Foto: Arved Fuchs.

Gefahren im Eis

Arved Fuchs, der Polar-Abenteurer

Arved Fuchs ist der vielleicht bekannteste Abenteurer Deutschlands. Weltruhm erlangte er 1989 – als erster Mensch, der in einem Jahr sowohl den Nordpol als auch den Südpol zu Fuß erreichte.

Von Christiane Gorse und Harald Brenner

Der Durchbruch: die Südpol-Expedition

1989 war Arved Fuchs 35 Jahre alt und sein Plan war gigantisch: In einem Jahr wollte er als erster Deutscher zunächst den Nordpol zu Fuß erreichen und dann auch noch den Südpol. Für den Südpol tat sich der Seefahrer Fuchs mit dem Bergsteiger Reinhold Messner zusammen und am 30. Dezember 1989 standen beide tatsächlich am Südpol.

In der kurzen Zeit von insgesamt 92 Tagen hatten sie als Erste überhaupt die gesamte Antarktis durchquert – im Schlepptau einen Schlitten von 130 Kilo.

Ob die Expedition gelingen würde, stand schon in Frage, bevor sie überhaupt begonnen hatte. Denn allein die Anreise war schon ein Abenteuer ohnegleichen: "Der Flug in die Antarktis war eigentlich das Gefährlichste an der ganzen Expedition", sagt Arved Fuchs heute.

Mit einer ausrangierten Maschine vom Schrottplatz, gesteuert von einem fast 70-jährigen Rentner, wollten Fuchs und Messner zu ihrem Ausgangspunkt östlich von Patriot Hills gelangen. Mehrmals musste der Flieger umkehren, der Motor fiel aus, die Propeller qualmten – als der Flug endlich gelang, hatten beide schon Todesängste ausgestanden.

Nicht nur die Durchquerung der Antarktis, auch die Anreise war zur damaligen Zeit eine Pioniertat.

Reinhold Messner (re.) und Arved Fuchs stehen vor einer Karte der Antarktis

Arved Fuchs und Reinhold Messner

Start bei schönstem Wetter

Bei schönstem Wetter starteten sie, doch schon bald waren sie der antarktischen Weite, der Kälte und dem rauen Treiben des Eiswindes ausgesetzt. Mit ihren Schlitten zogen sie über endlose Schnee-Felder und über ungewisse Schneebrücken immer bergauf. Der mächtige Eispanzer der Antarktis steigt bis zu 3000 Meter über dem Meeresspiegel auf.

Nach anstrengenden 49 Tagen Marsch riss plötzlich der Himmel auf und vor ihnen lag am Ende des Horizonts die amerikanische Südpol-Forschungsstation.

"Navigieren ist, wenn man trotzdem ankommt!" scherzt Arved Fuchs im Rückblick. Noch heute ist er stolz auf seine Navigationskunst. Sie feierten mit den Forschern Silvester und ruhten sich drei Tage aus.

Dann folgte der Abstieg auf der Route des Südpol-Pioniers Robert Scott. Fuchs und Messner hatten sich für die Expedition je zwei Windsegel anfertigen lassen: ein kleines für sehr starken Wind und ein größeres für leichteren. Bis zu 100 Kilometer Strecke am Tag schafften sie so – zumindest wenn die Windrichtung stimmte.

Ein schnelles Fortkommen, das aber auch gefährlich werden konnte. Mit beachtlichem Tempo riss der Wind sie samt Schlitten über die Eiswüste, hinweg über so manche Gletscherspalte und Klippe. Ein schwerer Sturz, und die Expedition wäre gescheitert. Die beiden Profis aber waren vorsichtig genug und holten sich nur ein paar blaue Flecken.

Mit dem Segeln konnten sie auch Zeit wettmachen, die sie auf der schwierigen Anreise verloren hatten und bei widrigem Sturmwetter mit geschundenen Füßen und schmerzenden Sehnen im Zelt verbringen mussten.

Dann, nach 92 Tagen, hatte die Strapaze ein Ende. Sie erreichten die McMurdo-Bucht und gelangten von dort auf das italienische Forschungsschiff, das sie wieder zurück nach Hause brachte.

Zehn Jahre später: auf den Spuren Shackletons

"Nimm Amundsen für die Planung einer Expedition, nimm Scott für die Wissenschaft bei einer Expedition und nimm Shackleton, wenn es wirklich hart auf hart kommt", fasst Arved Fuchs die Leistungen der drei großen Südpol-Pioniere zusammen.

Der Brite Ernest Shackleton hat es Arved Fuchs besonders angetan. Bei allen Widrigkeiten hatte Shackleton vor allem das Wohl seiner Mannschaft im Blick. Nach seiner zweiten abgebrochenen Expedition zum Pol 1909 brach er 1914 erneut auf– doch wieder mit wenig Glück. Sein Schiff "Endurance" fror im Packeis fest und wurde zerdrückt.

