Elvis als Wegbereiter
Dass es vier Halbstarke aus Liverpool einmal zu weltweitem Ruhm bringen würden, hätte im England der 1950er-Jahre kaum jemand für möglich gehalten. Nordengland ist damals für die Musikfirmen aus London tiefste Provinz, und im späteren Liverpooler Stammclub der Beatles, dem Cavern, wird zu dieser Zeit noch gepflegter Jazz gespielt.
Pop-Songs wiederum – die Schlager von Bing Crosby oder Frank Sinatra – kommen fast ausschließlich aus Amerika und sind seichte Produkte der Unterhaltungsindustrie.
Bis Elvis Presley seine ersten Erfolge feiert. Er ist jung, gut aussehend und unverhohlen sexy; seine Songs sind aggressiver, seine Texte näher an der Wirklichkeit. Vor Elvis habe ihn alles kalt gelassen, wird John Lennon später einmal sagen.
John Lennon als Jugendlicher mit Elvis-Tolle
Anfangsjahre: von Liverpool nach Hamburg
John Lennon ist der rebellischste der Beatles – ein notorischer Schulschwänzer, der fast täglich in Prügeleien verwickelt ist. Paul McCartney lernt er auf dem Sommerfest einer Kirchengemeinde kennen. John, gerade einmal 16, tritt dort mit seiner Band "The Quarrymen" auf, benannt nach seiner Schule, der Quarry Bank High School.
Dieser legendäre 6. Juli 1957 wird von vielen als Gründungsdatum der Beatles angesehen, denn John und Paul entwickeln sich zur treibenden musikalischen Kraft der Gruppe. Bis in deren Spätphase hinein schreiben sie fast alle Songs zu zweit. Sie sind Freunde, Rivalen – oder beides zugleich.
George Harrison wird Anfang 1958 in die Band aufgenommen und bringt es schnell zum Lead-Gitarristen. Liverpool ist damals voll von jungen, aufstrebenden Bands. An der neuen Musik entzündet sich eine ganze Jugend- und Protestkultur, und den rotzigen Underdogs um John und Paul nimmt man die Rebellenpose auch tatsächlich ab: Sie sind laut, wild und unverbraucht.
Im August 1960 werden sie zu ihrem ersten Auslandsengagement verpflichtet. Im Hamburger Rotlichtviertel St. Pauli treten sie im Indra und im Kaiserkeller auf, bei späteren Gastspielen auch im legendären Star-Club.
Am Schlagzeug sitzt damals Pete Best. Er wird erst Ende 1962, kurz vor dem Durchbruch der Beatles, gegen Ringo Starr ausgetauscht. Stu Sutcliffe spielt bis November 1960 den Bass, dann steigt er aus, um Kunst zu studieren; ab 1961 übernimmt Paul den Bass.
Erst Profis, dann Stars
In Hamburg werden die Beatles erwachsen. Abend für Abend müssen sie lernen, wie man ein Publikum über mehrere Stunden hinweg bei der Stange hält.
Zurück in Liverpool wird der Schallplattenhändler Brian Epstein auf sie aufmerksam. Er kommt aus einer guten Familie und ist fasziniert von ihrer Ausstrahlung und musikalischen Kraft, gleichzeitig aber abgestoßen von ihren schlechten Manieren.
Epstein wird ihr Manager: Er steckt sie in schwarze Anzüge und dringt auf Disziplin und gutes Benehmen. Ohne ihn wäre der weltweite Erfolg wohl ausgeblieben.
Bald gelingt es Epstein, seine Gruppe bei der Plattenfirma Parlophone und dem Produzenten George Martin unterzubringen. Ihre erste Single "Love Me Do" erscheint am 5. Oktober 1962 und landet auf Platz 17 der englischen Charts; die zweite Single "Please Please Me", veröffentlicht Anfang 1963, klettert bis auf Platz 2.
Die Beatles haben nun einen Manager, einen Produzenten und einen Achtungserfolg. Doch erst mit ihren Tourneen im Frühjahr 1963 bricht die sogenannte Beatlemania aus – jene weltweite euphorische Hysterie, die angeblich so schnell um sich greift wie eine ansteckende Krankheit und die die Beatles von allen Bands vor ihnen unterscheiden wird.
Meisterleistung des Marketings?
Denn wo auch immer die Beatles auftauchen, werden sie bereits von hysterisch kreischenden Fans erwartet. Die werfen sich ihren Idolen zu Füßen und folgen ihnen auf Schritt und Tritt.
In den kommenden drei Jahren werden die Beatles zwar durch halb Europa, die USA, Australien und Asien touren; außer für ihre Konzerte werden sie dabei jedoch kaum jemals ihr Hotel verlassen.
Was ist das Geheimnis dieses globalen Siegeszugs? Viele meinen, der Erfolg liege vor allem im Naturell der Beatles selbst begründet – in ihrer ansteckenden, nie aufgesetzt wirkenden Fröhlichkeit.
