Das Foto zeigt eine Totale der zerklüfteten Küste mit steilen Felsen im Süden Englands.

Englands Süden

Jurassic Coast

Die Juraküste liegt in Südengland in den Grafschaften Devon und Dorset zwischen Exmouth und Poole und ist etwa 155 Kilometer lang. 2001 wurde der Küstenstreifen in die Unesco-Liste des Weltnaturerbes aufgenommen.

Von Kerstin Eva Zeter und Johannes Höflich

Eine Reise in die Vergangenheit

Die Jurassic Coast zeichnet sich besonders durch ihre Felsformationen aus, in deren verschiedenen Gesteinsschichten man bis zu 190 Millionen Jahre Erdgeschichte nachvollziehen kann.

Da die Felsen der Kraft des Wassers nicht standhalten können, dringt stetig Wasser in das Gestein. Ständig werden Teile der Klippen weggesprengt. Daher ist die Küstenlinie einem fortwährenden Wandel unterworfen.

Vom Westen, wo die ältesten Gesteinsmassen vorzufinden sind, zum Osten der Juraküste hin neigen sich die felsigen Klippen. In den einzelnen abgesprengten Felsbrocken kann man Schätze finden, für die die Juraküste weltberühmt ist: Fossilien.

In den Millionen Jahre alten Felsen stößt man auf Ammoniten – versteinerte Kopffüßer – aber auch auf Spuren größerer prähistorischer Zeitgenossen wie die der Dinosaurier.

Doch das Weltnaturerbe Jurassic Coast ist nicht nur für Freunde fossiler Reliquien ein begehrter Ort. Auch unter Wasser kann man exotische Lebewesen beobachten, wie zum Beispiel Weichkorallen, die nur auf Grund der gemäßigten Wassertemperatur hier existieren können.

Bewegt man sich von der Küste ein Stück landeinwärts, dominieren Moor- und Wiesenlandschaften, die man über diverse Wanderrouten erkunden kann.

Einzigartig ist die Juraküste aber vor allem deshalb, weil sie einen so tiefen Einblick in die Geschichte der Erde gewährt. Der Mensch erhält hier die einmalige Möglichkeit, zum Zeitreisenden zu werden.

Die Rote Küste

Aus geologischer Sicht ist die Rote Küste der älteste Teil der Jurassic Coast. Sie liegt im Osten der Grafschaft Devon. Die Felsen sind 200 bis 250 Millionen Jahre alt und ihre rötliche Färbung ist ein Resultat des damaligen Klimas, das sehr trocken und heiß war.

Das Gestein enthält Eisen, das mit anderen Mineralien reagiert und schließlich oxidiert. Auf Grund des geringen Anteils an organischen Materialien und des niedrigen Wasserstands bildet das Eisen rote Oxide, die die Gesteinsmassen rötlich färben.

Obwohl sich das Klima über Millionen von Jahren stark geändert hat, findet man auf den Klippen keine Spuren von organischem Material wie etwa Bäume oder Gräser. Die weiter unten in Wassernähe liegenden Gesteinsschichten, in denen mehr organische Masse zu finden ist, sind gräulich gefärbt. Dort spült das Wasser die roten Oxide aus den Felsen.

Das Bild zeigt einen roten Felsen im Meer.

Oxide färben das Gestein der Roten Küste

Auf Fossiliensuche

Die Ortschaft Charmouth, direkt an der Küste Devons, ist zum einen wegen ihrer stufig geformten Steilhänge und zum anderen wegen ihres Fossilienreichtums ein attraktives Ziel für Wissenschaftler und Touristen. In den Felsformationen kann man besonders gut die verschiedenen Entwicklungsstadien der Erde ablesen.

Die einzelnen Felsschichten haben sich während des Trias (vor 250 bis 210 Millionen Jahren), des Jura (vor 210 bis 140 Millionen Jahren) und der Kreidezeit (vor 140 bis 66 Millionen Jahren) entwickelt. Sie liefern einen Überblick über gut 190 Millionen Jahre Erdgeschichte.

Allerdings sind Klettertouren durch die Klippen in Charmouth nicht ungefährlich, da das Gestein sehr brüchig ist. Die untere ältere Schicht des Felsen besteht aus Ton, während die darüber liegende Sandstein enthält, der weit jünger und poröser ist.