Ihm blieb nur, auf einem Beiboot eine so waghalsige wie spektakuläre Fahrt nach South Georgia zu wagen, um Rettung für seine Männer zu holen. Die Mission glückte und alle kehren heil wieder zurück.

Arved Fuchs widmete eine ganze Expedition dieser Unternehmung. Er ließ das historische Beiboot der "Endurance", die "James Caird", nachbauen und segelte mit ihr ohne Motor und Radar auf den Kursen seines historischen Vorbilds Shackleton.

In insgesamt 23 Tagen segelte Arved Fuchs mit seiner Mannschaft unter denselben Bedingungen wie Shackleton von der antarktischen Halbinsel Esperanza-Bucht bis nach South Georgia. Eisberge, Nebel, Sturm und zehn Meter hohe Wellenberge brachten die Mannschaft an ihre Grenzen.

Wie bei Ernest Shackleton schloss sich danach eine extrem anspruchsvolle Hochgebirgstour über die Gebirgskette von South Georgia an, um auf der anderen Seite zu der heute verlassenen Walfangstation zu kommen, in der Shackleton vor fast 100 Jahren Hilfe holte.

Der britische Südpolarforscher E. Henry Shackleton war Mitglied der "Discovery"-Expedition von R.F. Scott von 1901 bis 1904 und Entdecker des südlichen magnetischen Erdpols 1909. (aufgenommen 1922)

Ernest Shackleton

Fuchs will vor dem Klimawandel warnen

2011 montierte Arved Fuchs eine Boje auf eine Eisscholle, um ihre Fahrt gen Süden zu dokumentieren. Durch die Klimaerwärmung driften die Eisschollen nach Süden und schmelzen dabei.

Die Arktis ist für Fuchs das Frühwarnsystem der Erde. 2002 gelang ihm erstmals die Durchsegelung der Nord-West-Passage – ein Schlüsselerlebnis, weil ihm diese Durchsegelung bis dahin aufgrund der Eisberge nicht gelungen war.

Auch 2009 konnte Arved Fuchs eine erstaunliche Tour absolvieren: von der Westküste Grönlands bis zur nördlichsten Siedlung Kanadas, dem Grise Fjord. Diese Bucht ist im Winter eigentlich völlig zugefroren und im Sommer gibt es riesige Packeisfelder. Als Fuchs sie durchsegelte, war aber alles eisfrei.

Mit Vorträgen, einem Buch zum Thema und anderen Aktionen versucht Arved Fuchs auf den Wandel hinzuweisen und die Menschen zu sensibilisieren.

Expeditionsleiter als Handwerk

Schon in frühester Kindheit war Arved Fuchs fasziniert von Polarforschern. Nach der Schule absolvierte er eine Ausbildung bei der Handelsmarine mit dem Ziel, dort das für spätere Unternehmungen wichtige Rüstzeug zu erlangen. Es folgte ein Studium der Schiffsbetriebstechnik an der Fachhochschule Flensburg bis zur Zwischenprüfung, danach ein Wechsel in die Selbständigkeit.

Auf mehreren Expeditionsschiffen sammelte Fuchs Erfahrungen. Schließlich kaufte und restaurierte er 1988 den alten Hai-Kutter "Dagmar Aaen", um Expeditionen mit einem eigenen Schiff durchführen zu können.

"Mit der Kälte umzugehen, muss man lernen", sagt Arved Fuchs heute. "Man muss herausfinden, wie der eigene Körper darauf reagiert, was man braucht, um nicht auszukühlen." Die ersten Erfahrungen machte Fuchs als junger Mann im Kühlhaus zwischen Schweinehälften bei minus 20 Grad – eine unerlässliche Probe, auch um alle Utensilien wie etwa die Kameras zu testen.

Seit seiner ersten Polartour 1979, bei der er zum ersten Mal versuchte, den Nordpol zu erreichen, hatte er immer wieder die Gelegenheit, von den Inuit in Grönland zu lernen. Auch das Fahren mit dem Hundeschlitten ließ er sich von ihnen zeigen. Mehrere Expeditionen führte er mit einem Husky-Gespann durch.

Mit der Kälte umzugehen, ist das eine Handwerk. Das andere ist die Planung der Expeditionen, das Anwerben von Sponsoren, der Umgang mit der Crew und die richtige Ernährung. Auch das Segeln im Eis und das Fortbewegen auf dem Eis sind unerlässliche Fertigkeiten, um professionell mit den Gefahren im Eis umzugehen.

1990. Arved Fuchs (Polarforscher, Abenteurer aus Deutschland) überquerte zum Jahreswechsel 1989/90 mit Reinhold Messner die Antarktis.

Arved Fuchs (1990)

Quelle: SWR | Stand: 22.01.2021, 19:00 Uhr

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