Gericht
Schöffen
Schöffen sitzen in Strafverfahren mit auf der Richterbank und ihr Urteil zählt so viel wie das eines Berufsrichters. Dabei sind sie keine Juristen, sondern Laien.
Von Martina Frietsch
Der Schöffe – das unbekannte Wesen?
Mehr als 60.000 Schöffen gibt es in Deutschland und sie üben eine wichtige Funktion aus. An deutschen Gerichten kommen sie bei Strafverfahren in Amts- und Landgerichten zum Einsatz.
Zwar gibt es auch an anderen Gerichten Laienrichter, diese werden allerdings nicht Schöffen genannt – Wahl und Umfang der Beteiligung sind je nach Gerichtszweig verschieden.
Schöffen sind Laienrichter – und sie sind Ehrenamtliche. Auf fünf Jahre gewählt, haben sie nicht nur die Ehre, über Angeklagte zu Gericht zu sitzen, sie sind auch verpflichtet, ihr Amt wahrzunehmen. Mit etwa zwölf Hauptverhandlungen pro Jahr muss jeder rechnen. In dieser Zeit müssen Schöffen vom Arbeitgeber übrigens freigestellt werden.
Schöffen in der Hauptverhandlung
Zwei Schöffen und ein Berufsrichter: So sieht die Besetzung des Schöffengerichts am Amtsgericht oder die kleine Strafkammer des Landgerichts aus. Bei den großen Strafkammern an den Landgerichten sind es zwei Schöffen und drei Berufsrichter. Jede Stimme hat gleich viel Gewicht, was im Zweifelsfall dazu führen kann, dass die Laienrichter den Berufsrichter überstimmen.
In der Verhandlung dürfen die Schöffen Angeklagte, Zeugen und Sachverständige befragen, sie haben Akteneinsicht und nehmen an Beratungen sowie Abstimmungen während der Verhandlung teil. Sie entscheiden mit, wenn es beispielsweise um Beweisanträge, Ausschluss der Öffentlichkeit oder Haftbefehle geht.
Und schließlich das Urteil: Gemeinsam mit dem Berufsrichter beurteilen sie die Tat des Angeklagten und setzen die Strafe fest.
Sinn des Schöffengerichts
Schöffen haben keine juristische Ausbildung, sie brauchen auch keine besondere Gesetzeskenntnis. Und doch sind sie den Berufsrichtern gleichgestellt. Sie sind unabhängig, unterliegen natürlich der Schweigepflicht und müssen unparteiisch sein.
Wer sich beispielsweise bestechen lässt, dem passiert das Gleiche wie jedem anderen Richter auch: Er landet selbst vor Gericht.
Doch warum muss der eine Richter eine lange Ausbildung machen und der andere nicht? Sinn und Zweck des Einsatzes von Laienrichtern ist es unter anderem, für Verständlichkeit von Verfahren und Urteil zu sorgen. Sie vertreten mit ihrer Anwesenheit und ihren Entscheidungen das Volk, in dessen Namen das Urteil schließlich verkündet wird.
Und ebenso wie das Volk oder der Angeklagte kennen sich die Schöffen mit juristischem Kauderwelsch meist nicht aus.
Schöffen sorgen aber auch für die Transparenz gerichtlicher Entscheidungen – denn bei den meisten Verhandlungen ist zwar die Öffentlichkeit zugelassen, aber wer weiß schon, was sich im Richterzimmer und bei der Urteilsfindung abspielt?
Wie wird man Schöffe?
Grundsätzlich kann jeder Deutsche zwischen 25 und 69 Jahren Schöffe werden. Einige Voraussetzungen müssen allerdings erfüllt sein: Schöffen müssen gesundheitlich geeignet sein, sie dürfen nicht juristisch ausgebildet sein, nicht insolvent, sie dürfen nicht wegen einer Straftat verurteilt sein und durch einen Richterspruch die Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter verloren haben.
Dies gilt auch für Ermittlungsverfahren, die noch gegen den Bewerber laufen. Soweit die wichtigsten offiziellen Kriterien, wie sie im Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) nachzulesen sind.
Weitere Fähigkeiten, die ein angehender Schöffe haben sollte, so der "Bundesverband ehrenamtlicher Richterinnen und Richter" (DVS): soziales Verständnis, Menschenkenntnis, logisches Denkvermögen, Intuition, Vorurteilsfreiheit, Mut zum Richten über Menschen, Verantwortungsbewusstsein.
Wer sich für das Amt am Jugendschöffengericht interessiert, sollte außerdem Erfahrung in der Jugenderziehung haben.
Jeder kann sich selbst als Schöffe bewerben, sich auf die Vorschlagsliste setzen lassen oder vorgeschlagen werden. Die Vorschlagslisten liegen bei den Gemeindeverwaltungen öffentlich aus. Hilfreich ist auch ein Online-Formular des DVS, das man für die Bewerbung benutzen kann.
Gewählt werden
- Hauptschöffen, die dann die nächsten fünf Jahre bei Gericht tätig sind;
- Ergänzungsschöffen, die bei großen Prozessen sozusagen als "Zweitbesetzung" anwesend sein müssen, um bei Ausfall eines Schöffen einspringen zu können;
- und Hilfsschöffen (die "Ersatzbank"), die herangezogen werden, wenn ein Hauptschöffe nicht teilnehmen kann.
"Fit fürs Schöffenamt"
Die Kampagne "Fit fürs Schöffenamt" von Volkshochschulen, Laienrichter-Verbänden und dem Bundesjustizministerium versucht seit Jahren, mehr Leute für das Amt des Schöffen zu interessieren. Es gibt daher bundesweit bei vielen Volkshochschulen Veranstaltungen zur Fortbildung von Schöffen und für alle, die sich zunächst informieren wollen.
Geschworenengerichte
Besser bekannt als die Schöffen sind vielen Deutschen die Geschworenen an US-Gerichten. Ursache dafür sind wohl Kinofilme wie "Die zwölf Geschworenen" mit Henry Fonda sowie Sensationsprozesse, die zu Medienspektakeln werden, beispielsweise der Mordprozess gegen Footballstar O. J. Simpson oder der Prozess wegen Kindesmissbrauchs gegen Popstar Michael Jackson.
Eine US-Jury besteht aus zwölf Geschworenen, die von Staatsanwaltschaft und Verteidigung ausgewählt werden. Geschworener kann in den USA grundsätzlich jeder werden. Der Richter leitet die Verhandlung, befragt aber keine Zeugen und ist auch nicht am Urteil selbst beteiligt.
Über "schuldig" oder "nicht schuldig" entscheiden allein und einstimmig die Geschworenen.
Geschworenengerichte gab es, in ähnlicher Form, bis 1924 auch in Deutschland. Und bis heute nennt man bei besonders schweren Verbrechen die Strafkammer des Landgerichts "Schwurgericht".
Schwurgerichte gibt es bis heute in Deutschland
Quelle: SWR | Stand: 31.03.2020, 11:59 Uhr