Weltkulturerbe-Potenzial
Ein klarer Standortvorteil für die Reichenauer Gemüsebauern ist das milde Klima am Bodensee, das beste Bedingungen für den Anbau bietet. Einzigartig auf der Welt ist die Art und Weise, mit der das Reichenauer Gemüse seit einigen Jahren beworben wird: mit dem Prädikat "Unesco-Weltkulturerbe".
Der Kauf des Weltkulturerbe-Salats ist möglich, seitdem die Unesco beschlossen hat, nicht nur einzelne Bauwerke, sondern auch umliegende Landschaften und regional verwurzelte Sitten und Gebräuche – also ganze Kulturlandschaften – mit ins Programm aufzunehmen. Eine echte Chance für die Insel Reichenau, die zusammen mit dem Gartenreich Dessau-Wörlitz im Jahr 2000 den Status als Weltkulturerbe zuerkannt bekam.
Kulturhistorisch betrachtet hat die Insel im Bodensee, auch wenn das auf den ersten Blick nicht auffällt, Außergewöhnliches zu bieten. Vor mehr als 1200 Jahren war das noch anders: Damals erschien alles auf der Reichenau weniger lieblich als heute. Statt einer vom Menschen erschaffenen Kulturlandschaft bestand die Insel aus Urwald mit vielen Bäumen und dichtem, dornigen Gestrüpp.
Salat vom Weltkulturerbe
Wandermönch Pirminius sorgt für Ordnung
Mit den wüsten Verhältnissen war Schluss, als der irische Wandermönch Pirminius im 8. Jahrhundert die Insel betrat. Pirminius wanderte durch das Fränkische Reich, um den christlichen Glauben zu verkünden und die Heiden zu missionieren.
Der Legende nach entsprang an der Stelle, die Pirmin zum ersten Mal mit seinem Fuß berührte, eine Quelle. Danach setzte angeblich eine regelrechte Massenflucht ein: Drei Tage lang floh sämtliches Ungetier von der Insel und stürzte sich in die Fluten des Bodensees.
Anschließend sorgte Pirminius dafür, dass das Insel-Urwalddickicht in eine zivilisierte Form gestutzt wurde und gründete im Jahr 724 auf der Reichenau ein Benediktinerkloster. Der Grundstein für die kulturelle Entwicklung auf der Insel war gelegt.
Entwicklung zum geistig-kulturellen Zentrum
Innerhalb von drei Jahrhunderten entwickelte sich die Insel zu einem sakralen Ballungszentrum. Eine Klosterherrschaft, die sich über die ganze Insel erstreckte. Bis zu 20 Kirchen befanden sich zur Blütezeit auf der nur vier Kilometer langen und 1,5 Kilometer breiten Insel. Dazu kamen noch diverse Verwaltungsbauten. Dazwischen weite, unbebaute Flächen, die für den Ackerbau genutzt wurden.
Bedeutende Persönlichkeiten wohnten in den Klosteranlagen: politische, naturwissenschaftliche und künstlerische Größen. Schulen wurden gegründet, um das wertvolle Wissen weiterzugeben.
Über die Grenzen berühmt wurde die Reichenauer Malschule, deren Buchillustratoren wahre Meisterwerke schufen. Im Zeitraum vom 8. bis zum 11. Jahrhundert war die Reichenau das wichtigste geistig-kulturelle Zentrum des Heiligen Römischen Reiches.
Die ehemalige Benediktinerabtei...
Die Insel Reichenau heute
Nach und nach ging die einflussreiche Zeit des Reichenauer Klosterlebens zu Ende. Mitte des 18. Jahrhunderts wurde das Kloster aufgelöst, 1803 verließen die letzten Mönche die Insel.
Heute befinden sich als standhafte Zeugen einer großen Zeit noch drei romanische Kirchen auf der Insel Reichenau. Die Klosterkirche St. Maria und Markus in Reichenau-Mittelzell, St. Peter und Paul in Reichenau-Niederzell und St. Georg in Reichenau-Oberzell.
Seit die Reichenau Unesco-Weltkulturerbe ist, kann man in unmittelbarer Nähe zu den drei über die Insel verteilten Kirchen jeweils einen kleinen Museumsbau besuchen. Dort besteht die Möglichkeit sich zu informieren, bevor man sich in das kulturhistorische Bauwerk begibt.
Den Wandermönch Pirminius – heute im allgemeinen Sprachgebrauch "Pirmin" genannt – kann man als Statue aus Muschelkalk am "Bruckgraben" am Eingang der Insel bewundern. Seit 2001 gibt es sogar wieder eine Handvoll Mönche auf der Reichenau. Die Cella St. Benedikt wurde 2004 offiziell als abhängiges Haus der Erzabtei St. Martin zu Beuron errichtet.
...ist heute wieder belebt
Quelle: SWR | Stand: 13.05.2020, 14:15 Uhr