Nicht zu unterschätzen ist aber auch, dass Management und Plattenfirma ihr Produkt extrem geschickt vermarkten. Die Beatles veröffentlichen nicht nur Singles und LPs, sondern betreiben auch einen Fanclub, treten in Fernsehshows auf und drehen Filme.
1964 kommt die Musikkomödie "A Hard Day's Night" in die Kinos, zu der zeitgleich das entsprechende Album erscheint; 1965 entsteht "Help!", später dann der Zeichentrickfilm "Yellow Submarine".
Für das 1965 erscheinende Album "Rubber Soul" produzieren sie erstmals mehrere Kurzfilme, die sie kostenlos an Fernsehstationen verteilen – der Videoclip ist geboren.
Der Ohnmacht nahe: Fans bei einem Beatles-Konzert
Erleuchtung in Indien, Basteln im Studio
1966 ist die Band die anstrengenden Tourneen allmählich leid; im Sommer beschließen sie, keine Konzerte mehr zu geben. Ohnehin entwickeln sich ihre Songs seit der im August veröffentlichten LP "Revolver" zunehmend zu komplexen Klangkompositionen, die sich live kaum noch nachspielen lassen.
In der Folge entstehen Meilensteine der Pop-Geschichte, wie die LP "Sgt. Pepper's Lonely Hearts Club Band", eines der ersten Konzeptalben. Die Aufnahmen dafür ziehen sich über fünf Monate hin und beschäftigen zeitweilig sogar ein ganzes Orchester.
Seit 1964 experimentieren die Beatles zudem mit Drogen wie Marihuana und LSD. 1967 beginnen sie, sich für fernöstliche Weisheiten und Meditation zu interessieren; im darauf folgenden Jahr verbringen sie mehrere Wochen in Indien bei dem Guru Maharishi Mahesh Yogi.
Obwohl sie nach außen hin noch immer als Gruppe auftreten – alle vier tauschen ihre dunklen Anzüge gegen buntere Kleidung und lassen sich einen Bart stehen –, entwickeln sie sich zunehmend in unterschiedliche Richtungen.
Der Tod ihres Managers Brian Epstein im Spätsommer 1967 bringt weitere Belastungen mit sich: Die Beatles nehmen ihre Geschäfte selbst in die Hand und gründen die Firma Apple, wegen der sie sich wenige Jahre später gegenseitig vor Gericht zerren werden.
Eine Zeremonie mit Guru Maharishi und den Beatles
Das Ende der Beatles
Warum sich die Beatles schließlich trennten, ist bis heute umstritten. An einem Punkt künstlerischer Stagnation waren sie jedenfalls nicht angelangt.
Vielmehr verstanden sie es bis zum Ende hin meisterhaft, sich den jeweiligen Zeitströmungen anzupassen, ja sie sogar zu prägen: von den geradlinigen Anfängen als Beat-Musiker über ihre psychedelische Phase Mitte der 1960er bis hin zum beginnenden Artrock auf dem "Abbey Road"-Album von 1969.
Die einfachste Erklärung besteht gewiss darin, dass sie sich in den zwölf Jahren ihres Zusammenseins schlicht auseinandergelebt hatten. Ablesen lässt sich das auch daran, dass Paul und John mit den Jahren ihre Songs zunehmend seltener gemeinsam komponierten.
Andere Erklärungsversuche halten Paul für den Schuldigen: Gegen den Willen der drei anderen Beatles versuchte er, als neuen Apple-Chef seinen Schwiegervater durchzusetzen. Paul war es schließlich auch, der am 10. April 1970 in einem Interview die Trennung bekannt gab.
Bis heute halten jedoch viele Fans Johns Frau Yoko Ono für das eigentliche Problem. Schon vor der Heirat 1969 mischt sie sich in die Angelegenheiten der Gruppe ein und besteht darauf, bei allen Studioaufnahmen mit dabei zu sein – sehr zum Verdruss von Paul, George und Ringo. Fest steht allerdings auch, dass sie John aus einer langen Phase der inneren Leere und Resignation befreit.
Das Coverfoto von Johns letzter Platte "Double Phantasy"
Paul und John söhnen sich nie wirklich aus, auch wenn sie sich in den 1970ern noch einige Male treffen. 1980 wird Johns von einem fanatischen Fan vor seiner Haustür ermordet.
Für die verbliebenen drei Beatles gibt es Jahrzehnte später noch eine kleine Wiedervereinigung: 1995, sechs Jahre vor George Harrisons Tod, stehen sie ein letztes Mal zu dritt im Studio und spielen mit "Free as a Bird" und "Real Love" zwei John-Lennon-Songs ein, die bis dahin unveröffentlicht geblieben sind. Beide Titel schaffen es auf Anhieb in die Top Ten – wie sich das für einen Beatles-Song gehört.
(Erstveröffentlichung 2006. Letzte Aktualisierung 28.02.2020)
Quelle: WDR