Die ersten Kanarienvögel im Harz
"Rurrrurrru" oder "rürrrürrrü" – das rollende "R" verlieh dem Harzer Roller seinen Namen. Das Lied dieses Vogels besteht aus vier Strophen, die auch "Touren" genannt werden: aus Hohlrolle, Knorre, Pfeife und Hohlklingel.
Solche und ähnliche Details erfährt man im Harzer Roller-Kanarien-Museum in Sankt Andreasberg. Denn Sankt Andreasberg war einst das Zentrum der Kanarienzucht im Harz.
Tiroler Bergleute brachten um 1740 die damals sehr wertvollen Vögel in den Harz. Anfang des 19. Jahrhunderts begannen die Einwohner von Sankt Andreasberg mit der Zucht und brachten den Kanarienvögeln das Singen bei.
In den Gruben sollen sie auch als Sauerstoffanzeiger gedient haben, denn auf Sauerstoffmangel reagieren sie nicht nur wesentlich sensibler und frühzeitiger als der Mensch, sondern auch als viele andere Tiere wie Finken, Tauben oder Mäuse: Stieg der Kohlenmonoxidgehalt unter Tage an, schnappten die Tiere zunächst geräuschvoll nach Luft und signalisierten damit Gefahr. Nach spätestens drei Minuten war der Vogel allerdings tot.
Andernorts heißt es, dazu seien die Kanarienvögel zu wertvoll gewesen – die Bergarbeiter hätten zu diesem Zweck gefangene Wildvögel genutzt. Die Hähne waren tatsächlich zu wertvoll. Der Verkauf brachte den Bergleuten das bis zu 15-fache eines Tageslohns ein.
Da die Hennen jedoch nicht singen, waren sie weitaus günstiger zu haben. Die Hennen, die nicht zur Zucht benötigt wurden, wanderten als Warneinrichtung in den Bergbau.
Kanarienvögel als Sauerstoffanzeiger in den Gruben
Vogelzucht als Nebenerwerb
Die Vögel sicherten so auf mehrere Arten die Existenz der Bergleute: Zucht und Verkauf wurde ebenso wie der Bau von Käfigen zu einem wichtigen Nebenerwerb der Harzer. Besonders in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts boomte das Geschäft mit den Vögeln.
Mehr als 350 Familien in Sankt Andreasberg züchteten die kleinen gelben Sänger. Hunderttausende von Kanarienhähnen wurden von hier bis nach Südafrika, Südamerika, Australien und vor allem in die USA exportiert.
Nur noch für Liebhaber
1890 wurde der "Verband deutscher Kanarienzüchter" gegründet, 1909 entstand ein einheitliches Prämierungssystem für die Bewertung der Vögel. Doch von nun an war die Kanarienzucht im Harz stark rückläufig.
Der Erste Weltkrieg bedeutete das Aus für das einst so blühende Gewerbe. Heute züchten in Sankt Andreasberg nur noch einige Liebhaber Kanarienvögel. 2001 wurde hier das "Harzer Roller-Kanarien-Museum" eröffnet. Und dieses Museum zeigt alles rund um den einstigen Exportschlager "Harzer Roller".
Das Kanarienvogelmuseum in Sankt Andreasberg
Quelle: SWR/WDR | Stand: 29.04.2020, 12:22 Uhr