Mit dem selbstgebauten Tauchboot in die Tiefe
Piccard und Walsh war klar: Sie waren kurz davor, den Sieg in einem Rennen zu erringen, in dem es um das wissenschaftliche Prestige der Nationen ging. Sie wollten den tiefsten Punkt der Erde besuchen, 11.000 Meter unter dem Meeresspiegel im pazifischen Marianengraben.
Das Tauchboot, mit dem die beiden die Reise in die Tiefsee antraten, war eine Konstruktion von Jacques Piccard und seinem Vater, Auguste Piccard. Schon 1958 hatten sie die "Trieste" an die US-Marine verkauft.
Auguste Piccard hatte schon früh ein Tauchboot konstruiert, das nicht an einem Kabel hing. Die FNRS-2 konnte ohne Verbindung zur Oberfläche selbständig navigieren und vor allem aus eigener Kraft auftauchen.
Jacques Piccard 1995
Die "Trieste" tauchte nach dem Zeppelin-Prinzip
Das Prinzip, nach dem auch die "Trieste" tauchte, funktionierte ähnlich wie bei einem Zeppelin: Die Gondel wird von einem wasserstoffgefüllten Tank getragen. Die Höhe verändert man, indem größere oder kleinere Anteile des Wasserstoffs von Luft verdrängt werden.
Bei der "Trieste" diente Benzin statt Wasserstoff als Füllung für den Auftriebskörper. Es ist leichter als Wasser, verhindert aber, dass der Tank vom Wasserdruck zerquetscht wird. Zum Sinken wird Benzin abgelassen und durch Wasser ersetzt.
Um wieder aufsteigen zu können, waren rund 16 Tonnen Eisenschrott als Ballast an Bord. Er wurde aus Sicherheitsgründen von Magneten festgehalten und zum Aufstieg einfach abgeworfen.
Rund viereinhalb Stunden dauerte der Abstieg. Die Temperatur an Bord sank von mehr als 30 Grad an der Wasseroberfläche auf eiskalte 1,8 Grad Celsius. Piccard hörte "eigentümliche prasselnde Laute, so als brate man Speck", vermutlich als Folge des ungeheuren Drucks.
Der Grund für ein Rumpeln, das während des Abstiegs durch das Tauchboot ging, stellte sich erst nach dem Aufstieg heraus: Eines der Fenster in der Einstiegsröhre war geborsten. Doch dank seiner 19 Zentimeter Dicke hielt es dem Wasserdruck stand. Als die "Trieste" auf dem Meeresboden aufsetzte, lastete eine Wassersäule von mehr als 40 Millionen Tonnen Gewicht auf dem Tauchboot.
Auf dem Meeresboden bot sich den Forschern eine Wüste aus hellem Schlick, auf der zu ihrer Überraschung sogar ein Plattfisch lag. Doch es ging ihnen nicht darum, dort etwas zu entdecken – es ging darum, dort gewesen zu sein.
Nach dreieinhalb Stunden Aufstieg warfen die Aquanauten einen Behälter mit der US-Flagge in die Tiefe. Neun Jahre später hissten Astronauten die US-Flagge auf dem Mond.
Inspektion der Trieste
Nach Piccard und Walsh wollte lange niemand mehr zum Meeresgrund
Niemand zweifelte daran, dass Piccard und Walsh mit ihrer Pioniertauchfahrt ein Tor aufgestoßen hatten, das die weitere Erforschung und Eroberung der Tiefsee nach sich ziehen würde. Doch eigenartigerweise blieb eine solche Entwicklung aus.
Die "Trieste" wurde noch einige Male eingesetzt, vor allem um Wracks der US-Kriegsmarine zu suchen. Doch das Interesse der Entdecker richtete sich vor allem auf die Mondlandung.
Zum tiefsten Punkt der Meere wollte niemand mehr zurück. Der Erkenntnisgewinn schien zu gering, die Kosten zu hoch. Der Pilot des Nachfolgerschiffes "Trieste II", Ross Saxon, sagte: "Was wir daraus gelernt haben? Nicht viel, außer, dass wir es können. Es ist wie die Landung auf dem Mond. Wir haben es gemacht, warum sollten wir es noch einmal tun?"
Vielleicht, weil die Tiefsee immer noch weniger erforscht ist als der Mond.
(Erstveröffentlichung 2002. Letzte Aktualisierung 02.03.2020)
Quelle: WDR