Der Kontrollraum des YouTube Space in New York

Internet

Wie YouTube die Welt erobert hat

Mehr als 2,5 Milliarden Menschen nutzen YouTube pro Monat. Die Videoplattform hat eine steile Karriere hingelegt. Es gehe heute immer mehr ums Geld, sagen die Kritiker. Aber leiden darunter auch die Inhalte?

Von Max Drews

Das erste YouTube-Video

"Me at the zoo", zu Deutsch: "Ich im Zoo". So lautete der Titel des ersten Videos, das im April 2005 auf der Videoplattform YouTube veröffentlicht wurde. Der Clip dauert lediglich 18 Sekunden und zeigt Jawed Karim, der vor einem Elefantengehege steht. Etwas Besonderes passiert nicht.

Karim ist einer der drei Gründer von YouTube. Seine Mitgründer Chad Hurley und Steve Chen lernte er kennen, als sie alle noch für den Online-Bezahldienst PayPal arbeiteten.

Der Clip mit dem augenscheinlich bedeutungslosen Inhalt zeigt, worum es auf YouTube geht: "Broadcast yourself", also "Sende (dich) selbst". Die Plattform ermöglicht es den Nutzern, eigene Videos hochzuladen und diese der Welt zu zeigen. Es gibt keine Redaktion – und damit keine Ideenfilter.

Wer einen guten Einfall hat, kann ihn umsetzen. Er muss sich bloß an die Regeln halten, darf also nicht gegen das Gesetz oder ethische Grundsätze verstoßen. Wer sich auf YouTube anmeldet, erhält einen eigenen Kanal und kann andere Videos bewerten und kommentieren.

Google schlägt zu – für 1,65 Milliarden Dollar

Das Prinzip kommt gut an. So gut, dass der Suchmaschinen-Konzern Google die Videoplattform anderthalb Jahre später kauft: für 1,65 Milliarden US-Dollar. YouTube kann zunächst unabhängig weiter arbeiten. In den folgenden Jahren verändert Google den Webvideodienst allerdings immer wieder.

Chad Hurley und Steve Chen während einer Präsentation nach dem Verkauf YouTubes an Google

Chad Hurley und Steve Chen während einer Präsentation nach dem Verkauf YouTubes an Google

Eine der größten Änderungen ist die Einführung des Partnerprogramms: 2007 beginnt YouTube damit, in ausgewählten Kanälen vor den Videos Werbung zu schalten. Es finden sich jedoch nur wenige Partner dafür. Google reagiert darauf und lockert 2008 seine Vorgaben: Auch Privatpersonen dürfen sich nun als Partner anmelden – und somit Geld verdienen.

Kleckerweise Geld verdienen – die Menge macht's

Jeder Nutzer kann inzwischen seine Inhalte zu Geld machen. Er muss bloß ein Häkchen setzen, um zuzustimmen, dass YouTube Werbung vor dem Clip platzieren darf. Wie viel ein YouTuber verdient, hängt von der Anzahl der Werbeeinblendungen ab – und damit indirekt von der Aufmerksamkeit, die ein Clip erfährt.

Den Verdienst teilt das Unternehmen mit dem Nutzer, der das Video hochgeladen hat. Für jeden einzelnen Klick gibt es einen kleinen Betrag, meist im Cent-Bereich. Das heißt: Wer viel verdienen will, muss mit seinen Clips viele Klicks generieren.

Was manchen gelingt: "Es gibt einzelne YouTuber, die im Monat 50.000 Euro und mehr verdienen", sagte der Internet-Entrepreneur Christoph Kappes in Planet Wissen. Genaue Zahlen veröffentlichen aber weder Google noch die Kanalbetreiber – das ist vertraglich so geregelt.

Wer von den Werbeeinnahmen eines YouTube-Channels leben will, muss stetig neue Videos produzieren und seinen Kanal professionell betreiben. Einer der erfolgreichsten YouTuber der Welt ist der Schwede Felix Kjellberg. Sein Kanal PewDiePie hatte 2020 mehr als 100 Millionen Abonnenten und war der erste, der diese Marke knackte. Schätzungen zufolge verdiente Kjellberg allein 2018 mehr als 15 Millionen Dollar mit seinen Youtube-Videos.

Der YouTuber Erik Range, alias Gronkh, während der Gamescom 2015

Erik Range alias Gronkh ist einer der aktivsten und erfolgreichsten YouTuber in Deutschland

Die Zuschauer sorgen für erfolgreiche Videos

Erfolg zu haben, bedeutet auf YouTube: viele Klicks haben. Das ist die Währung. Und zum Erfolg führen verschiedene Wege: Virale Videos etwa werden von einem auf den anderen Tag plötzlich von tausenden Leuten abgerufen und in sozialen Netzwerken geteilt.

So schnell wie er gekommen ist, vergeht der Trend aber meist auch wieder. Der Nutzer, der das virale Video hochgeladen hat, hat dann überdurchschnittlich viele Klicks auf diesem einen Video, seine restlichen bleiben aber häufig unbeachtet.

