Grüne Wirtschaft
Nachhaltig wirtschaften – so geht's!
Die "Grüne Wirtschaft" (Green Economy) findet inzwischen viele Anhänger – auch in der nationalen und internationalen Politik. Aber was bedeutet "Grüne Wirtschaft" eigentlich? Und wie unterscheidet sie sich von der Wirtschaft, die wir kennen?
Von Beate Krol
Die herkömmliche Wirtschaft als Auslaufmodell
Was wären die Menschen ohne die Wirtschaft? Fast alle Produkte und Dienstleistungen würden fehlen. Es gäbe kaum Baustoffe, keine Wärme, kein Licht.
Trotzdem hat die Wirtschaft, wie wir sie kennen, auch ihre Schattenseiten. Indem sie ihre Waren und Dienstleistungen produziert, schädigt sie oft die Umwelt und das Klima. Auch mit den Arbeitnehmer- und Menschenrechten nimmt sie es vielfach nicht so genau.
Die EU will bis 2050 die Netto-Emissionen von Treibhausgasen auf null reduzieren
Mit der "Grünen Wirtschaft" (Green Economy) soll sich das ändern. Die nachhaltige Wirtschaft will die positiven Seiten der herkömmlichen Wirtschaft bewahren und gleichzeitig die negativen Folgen verringern.
Wie das funktionieren kann, beschäftigt die Staaten schon länger. Bereits 2012 hat sich die internationale Staatengemeinschaft auf dem UN-Nachhaltigkeitsgipfel Rio+20 zur Grünen Wirtschaft bekannt. Mit dem Pariser Klimaschutzabkommen von 2015 und dem "European Green Deal" vom Dezember 2019 hat der Prozess weiter Fahrt aufgenommen.
Pakt für die Green Economy: 191 Staaten einigten sich auf dem UN-Gipfel 2012 in Rio auf eine nachhaltige Wirtschaft
Green Economy kommt nicht von allein
Allerdings lassen die großen Erfolge noch auf sich warten. Das liegt auch daran, dass der Umbau der herkömmlichen Wirtschaft zu einer Green Economy umfassend ist und manche Probleme nur schwer und mit viel Geld zu lösen sind.
So müssen die Unternehmen weg von fossilen Energieträgern, hin zu regenerativen Energiequellen. Das gelingt allerdings nur, wenn die Staaten den Ausbau der Erneuerbaren massiv beschleunigen. Außerdem müssen sie die Wasserstofftechnologie voranbringen, die besonders für den Transportsektor und die energieaufwändige Grundstoffindustrie wichtig ist, die unter anderem Stahl, Zement, Chemie und Aluminium produziert.
Damit Wirtschaft grün wird, muss sie auf erneuerbare Energien umsteigen und Rohstoffe recyceln
Die Grundstoffindustrie braucht zudem Geld, um die Produktion auf neue Verfahren umzustellen. Die dabei entstehenden Kosten sind laut Experten so gewaltig, dass die Unternehmen es aus eigener Kraft kaum schaffen können. Gleichzeitig müssen in einer Green Economy alle Unternehmen sorgsam mit der Energie umgehen.
Das gilt auch für die meisten Rohstoffe. Neben vielem anderen ist die Green Economy daher auch eine globale Kreislaufwirtschaft mit gut funktionierenden Recyclingsystemen und einem hohen Anteil wiederverwertbarer Materialien.
Auch die Umwelt hat Rechte
Bei der Gewinnung der Rohstoffe muss sich ebenfalls vieles ändern. Die herkömmliche Wirtschaft verfährt oft nach dem Motto "Wo gehobelt wird, fallen Späne". Überall auf der Welt sind gigantische Flächen für Braunkohle abgebaggert worden, beim Auswaschen von Edelmetallen kommen hochgiftige Chemikalien zum Einsatz und Bergbau-Unternehmen sprengen in den USA ganze Bergkuppen ab.
Traurige Berühmtheit erlangte auch das an Gas und Öl reiche Nigerdelta. Durch mangelnde Sicherheitsvorkehrungen bei der Öl- und Gasförderung, ungebremstes Abfackeln und leckgeschlagene Pipelines verwandelte sich das einst artenreiche Naturparadies in eine gigantische schillernde Öllache.
Gegen die Wirtschaft haben Tiere selten eine Chance. Das soll sich mit Green Economy ändern
Die Grüne Wirtschaft hingegen räumt auch der Natur und den Tieren eigene Rechte ein, die zu respektieren und – im Idealfall – international unter Strafe stehen. Das heißt unter anderem, dass beim Abbau von Bodenschätzen höchste Schutzstandards gelten und genutzte Flächen renaturiert werden müssen.
Ebenso braucht es Ausgleichsflächen und ausreichend Schutzgebiete sowie strenge Tierschutzstandards und Fangquoten, die garantieren, dass sich eine Art so vermehren kann, dass ihr Bestand gesichert bleibt.
Nachhaltigkeit über Profit
Häufig gehen die Umweltvergehen von Unternehmen zudem mit Verstößen gegen Arbeitnehmer- und Menschenrechte einher. Auch hier steht mit der Grünen Wirtschaft ein Paradigmenwechsel an.
Sie sieht nicht nur für die Menschen im reichen Norden, sondern für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer geregelte Arbeitszeiten mit Urlaub und freien Tagen vor. Dazu kommen Löhne, von denen die Menschen leben können, ein sicherer und gesunder Arbeitsplatz sowie die Möglichkeit, sich gewerkschaftlich zu organisieren.
Diese Fabrik in Bangladesch produziert für Firmen, die sich dem Textilbündnis angeschlossen haben
Außerdem müssen die Unternehmen auf dem Weg in die Grüne Wirtschaft noch das Wachstums-Diktat in Frage stellen: Wer wirklich nachhaltig sein will, kann nicht immer mehr Konsumgüter in immer kürzeren Zyklen produzieren. Auch dann nicht, wenn der Rest grün ist.
Schon jetzt sind die Ozeane überfischt. Auch fruchtbare Ackerflächen sowie bestimmte Metalle, Salze und Sedimente werden immer knapper. Das heißt, dass in der Grünen Wirtschaft auch die Verbraucher Verantwortung übernehmen müssen. Sie müssen langlebige Produkte einfordern, sie gut pflegen und zum Reparieren geben.
Und sie müssen höhere Preise akzeptieren, denn eines ist sicher: Zum Nulltarif ist eine Grüne Wirtschaft nicht zu haben.
UNSERE QUELLEN
- Recherchegespräche mit Prof. Stefan Lechtenböhmer und Dr. Sascha Samadi, Wuppertal Institut
- Recherchegespräch mit Katrin Ganswindt, urgewald e.V.
- Bundesministerium für Bildung und Forschung: "Green Economy – Gesellschaftlicher Wandel"
- UNO Environment Programme: "Green Economy" (Englisch)
- Erhard Eppler, Nico Paech: "Was Sie da vorhaben, wäre ja eine Revolution… Ein Streitgespräch über Wachstum, Politik und eine Ethik des Genug". oekom Verlag, 2016
- Wolfgang Kaleck, Miriam Saage-Maaß: Unternehmen vor Gericht. Globale Kämpfe für Menschenrechte, Verlag Klaus Wagenbach, 2016
Quelle: SWR | Stand: 14.12.2020, 13:56 Uhr