Das Regenwasser dringt in den Sandstein ein, findet jedoch keinen Fließweg durch den Ton. Wenn der Druck des Wassers auf den Ton zu groß wird, brechen Stücke der Tonschicht heraus.

Abrutschende Stein- und Schlammmassen haben in den vergangenen Jahren so viele Unfälle verursacht, dass der National Trust einen Verhaltenskodex entworfen hat, der richtiges Verhalten beim Klettern erklärt.

In den Schlamm- und Steinmassen, die zum Strand gelangt sind, kann man nach Fossilien suchen. Die Klippen und der Strand bei Charmouth sind weltberühmte Plätze für Fossilienfunde. Die Aussicht auf einen interessanten Fund ist nach stürmischem Wetter am größten, da hohe Wellen den Strand gesäubert haben. Plötzlich liegen riesige Ammoniten, versteinerte Fische oder Saurierknochen am Strand, die nun nach Millionen Jahren aus dem Fels befreit worden sind.

Das Sammeln von Fossilien ist auch Privatpersonen erlaubt, aber ein Regelwerk erklärt, was mit den außergewöhnlichen Fundstücken geschieht. Diese werden registriert und zu Studienzwecken weitergegeben, während man die gewöhnlichen Funde mit nach Hause nehmen kann.

Das Bild zeigt viele kleine Schnecken-Fossilien.

Fossilienfunde sind hier nicht selten

Der Beerstone – ein ganz besonderer Stein

Das Fischerdorf Beer ist ein alter beschaulicher Ort, der seit Jahrhunderten ein Zentrum der regionalen Fischerei ist. Noch heute leben einige Familien ausschließlich von dem Verkauf der Fischwaren. Besonders beliebt sind die frisch gefangenen Krabben, die oftmals schon direkt am Strand verkauft werden.

Seitdem die Jurassic Coast jedoch zum Weltnaturerbe erklärt wurde, finden immer mehr Touristen den Weg nach Beer, wodurch sich auch für die Anwohner neue Berufsfelder erschlossen haben.

Bevor die Tourismuswelle nach Beer schwappte, war dies ein armer Ort. Es gab nur den Fischfang und die am Ortsrand gelegenen Steinbrüche, wo der beliebte Beerstone abgebaut wurde. Beim Beerstone handelt es sich um eine spezielle Gesteinsschicht, die inmitten der mächtigen Kalksteinklippen eingeschlossen ist.

Schon zur Römerzeit war man sich der guten Qualität des Steins bewusst, konnte ihn aber nur unter größten Anstrengungen abbauen. Um an die verborgene Gesteinsschicht zu gelangen, wurden von der Landseite ausgehend lange Gänge in den Fels geschlagen, wodurch im Laufe der Jahrhunderte ein weit verzweigtes Höhlensystem aus Hallen und Verbindungsgängen entstanden ist, das mehr als 50 Fußballfelder misst.

Wenn man die einfachen Werkzeuge wie Hammer und Meißel betrachtet, mit denen einst die Klippen ausgehöhlt worden sind, wird offensichtlich, dass es sich dabei um eine sehr gefährliche Arbeit gehandelt haben muss, bei der tatsächlich viele Arbeiter tödlich verunglückten.

Der Beerstone war so beliebt, da es sich um einen sehr harten Stein handelt, der nicht bricht und sich daher ausgezeichnet zur Herstellung von Skulpturen eignete.

Eine weitere Blütezeit erlebte der Steinbruch zur Zeit des Baus der großen Kathedralen. So ist zum Beispiel die Kathedrale von Exeter, die zu den berühmtesten gotischen Bauwerken Englands zählt, zu großen Teilen aus Beerstone gefertigt worden. Wenn man die 91 Meter lange Kirche besucht und zuvor die Steinbrüche von Beer gesehen hat, ahnt man, warum der Bau mehr als hundert Jahre gedauert hat.

Das Foto zeigt die Außenansicht der aus Beerstone erbauten Kathedrale von Exeter.

Ein Meisterwerk: die Kathedrale von Exeter

Im Dartmoor

Das Dartmoor ist ein Nationalpark, der unmittelbar an Exeter grenzt. Er wurde 1949 gegründet und umfasst an die 1000 Quadratkilometer. Das raue Heidemoor mit seinen dunklen Granitfelsen und den saftig grünen Wiesen, die im tiefliegenden dichten Nebel untertauchen, zählt zu den einsamsten Landschaften Englands.

