Fasern geben der Pflanze Halt
Trotz ihrer Affinität zum Wasser wachsen Moose oft an den unwirtlichsten und auch trockensten Orten: auf Berggipfeln und sogar in Wüsten. Wie schaffen sie es, hier zu überleben?
Die Moose verfügen im Vergleich zu anderen Landpflanzen über einen einfachen Bauplan. Sie haben zwar häufig etwas, das wie eine Knospe, ein Stängel, Blättchen oder eine Wurzel aussieht. Doch streng genommen besitzen sie all dies nicht.
Die Rhizoide etwa ermöglichen es den Moosen zwar, sich am Boden zu halten. Anders als echte Wurzeln dienen diese aber nicht dazu, die Pflanze mit Wasser und Nährstoffen zu versorgen.
Leben in der chilenischen Atacamawüste: ein Moos in der Ödnis
Moose sind die ältesten Landpflanzen
Das Wasser nehmen Moose vor allem über die Blättchen auf. Sie bevorzugen daher vor allem feuchte Standorte. In der Regel verfügen die Moose nicht über Leitgefäße, die das Wasser in der Pflanze transportieren könnten – wie die Adern das Blut im Menschen. Den Pflanzen fehlt es auch an Stützgewebe: Die meisten Moose sind klein und wachsen flach am Boden.
Anders als viele andere Pflanzen können sie nicht verholzen. Ausnahmen bestätigen die Regel: Das Widertonmoos kann bis zu zwei Meter groß werden.
Warum Moose so einfach gebaut sind, lässt sich anhand ihrer Entstehungsgeschichte erklären. Die Moose gelten als die ältesten Landpflanzen. Forscher haben Fossilien gefunden, die darauf hinweisen, dass sich die Moose vor etwa 450 bis 440 Millionen Jahren in drei Linien aufgeteilt haben: in die Lebermoose, Hornmoose und Laubmoose.
Wie genau, ist unklar. Wissenschaftler vermuten, dass die Lebermoose zuerst entstanden sind. Sicher ist das aber nicht. Zudem ist unklar, wie sich die ersten Moose überhaupt aus den im Wasser lebenden Algen entwickelt haben. Es fehlt an Fossilien, die den Übergang von Wasser- zu Landpflanzen belegen.
Querschnitt durch ein Blättchen des stachelspitzigen Torfmoos
Nicht alles, was Moos heißt, ist auch Moos
Ihre Namen verdanken die unterschiedlichen Moose ihrem Aussehen: Das eher rundliche Lebermoos erinnerte die Namensgeber einst an eine Tierleber. Hornmoose sind länglich mit einem ausgeprägten Stängel, dem Horn. Laubmoose haben feine, oft nur eine Zelllage dicke Blättchen, die an Laub erinnern.
Von den Lebermoosen gibt es weltweit etwa 4000 Arten, von den Hornmoosen etwa 150 Arten, von den Laubmoosen geschätzte 10.000. Nicht alles aber, was Laien als Moos bezeichnen würden, ist auch eines.
So gehören etwa das Irische Moos oder das Spanische Moos nicht dazu. Das Irische Moos ist eine Rotalge, die vor allem an den Atlantikküsten auf Felsen unterhalb des Wasserspiegels wächst. Das Spanische Moos ist ein Bromeliengewächs, das gern mystisch in langen Fäden von Ästen herabhängt. Es stammt aus den warmen Zonen Amerikas.
Ist kein Moos, sondern ein Bromeliengewächs: das Spanische Moos
Überleben auf dem Trockenen
Moose können lange Trockenzeiten von mehreren Monaten überstehen, etwa in der Wüste. Sie sind sehr widerstandsfähig und genügsam. Sie überleben selbst dann, wenn ihre Zellen fast ausgetrocknet sind. Wie machen sie das?
Indem sie den Stoffwechsel herunterfahren. Pflanzen, die höher entwickelt und komplizierter aufgebaut sind, würden unter ähnlichen Verhältnissen absterben. Die Moose schalten auf Sparflamme, wenn es zu trocken ist. Sobald es regnet, erwachen sie wieder zu neuem Leben.
Die Moose verfügen über eine extrem hohe Austrocknungstoleranz, sagen Forscher. Auch Kälte kann vielen Moosen wenig anhaben. Diese Eigenschaften haben es den Moosen ermöglicht, alle Klimazonen auf der Erde zu erobern.
Das Brunnenlebermoos etwa, die am weitesten verbreitete Art unter den Lebermoosen, kann man sowohl in den Tropen als auch in der Arktis finden. Die Pflanze braucht weder bestimmte Licht- noch Bodenverhältnisse.
Sie trotzen der Kälte: Moose in der Arktis
Torfmoos bindet organischen Kohlenstoff
In der Natur erfüllen Moose wichtige Funktionen: Sie speichern beispielsweise Wasser. Das Torfmoos kann das 26-fache seines Trockengewichts an Wasser aufnehmen. Moose reagieren sensibel auf Schadstoffe in der Luft – und dienen daher als Bioindikatoren.
Wenn an einem Ort ein bestimmtes Moos anzutreffen ist, dann sagt das etwas über die Umweltbedingungen an diesem Ort aus. Und wenn kein Moos wächst, dann hat das auch etwas zu bedeuten, etwa dass bestimmte Nährstoffe fehlen.
Manche Moose nutzen das Ammoniak aus Autoabgasen als Nährstoff. Andere binden Schwermetalle oder Feinstaub. Wissenschaftler versuchen, diese Eigenschaften gezielt zu nutzen, indem sie etwa Moosfilze an viel befahrenen Straßen anlegen.
Die Moose sind also auch vorbildliche Klimaschützer. Insbesondere das Torfmoos: Dieses trägt entscheidend dazu bei, dass in Mooren aus unvollständig zersetzten organischen Materialien Torf entsteht.
Forscher schätzen, dass der Torf weltweit insgesamt 400 Milliarden Tonnen Kohlenstoff (C) bindet. Gelangte dieser als Treibhausgas – als Kohlenstoffdioxid (CO2) oder Methan (CH4) – in die Atmosphäre, würde das die Temperatur auf der Erde ansteigen lassen.
In vielen Gegenden nutzen Menschen getrockneten Torf als Brennstoff – und geben so den gespeicherten Kohlenstoff wieder frei.
Speichert Kohlenstoff: das Torfmoos
Lebermoose wirken stark fungizid
Das Brunnenlebermoos haben Menschen früher genutzt, um Erkrankungen der Leber zu heilen. Aus einem einfachen Grund: Die Form der Pflanze erinnerte sie an eine Tierleber. Das war mehr Aberglaube und Scharlatanerie als moderne Medizin.
Soll gegen Pilzinfektionen helfen: das Brunnenlebermoos
Inzwischen wissen Ärzte, dass Lebermoose Pilze abtöten, also stark fungizid wirken. Mediziner setzen sie daher zur Behandlung von Haut- und Nagelpilzen ein. Die Mittel sollen sogar besser wirken als kommerzielle Fungizide. Vor einer Eigentherapie ist aber dringend abzuraten.
(Erstveröffentlichung: 2016. Letzte Aktualisierung: 01.08.2019)
Quelle: WDR