Die Alpen-Connection
Der Rhein ist eine der verkehrsreichsten Wasserstraßen der Welt – doch die Reise der Flaschenpost beginnt weit weg von den großen Häfen, in den Schweizer Alpen.
Der Gebirgsbach ist klar, die Flaschenpost treibt in dem schnell fließenden Wasser an Bachforellen vorbei. Am Ufer liegen Käfer auf großen Steinen in der Sonne. Menschen, die die Flaschenpost aus dem Wasser fischen könnten, kommen hier kaum vorbei.
Als traditionelle Quelle des Rheins gilt der winzige Tomasee unterhalb Sankt Gotthard. Von hier aus fließt der Vorderrhein. Der längste Quellfluss ist allerdings der Rein da Medel im Osten der Schweiz. Ein weiterer großer Quellfluss ist der Hinterrhein. Mindestens 13 Quellbäche speisen den Rhein.
Bei Tamins in der Schweiz werden Vorderrhein und Hinterrhein dann zum Alpenrhein. Dieser mündet knapp 200 Kilometer weiter in den Bodensee, den drittgrößten Binnensee Mitteleuropas. Ober- und Untersee des Bodensees sind durch den Seerhein verbunden – dort in der Mitte der alten Konstanzer Rheinbrücke beginnt der Rheinkilometer Null.
Wasserqualität: Das Wasser des Alpenrheins fließt schnell, ist sauber und kalt. Dieser Abschnitt wird nicht für die Schifffahrt genutzt.
Tiere: Hier leben Fische wie die Bachforelle und das Bachneunauge, die zum Überleben viel Sauerstoff und klares Wasser brauchen.
Der Rhein-Ursprung in den Alpen
Artenvielfalt und Wasserfall am Hochrhein
Immer noch klare Sicht und naturbelassene Ufer: Die Flaschenpost treibt vorbei an alpinen Landschaften, Schiffe gibt es keine. Die Flaschenpost legt über hundert Kilometer zurück, auf einmal wirbelt das Wasser auf – und dann 23 Meter freier Fall. Fast zerschellt sie an den Felsen eines Wasserfalls.
Der Abschnitt vom Bodensee bis Basel in der Schweiz wird Hochrhein genannt.
Besonderheiten: Bei Schaffhausen gibt es einen der größten Wasserfälle Europas. Hier fließen pro Sekunde 700 Kubikmeter Wasser, der Wasserfall ist 23 Meter hoch und ganze 150 Meter breit.
Wasserqualität: Das Wasser ist sauber und sauerstoffreich. Streckenweise ist der Hochrhein naturbelassen.
Tiere: Je weiter es den Rhein hinuntergeht, desto mehr Arten gibt es auch. “Das liegt daran, dass immer mehr Nahrung, zum Beispiel in Form von toten Ästen oder toten Tieren hinzukommt, je weiter es abwärts geht”, erklärt Bernd Koop vom Bundesamt für Gewässerkunde. In diesem Abschnitt sind es schon etwa 180 Tierarten – zum Beispiel Insektenlarven, Bachforellen, Bachflohkrebse und Elritzen. Eingeschleppte Arten sind hier nur vereinzelt zu finden.
Der Aal ist der einzige Fisch, der den Rheinfall stromaufwärts überqueren kann
Begradigter Oberrhein
Das Rheinwasser bei Basel ist trüber, der Sand auf dem Boden feiner. An diesem Sommertag sind tausende Menschen im Wasser und kühlen sich ab. Kinder greifen nach der Flaschenpost – doch die schwimmt weiter Richtung Bingen.
Der Oberrhein ist der “Multikulti-Abschnitt” des Rheins. Von Basel bis Bingen fließt er sowohl durch die Schweiz als auch durch Frankreich und Deutschland. Im 18. Jahrhundert bestand der Oberrhein aus einem verzweigten Netz kleiner Flüsse – Schifffahrt war hier unmöglich.
Ab 1817 leitete der Ingenieur Johann Gottfried Tulla dann die Begradigung des Oberrheins mit einem neuen Flussbett und einem festgelegten Verlauf. Mit der Zeit kamen auch Staustufen hinzu, die Auenlandschaft wurde größtenteils zu Ackerfläche.
Besonderheiten: Die noch verbliebenen Auwälder bei Karlsruhe sind von der Europäischen Union (EU) als besonders förderungswürdig eingestuft worden. Am badischen Oberrhein wird seit 2000 Jahren Gold gefördert. Obwohl das Vorkommen relativ gering ist, hat sich die Goldwäscherei zum Touristenmagnet entwickelt – Unternehmen bieten Goldwaschkurse an, die Juweliere verkaufen das Rheingold.
Wasserqualität: Das Wasser des Oberrheins hat keine Trinkwasserqualität, ist im Zentrum von Basel aber ein beliebtes Schwimmgewässer. Zwischen Basel und Iffezheim ist der Oberrhein kanalisiert und aufgestaut. Dort fahren die ersten Schiffe rheinabwärts, Kraftwerke belasten durch Wärmeabgabe den Rhein zusätzlich. Das Wasser ist trüber, der Nährstoffgehalt nimmt zu und der Sauerstoffgehalt ab.
Tiere: Durch den erhöhten Nährstoffgehalt nimmt die Artenvielfalt zu. Am Oberrhein leben viele eingeschleppte Arten wie der Höckerflohkrebs. Auch Langdistanz-Wanderfische wie Lachse und Maifische passieren den Oberrhein, in langsameren Abschnitten gibt es auch Zander, Barben und Hechte.
