Porträtfoto eines Indianer-Häuptlings mit Federschmuck.

Völker

Indianer / Indigene Völker Nordamerikas

Noch vor 400 Jahren gehörte den Navajos, Apachen, Sioux, Shoshonen, Hopis, Algonquin und vielen anderen Völkern fast ganz Nordamerika. Dann besetzten die Europäer das Land, töteten viele Ureinwohner und zerstörten ihre Lebensgrundlagen. Dennoch haben die Traditionen der ersten Einwohner Nordamerikas bis heute überlebt.

Von Uwe Leonhardt und Anette Kiefer

Die ersten Einwanderer Amerikas

Als vor etwa 30.000 Jahren die erste eisfreie Landbrücke zwischen Sibirien und Alaska entstand, war dies der gängigen Theorie nach der Beginn der Besiedlung des amerikanischen Kontinents.

Bis ins 15. Jahrhundert breiteten sich diese ersten Einwanderer, von den Europäern später "Indianer" genannt, auf dem ganzen Kontinent aus. Vor allem in Mittel- und Südamerika entwickelten sich bekannte Hochkulturen wie die Reiche der Inka, Maya oder Azteken.

Solche Großreiche gab es im nördlichen Teil des Kontinents nicht. Hier lebten mehr als 400 Völker mit eigenen Kulturen und Sprachen in kleinen, eigenständigen Gemeinschaften, die später als Stämme bezeichnet wurden.

Das Land der indigenen Völker war Gemeinschaftsbesitz und ihre Führer, die Häuptlinge, wurden in der Regel wegen ihrer herausragenden Fähigkeiten ausgewählt, nicht aufgrund einer familiären Erbfolge.

Als die Weißen kamen

Ab 1497, fünf Jahre nachdem Christoph Kolumbus erstmals amerikanischen Boden betreten hatte, eroberten die Engländer Neufundland und Labrador. Wenige Jahre später begannen hier Fallensteller mit dem Pelzhandel. Im Süden erreichten die Spanier Florida auf der Suche nach Gold.

Die Ureinwohner, die ethnische und kulturelle Vielfalt kannten, empfingen die Fremden in der Regel freundlich. Die Europäer hingegen sahen in den indigenen Völkern nur Wilde und Heiden. Sie machten sich keine Mühe, deren Religion, Politik oder Gesellschaft zu verstehen.

Indianisches Kind in der Stammestracht.

Kind aus dem Stamm der Navajos

Krankheiten und Missionierung

Mit der Kolonisierung Amerikas durch die europäischen Invasoren kamen auch Krankheiten ins Land – mit schrecklichen Folgen für die indigenen Völker: In den nächsten Jahrhunderten starben viele Tausende von ihnen an Epidemien wie etwa den Pocken, da ihr Immunsystem auf diese Erreger nicht eingestellt war.

Hinzu kamen zunehmend aggressive Missionierungsversuche der christlichen Kirchen und eine Flut von Siedlern, die immer mehr Land in Besitz nahmen.

Schließlich begannen die indigenen Völker zu rebellieren, aber nur selten konnten sie sich gegen die übermächtige Schlagkraft der Feuerwaffen durchsetzen. In sogenannten Friedensverträgen verloren sie viele ihrer angestammten Territorien.

Der Wilde Westen – Die Expansion

Planet Wissen 03:06 Min. Verfügbar bis 07.05.2029 WDR Von Markus Augé/Florianfilm

Umsiedlung und Vertreibung

1830 verabschiedete der Kongress der jungen Vereinigten Staaten von Amerika das so genannte "Indianer-Entfernungs-Gesetz" ("Indian Removal Act"), um dem Ansturm neuer Siedler Herr zu werden.

Mit militärischer Gewalt wurden 100.000 Indigene aus ihrer Heimat im Osten und Süden vertrieben und in Reservate geschickt, Tausende starben während der langen Märsche. Aufstände, zum Beispiel der Navajos, scheiterten. Nur wenige Völker, wie die Sioux oder die Seminolen, konnten sich kurzfristig in ihrer Heimat behaupten.

In den Reservaten sorgte eine "Indianer-Behörde" für die sogenannte Umerziehung der Ureinwohner. In speziellen Internaten sollten den indigenen Kindern europäische Wertvorstellungen anerzogen werden. Die eigene Kultur stand nicht auf dem Lehrplan.

Als 1869 die transkontinentale Eisenbahn vollendet wurde, kam es auch im Westen des Kontinents zu einer massiven Zunahme von Siedlern und Abenteurern. Innerhalb kurzer Zeit wurden Millionen Büffel abgeschlachtet und damit die Lebensgrundlage der Prärie-Völker bewusst zerstört. 1883 waren die Büffel Nordamerikas nahezu ausgerottet.

Immer wieder verließen Gruppen junger Krieger die Reservate und kämpften gegen die Zerstörung ihrer Heimat. Die USA antworteten mit blutigen Strafexpeditionen und Massakern an ganzen Völkern der Indigenen.

Der Wilde Westen – Krieg und Landnahme

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Little Bighorn

In fast 400 Verträgen versuchte die US-Regierung, die indigenen Völker zur Abtretung ihres Landes zu bewegen. Teilweise kam dadurch zwar kurzfristig Frieden zustande, allerdings brach die Regierung immer wieder ihre eigenen Verträge.

Als 1874 Goldgräber in das Land der Lakota einfielen und damit den Friedensvertrag von Fort Laramie aus dem Jahr 1868 brachen, führte dies zu einem erbitterten Krieg und zu einer legendären Niederlage der US-Armee.