Auf dem Weg durch das Moor stößt man auf die bekannten Dartmoor-Ponys, die hier in freier Wildbahn leben. Einst dienten sie in den Zinnminen als Packtiere, doch als 1930 die letzte Mine geschlossen wurde, entließ man die kleinen Vierbeiner in die Freiheit. 2500 Stuten und Hengste teilen sich heute das Land mit unzähligen Schafen.

Am besten kann man das Dartmoor bei Wanderungen oder Ausritten zu Pferde erkunden. Doch man sollte immer daran denken, Regenkleidung mitzunehmen, da das Wetter im Heidemoor sehr launisch ist und schnell umschlagen kann.

Das Dartmoor bietet aber nicht nur weite Wiesen, man stößt hier auch auf wildromantische Schlösser und Burgen, die so manche vergangene Geschichte in sich bergen. Ein Beispiel dafür ist Castle Drogo, das einst der Normanne Drogo de Teine im 11. Jahrhundert bewohnte. Das Schloss vereint in sich römische, normannische und elisabethanische Einflüsse, was auf manchen Besucher einen seltsamen Eindruck macht.

Neben den Moorgebieten ist ein Besuch der Schluchten des Dartmoors lohnenswert. Das Wasser hat an vielen Stellen tiefe Furchen in die Landschaft gegraben, wodurch teils schwer zu überquerende Hindernisse entstanden sind. Sehr stolz sind die Einheimischen auch auf die Becky Falls. Der am Ostrand des Moors liegende Wasserfall ist mit 67 Metern der höchste Wasserfall Englands.

Das Bild zeigt drei wild lebende Dartmoor-Pony-Fohlen.

Weltberühmt sind die wilden Dartmoor-Ponys

Auf den Spuren der Dinosaurier

Der Jurassic Coast ist die Halbinsel Portland vorgelagert, die etwa sieben Kilometer lang und bis zu drei Kilometer breit ist. International ist die Insel für den Portland-Kalkstein berühmt, der hier bis heute noch abgebaut wird und mit dem zum Beispiel die St. Paul's Kathedrale in London errichtet wurde.

In den zahlreichen Steinbrüchen der Insel fanden Arbeiter beim Herausschlagen der schweren Steinplatten Außergewöhnliches: Fußabdrücke von Dinosauriern. Die zuerst gefundenen Abdrücke stammen wohl von großen Zweifüßlern, sogenannten Iguanadon, die hier einst nach Nahrung suchten.

Die Spuren der Dinosaurier sind wahrscheinlich schon vor einiger Zeit bei Arbeiten in den Steinbrüchen freigelegt worden. Doch erst als ein öffentliches Interesse an den prähistorischen Lebewesen bestand, begann man auf mögliche Abdrücke zu achten. Heutzutage wird nach diesen regelrecht gefahndet.

Das Bild zeigt den versteinerten Fußabdruck eines Dinosauriers.

Versteinerte Dinosaurier-Abdrücke

Ein Kreidebogen und ein versteinerter Wald

Im Osten der Jurassic Coast liegt die Bucht von Lulworth, die man am besten bei einer Schlauchbootfahrt besichtigt. Ein wahrer Touristenmagnet ist hierbei das Durdle Door, ein Felsbogen aus Kreide, der direkt vor der Küste aus dem Meer ragt. Jahr für Jahr kommen Hunderttausende, um den berühmten Gesteinsbogen zu beschauen.

Weniger bekannt, aber vielleicht noch eindrucksvoller, ist der nur eine Meile entfernt liegende versteinerte Wald. Vor 140 Millionen Jahren hat sich dort ein dicht bewachsenes tropisches Sumpfgebiet befunden, das man heute anhand der verbleibenden Aushöhlungen früherer Baumstümpfe im Geiste rekonstruieren kann.

Diese Aushöhlungen, die wie Felsringe aussehen, waren einst Algen, die sich um den Baumstumpf gewickelt haben. Die Bäume verschwanden, doch die Algen versteinerten und liefern somit einen präzisen Abdruck des damaligen Baumes. Bei einigen Baumstumpfhöhlen kann man sogar noch die Maserung der Rinde ertasten.

Das Bild zeigt einen Felsbogen in der Bucht von Lulworth.

Spektakulär: Durdle Door in der Bucht von Lulworth

(Erstveröffentlichung: 2005. Letzte Aktualisierung: 19.05.2020)

Quelle: WDR

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