Die Auwälder sollen mithilfe von Projekten erhalten bleiben
Weltkulturerbe am Mittelrhein
Felsen ragen aus dem Wasser, die Flaschenpost muss enge Kurven passieren. Unter ihr wird das Wasser immer tiefer, Schiffe können nur langsam fahren.
Zwischen Bingen und Bonn wird aus dem Oberrhein der Mittelrhein. Bei St. Goarshausen steht der berühmte Loreleyfelsen, der Teil der Loreley-Sage ist.
Besonderheiten: Der Mittelrhein ist bekannt für das Weinbaugebiet beim Oberen Mittelrheintal zwischen Koblenz und Rüdesheim mit mittelalterlichen Burgen und Schlössern wie der Burg Pfalzgrafstein. Seit 2002 gehört das Obere Mittelrheintal zum Unesco-Weltkulturerbe.
Ganze 130 Meter ragt der Loreleyfelsen bei St. Goarshausen aus dem Wasser. Der Sage nach soll die Nixe Loreley Bootsmänner mit ihrem Gesang in den Tod getrieben haben. Tatsächlich müssen Kapitäne hier, genau wie die Flaschenpost, die engsten und tiefsten Stellen des Rheins durchqueren.
Bei Andernach ist ein Kaltwassergeysir mit der höchsten Wasserfontäne der Welt aktiv. Bis zu 60 Meter hoch spritzt das Wasser in die Luft. Der Geysir funktioniert wie eine Mineralwasserflasche, die geschüttelt und dann geöffnet wird.
Wasserqualität: Auch hier ist durch Schifffahrt und Wärmebelastung der Kraftwerke die Qualität des Wassers etwas schlechter als im Alpen- und Hochrhein.
Tiere: Wie im Oberrhein leben hier vor allem eingeschleppte Arten wie die Wandermuschel und der Höckerflohkrebs. 90 Prozent der Tiere insgesamt gehören zu eingeschleppten Arten. Außerdem gibt es Insektenlarven, Kleinkrebse, Egel und Würmer.
Auf dem Loreleyfelsen soll der Sage nach die Nixe Loreley gesessen haben
Baustelle Niederrhein
Im Duisburger Hafen treibt die Flaschenpost unbemerkt an den Containerschiffen vorbei. Angler am Ufer hoffen darauf, hier einen Zander oder Waller zu fangen – trotz des Schiffsverkehrs gibt es in den Abzweigungen des Hafens einen großen Bestand an Fischen.
Vom malerischen Mittelrhein geht der Weg der Flaschenpost weiter durch den stark verbauten Niederrhein. Er fließt von Bonn bis zur niederländischen Grenze.
Als Folge des Bergbaus sind am Niederrhein Bergsenkungen, also Absenkungen des Bodens durch ehemalige Stollen unter der Erde, entstanden. Durch diese kann auch der Gewässergrund abfallen, was die Gebäude in Rheinnähe ebenfalls in den Boden einsinken lassen könnte. Deshalb müssen zahlreiche Reparaturen durchgeführt werden.
Besonderheiten: Die größte Stadt am Rhein ist Köln; auch der größte Binnenhafen Europas ist am Niederrhein in Duisburg angesiedelt.
Wasserqualität: Das Wasser des Niederrheins fließt sehr langsam, die Wassertrübung nimmt zu. Durch starke Bebauung, Industrie und Schifffahrt nehmen die Temperaturen im Wasser zu und der Sauerstoffgehalt ab.
Tiere: Hier können nur Arten überleben, die an eine Vielzahl von Trübstoffen und wenig Sauerstoff angepasst sind. Im Niederrhein leben zahlreiche Muschelarten wie die Körbchen- oder die Dreikantmuschel. Die Chinesische Wollhandkrabbe paart sich hier, neben Zander und Waller leben auch Aale am Niederrhein.
Der Niederrhein ist von Überflutungen besonders bedroht
Mündung ins Meer
Ab der niederländischen Grenze beginnt der Deltarhein. Der Rhein mündet an mehreren Stellen in die Nordsee, der Hauptarm bei Rotterdam.
Besonderheiten: Der Hafen von Rotterdam liegt größtenteils unter dem Meeresspiegel. Die Stadt muss deshalb von einem komplizierten Schleusensystem vor Hochwasser geschützt werden.
Wasserqualität: Wie auch bei den meisten anderen Flüssen ist kurz vor der Mündung die Wasserqualität am schlechtesten. Ab Rotterdam beginnt die Vermischung von Salz- und Süßwasser, dieses “Mischwasser” wird Brackwasser genannt.
Tiere: Hier gibt es zunehmend Brackwasserarten wie Seepocken und verschiedene Krebsarten.
Der Rhein verbindet Europas größten Seehafen in Rotterdam mit der Nordsee
Die Flaschenpost ist nun im Meer angekommen. Es ist fast ein Wunder, dass sie diese Reise wirklich unbeschadet überstanden hat. Sie ist nicht zerschellt und nicht in einen der vielen Nebenflüsse abgetrieben. Kein aufmerksamer Spaziergänger hat sie aus dem Fluss gefischt. Welche Nachricht mag sie enthalten? Wird das jemals jemand erfahren?
(Erstveröffentlichung: 2014. Letzte Aktualisierung: 25.05.2020)
Quelle: WDR