Oberstleutnant George Armstrong Custer wurde mit seinem 200 Mann starken 7. Kavallerie-Regiment durch die Übermacht einer Cheyenne-Sioux-Koalition unter den Anführern Sitting Bull und Crazy Horse vernichtet. Die Ureinwohner hatten nur wenige Opfer zu beklagen.

Der Triumph der Cheyenne und Sioux sollte jedoch nur von kurzer Dauer sein. In der Folge veranstaltete die US-Armee grausame Hetzjagden auf indigene Völker in ganz Nordamerika. Aus Rache für Custer mussten Tausende Ureinwohner in blutigen Massakern sterben. Nur wenige Rebellen, wie der Apache Geronimo, konnten sich kurzfristig gegen die militärische Übermacht der US-Regierung behaupten.

Alte Lithografie: "Custers Todes-Ritt" zeigt die Schlacht vom Little Bighorn River

Die Schlacht vom "Little Bighorn River"

Amerikanisierung

Um die schwelenden Konflikte zwischen Weißen und indigenen Völkern in den Reservaten zu beenden, bemühte sich die US-Regierung ab 1880, die traditionelle Lebensweise der "Indianer" weiter zu durchbrechen. Sie löste den gemeinschaftlichen Landbesitz der Stämme auf und verteilte das Land an einzelne indigene Familien.

Große Gebiete der Reservate fielen bei dieser Umverteilung allerdings an Weiße. In der schulischen Erziehung wurde das Verbot der indigenen Sprachen und Gebräuche verschärft und den Männern das Tragen langer Haare verboten.

Die Ureinwohner lebten wie Gefangene in ihren Reservaten, standen unter der strengen Kontrolle der Regierung und durften ihre kulturelle Identität nicht mehr ausleben. Oft waren sie aufgrund der Landumverteilung und Vernichtung der Jagdgründe von den unregelmäßigen Verpflegungsrationen der Weißen abhängig.

Hunger, Armut und Elend waren die Folge und führten zu zahlreichen Aufständen in den Reservaten. Nach dem Massaker bei Wounded Knee, bei dem rund 350 Lakota getötet wurden, erstarb der Widerstand der Ureinwohner.

Indianischer Alltag heute

Nach dem Einsatz von indigenen Soldaten auf Seiten der USA im Ersten Weltkrieg erhielten die Ureinwohner 1924 die US-Staatsbürgerschaft. 1934 gestand man ihnen im "Indian Reorganisation Act" das Recht auf Ausübung ihrer Kultur zu.

Trotzdem versuchte die US-Regierung immer wieder dann, wenn wirtschaftliche Interessen anstanden, die Rechte der indigenen Völker zu beschneiden, zum Beispiel durch Landenteignungen.

1968 entstand deshalb die erste indigene politische Organisation: das "American Indian Movement" (AIM). Die Organisation versuchte immer wieder, die Probleme der indigenen Völker an die Öffentlichkeit zu tragen. Heute bilden die "Native Americans" nur noch eine Minderheit in ihrer Heimat.

Jährliches Indianertreffen der Lakota Oglala Sioux

Viele Traditionen blieben trotz allem bis heute erhalten

(Erstveröffentlichung 2003. Letzte Aktualisierung 16.12.2020)

Anmerkung der Redaktion:

IST DIE BEZEICHNUNG "INDIANER" DISKRIMINIEREND?

Eine einfache Antwort auf diese Frage gibt es nicht. Die Sprache wandelt sich stetig und damit auch die Ansichten, die wir mit bestimmten Begriffen verbinden.

Der Ursprung der Bezeichnung "Indianer" beruht auf einem historischen Irrtum – dass Christoph Kolumbus dachte, er sei in Indien an Land gegangen – und ist damit eine geografische Fehlbezeichnung. Das allein macht den Begriff aber nicht zur Diskriminierung.

Dennoch haben wir uns entschieden, die Bezeichnung "Indianer" nur noch in Anführungszeichen zu verwenden. Dafür waren mehrere Gründe entscheidend:

  • Die Bezeichnung "Indianer" ruft immer Assoziationen wach, die stark von Klischees geprägt sind und mit der Wirklichkeit wenig zu tun haben.
  • Gerade in Deutschland verbindet man mit dem "Indianer" zwar viele positive Eigenschaften – geprägt von Karl Mays Winnetou und Figuren wie der Zeichentrickserie Yakari. Doch auch ein positives Stereotyp wird den Menschen dahinter, auch was ihre kulturelle Vielfalt angeht, nicht gerecht. Außerdem stammt der Begriff aus der Zeit des Kolonialismus und der so genannten Völkerschauen.
  • Viele Angehörige indigener Stämme empfinden den Begriff als problematisch oder sogar als kränkend.

Doch welchen Begriff soll man stattdessen verwenden? Auch hier gibt es keine einfache Antwort. Viele Menschen bevorzugen den englischen Ausdruck "Native Americans" (zu deutsch etwa "Gebürtige Amerikaner"). Dieser stammt aber aus der Verwaltungssprache der US-Behörden und wird deshalb von Teilen der Bevölkerung abgelehnt. In Kanada ist der Begriff "First Nations" ("Erste Nationen") gängig, allerdings nur für die Völker auf kanadischem Territorium. Das Konstrukt "Indigene Völker Nordamerikas" wird von vielen als sperrig und kompliziert empfunden und wirft oft die Frage auf, ob damit "die Indianer" gemeint seien.

Da die Diskussion um eine korrekte Bezeichnung seit Jahrzehnten anhält und es keine eindeutige Lösung gibt, haben wir uns entschlossen, in unseren Texten eine Mischung aus diesen Begriffen zu verwenden.

Stand: Dezember 2020

Quelle: WDR

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