machen.
Der berüchtigte Jesse James stand ebenso auf Pinkertons Fahndungsliste wie die gefürchteten Reno Brothers oder der sogenannte "Wild Bunch", der wilde Haufen um die Verbrecher Butch Cassidy und Sundance Kid.
Pinkertons Detektive hatten eine goldfarbene Plakette, die sie stolz unter ihrer Jacke auf der Weste trugen. Der Status dieser Plakette war dem Stern eines Bundessheriffs ebenbürtig. Sie verlieh Pinkertons Leuten große Autorität und berechtigte sie, Durchsuchungen und Verhaftungen vorzunehmen.
Butch Cassidy und seine Räubergruppe
Der gute Ruf leidet
Nach dem Tod des Firmengründers Allan Pinkerton 1884 übernahmen seine beide Söhne Robert und William die Detektivagentur. Als es im Jahre 1892 in Pittsburgh zu einer großen Streikwelle in der dort ansässigen Eisenindustrie kam, wurde die Agentur Pinkerton von den Unternehmern beauftragt, den Streik mit allen Mitteln zu beenden.
Es kam zu einer regelrechten Schlacht zwischen den Detektiven und den Arbeitern, die einen Tag lang dauerte. Neun Arbeiter und sieben Pinkerton-Detektive wurden getötet. Ein schwarzer Tag für die Agentur, deren guter Ruf durch den erbarmungslosen Kampf gegen die Arbeiter vor allem bei den einfachen Menschen großen Schaden nahm.
1999 wurde die legendäre Detektei von dem weltweit agierenden Sicherheitsunternehmen "Securitas AB" übernommen. Der 1934 in Schweden gegründete Konzern beruft sich seitdem auf die lange Tradition, die Mitte des 19. Jahrhunderts durch Allan Pinkerton begründet wurde.
"Securitas AB" übernahm 1999 die Detektei Pinkerton
(Erstveröffentlichung 2010. Letzte Aktualisierung 04.02.2020)
Quelle: WDR