Der YouTuber Florian Mundt, alias LeFloid, interviewt Bundeskanzlerin Angela Merkel im Bundeskanzleramt

Ein Interview von LeFloid mit Bundeskanzlerin Merkel erregte Mitte 2015 viel Aufmerksamkeit

Wer regelmäßig hohe Klickzahlen erreichen will, braucht treue Zuschauer. Diese Abonnenten werden über jeden neuen Upload eines YouTube-Kanals informiert. Ein komplexer Algorithmus, den Google immer wieder verändert, entscheidet darüber, welche Videos auf der YouTube-Startseite landen. Wer hier mit seinem Clip zu sehen ist, kann mehr Menschen erreichen.

Wie genau das Ranking funktioniert ist unklar. Die Anzahl an "Daumen hoch" und "Daumen runter" sowie die Spielzeit sollen hier aber eine Rolle spielen. Das erfolgreichste Genre auf YouTube ist das Gaming – also alles, was mit Computer- und Videospielen zu tun hat.

YouTuber, die Stars zum Anfassen

Häufig haben YouTuber neben ihrem Kanal auch Profile auf sozialen Netzwerken wie Facebook, Twitter oder Instagram: Über diese können sie ihre Fans über neue Videos informieren. Zudem lassen viele YouTuber ihre Fans an ihrem Privatleben teilhaben.

Manche YouTuber in Deutschland haben es inzwischen zu Prominenz gebracht: Sie geben Autogramme, veranstalten Fantreffen und treten auf Veranstaltungen wie den VideoDays auf. Für viele Fans sind die YouTuber wie Stars zum Anfassen, sie sind ihnen näher als die Stars aus dem Fernsehen. Nach dem Motto: Das ist einer von uns!

Immer mehr Verdienstmöglichkeiten

Mit den bekannten Gesichtern der YouTuber lässt sich Geld verdienen. Seit 2012 tauchen zunehmend Produktplatzierungen in Clips auf. Diese funktionieren wie im Film: Der YouTuber baut das Produkt in eines seiner Videos ein, mal prominent, mal eher dezent im Hintergrund. Das jeweilige Unternehmen bezahlt den YouTuber schließlich je nach Klicks, die das Video generiert.

Der YouTuber Torge Oelrich, alias FreshTorge, und Otto Waalkes stehen bei der Premiere des Films „Kartoffelsalat“ auf dem roten Teppich

Der erste deutsche YouTube-Kinofilm "Kartoffelsalat" erhielt eher schlechte Kritiken

Viele YouTuber entwerfen außerdem eigene Produkte, zum Beispiel Kleidung oder Make-Up. Diese lassen sich mit hohem Gewinn an die Fans verkaufen. Andere produzieren eigene Musik und bieten diese über Musikanbieter wie iTunes oder Amazon an, teilweise gibt es die Alben auch auf CD.

Wieder andere verdienen zusätzlich über bezahlte Postings auf Facebook, Twitter und Instagram, was aber natürlich nur funktioniert, wenn man sich eine ausreichend große Fangemeinde aufgebaut hat. Klickt ein Fan auf einen Link, der zu einem bestimmten Produkt in einem Online-Shop führt, und kauft er anschließend dieses Produkt, so verdient der YouTuber mit.

Im Netz des Netzwerks

Wer sich als YouTuber geschickt anstellt und eine hohe Reichweite hat, kann von seinen Einnahmen leben und verdient manchmal sogar überdurchschnittlich. Allerdings sind diese YouTuber dann auch Vollzeit mit nichts anderem beschäftigt und arbeiten oft mehr als 40 Stunden in der Woche.

Zudem ist fast jeder große YouTuber Teil eines Netzwerks. Dieses stellt etwa Lizenzen für Musik oder Grafiken bereit, organisiert Produktplatzierungen und Veranstaltungen. Dafür behält es einen Teil der Einnahmen.

YouTube sei inzwischen zu kommerziell, kritisieren viele Zuschauer und Beobachter. Die Nutzer finden kaum noch neue und frische Inhalte auf der Startseite, sagen sie. Die Netzwerke seien zu mächtig.

Das Logo YouTubes spiegelt sich im Auge eines Betrachters

Auf YouTube bringen viele Klicks viel Geld

Wer heute einen Kanal bei YouTube betreiben will, ist häufig darauf angewiesen, mit einem der großen Netzwerke wie Mediakraft oder Studio71 zusammenzuarbeiten. Denn wer in einem solchen Verbund ist, profitiert davon, dass die anderen Mitglieder ihn und seine Clips bewerben.

Der Nutzer, das Klickvieh?

Manche Kanalbetreiber treiben ihre Nutzer wie Klickvieh durchs Netz: Mehr Klicks bringen mehr Geld. Viele Fans sind noch jung, reflektieren kaum und kaufen oft die Dinge, die ihnen ihr Idol auf YouTube vorgestellt hat. Kritiker fordern hier mehr Verantwortungsbewusstsein, sowohl seitens der Nutzer als auch der YouTuber.

(Erstveröffentlichung 2015. Letzte Aktualisierung 05.11.2021)

Quelle: WDR

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