Pilgern
Jakobswege in Deutschland
Alle Jakobswege in Europa führen nach Santiago de Compostela. Ein großes Streckennetz vom Norden, Osten und Süden Europas nach Galizien überspannt den gesamten Kontinent. Viele Routen führen dabei auch durch Deutschland.
Von Daniel Schneider
Die Via Regia – der Ökumenische Pilgerweg
Durch das gewachsene Interesse am Pilgern wurden und werden diese Pilgerwege seit Jahrzehnten in mühevoller Kleinarbeit gesucht, neu gekennzeichnet und teilweise wieder instand gesetzt. Wenn Sie bei Ihrem Stadtbummel oder Sonntagsspaziergang eine blau-gelbe Pilgerpfadmarkierung mit der Jakobsmuschel entdecken, wandern Sie gerade auf einem historischen Pilgerweg mit einer langen Geschichte.
Wer sich im Mittelalter aus den Gebieten des heutigen Polens auf den Weg nach Santiago de Compostela machte, nutzte die alte Via Regia, die älteste und längste Landverbindung zwischen Ost- und Westeuropa. Diese wichtige Strecke wurde durch eine "Jakobusinitiative für Mitteldeutschland" im Jahr 2002 als Ökumenischer Pilgerweg neu entdeckt und wiederbelebt.
Den Initiatoren ging es darum, das Gebiet der heutigen Bundesländer Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen in seiner historischen Bedeutung als alte Kulturlandschaft mit einer großen Pilgertradition sichtbar zu machen.
Der Verlauf des heutigen Ökumenischen Pilgerweges orientiert sich an der Strecke der alten Via Regia und führt von Görlitz über Bautzen, Marienstern, Kamenz, Großenhain, Wurzen, Leipzig, Merseburg, Freyburg, Naumburg, Eckartsberga, Erfurt, Gotha und Eisenach nach Vacha.
Besonders die Stadt Wurzen zeugt durch viele Straßennamen von der langen Tradition der Jakobspilgerschaft in Mitteldeutschland. So kommen die Pilger noch heute über die Jakobsgasse auf den Jakobsplatz, wo sich das einstige Jakobstor und die Kirche mit gleichem Namen befanden. Ein ganzes Stadtviertel verweist auf das in weiter Ferne gelegene Pilgerziel Santiago de Compostela.
Sehenswert auf dem Ökumenischen Pilgerweg ist auch Eckartsberga. Über der Stadt erhebt sich die tausend Jahre alte Eckartsburg, die eine Schutzfunktion für die Pilger auf der alten Via Regia übernahm, ähnlich wie die Wartburg bei Eisenach.
2003 wurde in Eckartsberga die letzte Etappe des Ökumenischen Pilgerwegs, der in Vacha endet, eingeweiht. Die alte Via Regia führte durch den Ortskern hindurch und setzte sich in Richtung Süden weiter fort.
Die Eckartsburg ist seit mehr als 1000 Jahren Anlaufstelle für Jakobsweg-Pilger
Der ostbrandenburgische Jakobsweg
Studierende der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt an der Oder haben unter der Regie von Professor Ulrich Knefelkamp zwei ganz besondere Routen des Jakobsweges entdeckt. Nach mühevoller Recherche gelang es ihnen, 200 Kilometer Pilgerstrecke in Ostbrandenburg wiederzubeleben. Seit 2007 können hier Pilger 28 Ortschaften durchqueren.
Während man in Spanien komplett auf den historischen Routen wandert, dabei allerdings mit stark befahrenen Straßen vorlieb nehmen muss, ist es den Verantwortlichen der Viadrina gelungen, historische Wege mit attraktiven und vor allem begehbaren Pfaden zu verbinden.
Früher fanden die mittelalterlichen Pilger am Startpunkt beider Pilgerrouten, in Frankfurt an der Oder, eine der wenigen Brücken über den Fluss. Heute lohnt sich beim Ausgangspunkt in Frankfurt vor allem ein Besuch der alten Marienkirche oder des Kleist-Museums.
Eine interessante Ortschaft auf der Nordpilgerstrecke ist Tempelberg. Das Charmante an der gesamten Strecke durch Ostbrandenburg sind die tollen Landschaften und die vielen kulturellen und historischen Sehenswürdigkeiten.
Und dieses Potenzial wird weiter genutzt. Das Team der Europa-Universität recherchiert und entwickelt sich weiter. Aus dem Projekt ist mittlerweile die "Jakobusgesellschaft Brandenburg-Oderregion e.V." entstanden.
Hier sorgen Vertreter aus Wissenschaft, Kirche, Kultur, Tourismus und Medien dafür, dass die Pilgerwege ausgeschildert, gepflegt und bekannt gemacht werden. Dabei wird ein entscheidender Teil des Pilgergedankens in die Tat umgesetzt: Viele Menschen aus verschiedenen Bereichen begegnen sich, gehen ein Stück Wegstrecke zusammen und sind so miteinander verbunden.
Natur pur auf dem brandenburgischen Jakobsweg
Pilgerhistorie in NRW
Im Gegensatz dazu bietet das bevölkerungsreichste Bundesland Pilgererlebnisse in Ballungszentren. In Nordrhein-Westfalen verlaufen viele Jakobswege quer durch Fußgängerzonen und Wohngebiete, zum Beispiel in Dortmund.
Mittelalterliche Pilger fanden in den Kirchen der ehemaligen Hansestadt Schutz und erholten sich von den Reisestrapazen. Auch heute haben viele Kirchen in Dortmund und im Ruhrgebiet außerhalb der Gottesdienste geöffnet und bieten beim Pilgern eine kulturelle Verschnaufpause.
Im Rheinland kann Bonn als "Stadt des Jakobskultes" bezeichnet werden. Bonn war Schnittpunkt mehrerer Jakobswege und viele historische Details weisen auf eine intensive Jakobusverehrung im Mittelalter hin.
Ein früheres Jakobushospital, ein Altar zu Ehren des Apostels und ein Bürgerhaus mit dem Namen "Zur spanischen Krone" – alles Anhaltspunkte für Bonns große Bedeutung als Pilgerzentrum. Dieses Flair ist heute noch spürbar, auch wenn Bonn immer mit einem weitaus bekannteren Pilgerknotenpunkt, Köln, konkurrieren muss.
Der Kölner Dom ist das Pilgerziel schlechthin in Deutschland. Hier steht der Apostel Jakobus als überlebensgroße Chorpfeilerfigur. Eine jährliche Domwallfahrt lockt jedes Mal bis zu 50.000 Pilger ins Rheinland. Und auch als Ausgangspunkt einer Wegstrecke ist der Dom sehr beliebt. Von hier aus kann fast jede Ecke des Rheinlandes offiziell erpilgert werden.
Auch Fahrradtouren werden auf den Kölner Pilgerwegen immer wieder angeboten. Außerdem lohnt sich nicht nur der Dom als Großstadtpilgerziel in Köln. Auch in den Kirchen St. Ursula mit einer figürlichen Glasmalerei, St. Mariä Himmelfahrt mit einer Pfeilerskulptur und St. Maria im Kapitol mit einem Fenster im Nordschiff kann man sich zentrumsnah wertvolle Erinnerungen an den heiligen Jakobus anschauen.
Deutschlands beliebtestes Pilgerziel: der Kölner Dom
(Erstveröffentlichung 2013. Letzte Aktualisierung 17.12.2019)
Quelle: WDR