Wo entscheidet KI schon heute über mich?
Planet Wissen. 15.05.2024. 06:05 Min.. UT. Verfügbar bis 26.10.2028. WDR. Von Hildegard Kriwet.
Künstliche Intelligenz
Science Fiction? Von wegen!
Künstliche Intelligenz ist erst in ferner Zukunft von Bedeutung? Intelligente Systeme findet man bislang nur im Forschungslabor? Falsch gedacht. Auch heute schon sind wir in unserem Alltag von intelligenten Maschinen und Computern umgeben.
Von Ingo Neumayer
Fotografieren und Filmen
Nahezu jeder Fotoapparat und jede Videokamera hat heute Elemente der Künstlichen Intelligenz (KI) in sich. Die Kameras messen mit Sensoren die Helligkeit und passen Blende und Verschlusszeit darauf an. Wenn es zu dunkel ist, wird automatisch der Blitz ausgelöst. Digitalkameras stellen selbstständig die Schärfe für Bereiche ein, die sie für wichtig halten.
Die Erkennung von Personen hat ebenfalls große Fortschritte gemacht. Moderne Kameras erkennen Gesichter und fokussieren diese selbstständig und lösen teilweise erst dann aus, wenn die fotografierte Person lächelt.
Auch geschlossene Augen werden von manchen Kameras erkannt. Der Fotograf erhält dann sofort einen Hinweis und hat die Möglichkeit, noch einmal auf den Auslöser zu drücken.
Moderne Kameras führen viele Schritte selbstständig durch, die man früher nachträglich mit dem Bildbearbeitungsprogramm am Rechner machen musste. Sie korrigieren Unschärfen und heben Kontraste hervor, färben rote Augen um und korrigieren sogar Hautunreinheiten.
Auch Motive werden erkannt: Die Einstellungen ändern sich, wenn man vom Porträt zur Landschaftsaufnahme wechselt. Fotografiert man Texte, korrigieren viele Kameras inzwischen perspektivische Verzerrungen und rücken das Bild gerade.
Auch die Sortierung und das Wiederfinden von digitalen Bildern ist erheblich einfacher geworden. Die Kamera versieht die Bilder automatisch mit dem Aufnahmedatum, sie erkennt die Personen darauf und ermittelt mittels GPS (Global Positioning System) den Aufnahmeort. So lässt sich später leichter das Bild finden, auf dem Lukas im Korsika-Urlaub an seinem Geburtstag ins Meer gesprungen ist.
Assistenten im Auto und auf der Straße
In modernen Autos wird inzwischen eine Vielzahl von KI-Technologien angewendet. Sensoren messen Temperatur, Straßenzustand und den Abstand zu anderen Autos und ermahnen den Fahrer, seine Geschwindigkeit anzupassen. Wenn er die Hinweise ignoriert, greift das System direkt ein und bremst ab, um einen Unfall zu verhindern.
Intelligente Lichtsysteme leuchten die Fahrbahn in Kurven optimal aus und schalten je nach Verkehrslage das Fernlicht ein und aus. In manchen Autos wird die Fahrspur mit Infrarotsensoren abgetastet, die den Sitz vibrieren lassen, sollte man die Fahrbahn verlassen.
In der Oberklasse werden auch Wärmekameras mit Personenerkennung für Nachtfahrten eingebaut. Und es gibt immer mehr Kameras, die den Verkehr beobachten: Sie registrieren Verkehrsschilder, helfen beim Einparken oder dabei, automatisch den Abstand zum Vordermann zu halten.
Anti-Blockier-Systeme für die Räder und Bremsassistenten, die den Bremsweg verkürzen, gehören bei Neuwagen schon längst zum Standard.
Doch nicht nur das Fahrzeug selbst, auch der Verkehr wird mit KI-Systemen gesteuert. Navigations-Apps wie Google Maps oder Karten von Apple erfassen in Echtzeit den Verkehr und bieten Weg-Alternativen an, sollte es Stau geben. Grundlage sind die Nutzerdaten der anderen Autofahrer, die permanent ihren Standort an ein Rechnersystem senden.
Das selbstfahrende Auto ist inzwischen keine Zukunftsmusik mehr, sondern im Grunde schon Realität. Zumindest die technischen Voraussetzungen sind vorhanden: Man ruft sich vor der Haustüre per App das Auto, das wie von einem Chaffeur gelenkt angefahren kommt.
Nach der Zieleingabe kann man sich entspannen und dem Auto bei der Fahrt zusehen. Es berechnet die Route, hält dank Kameras, Ultraschallsensoren und Radar Abstand zu Hindernissen und anderen Fahrzeugen und bringt einen zum Ziel. Dort steigt man aus und überlasst die lästige Parkplatzsuche dem Wagen.
Dass dieses Szenario noch nicht Realität ist, liegt vor allem an zwei Bereichen: Erstens sind viele Rechtsfragen noch nicht geklärt. Wer haftet bei einem Unfall – der passive Fahrer oder der Hersteller?
Und zweitens ist da noch der Mensch als Verkehrsteilnehmer, der oft Fehler macht und sich "menschlich" verhält. Wie kann man ein sicheres Verkehrssystem gestalten, in dem sowohl von Menschen gesteuerte als auch autonome Autos unterwegs sind? Mit dieser Frage beschäftigen sich gerade viele Forscher.
Das Auto denkt mit
Die Suchmaschine weiß, was ich will
Eine Situation, die jeder von uns kennt: Ich suche eine Straße bei Google, und noch bevor ich "Mozartstraße, Köln" fertig getippt habe, bietet mir die Suchmaschine den korrekten Begriff an. Oder ich gebe nur "Mozartstraße" ein und bei den ersten Treffern wird die Kölner Mozartstraße aufgeführt und nicht die in Essen, Stuttgart, Regensburg oder Künzelsau.
Die automatische Ergänzung funktioniert deshalb, weil sich der Computer meine vorherigen Suchen – etwa in der Routenplanung – speichert oder durch GPS-Ortung daraus schließt, dass ich in Köln wohne. Entsprechend wahrscheinlicher ist es für ihn, dass ich die Kölner Mozartstraße suche.
Ein weiterer Faktor der Intelligenz heutiger Suchmaschinen basiert darauf, dass viele Begriffe zusammen gesucht werden. Das spiegelt sich auch in den Suchanfragen und den entsprechenden Ergänzungsvorschlägen wider. Auch Aktualität spielt eine Rolle. Wer "Wimbledon-Sieger" sucht, wird 2020 andere Ergebnisse in einer anderen Reihenfolge geliefert bekommen als 2015.
Wie genau die Algorithmen aussehen, nach denen Suchmaschinen wie Google funktionieren und personalisierte Suchergebnisse und Vorschläge ausspucken, ist ein gut gehütetes Geheimnis.
Wie Google genau sucht, bleibt geheim
Vom Callcenter zu Siri
"Es tut mir leid, ich habe Sie nicht verstanden! Bitte wiederholen Sie Ihre Antwort." Jeder kennt die Computerstimmen, die einen beim Anruf in Callcentern schier in den Wahnsinn treiben, weil sie auch beim dritten Mal das einfache Wort "Rechnung" nicht verstehen.
Ganz anders die Situation bei modernen Smartphones: Dort vollbringen Sprachassistenten Höchstleistungen. Sie verfassen Mails und Notizen, die man ihnen diktiert, tragen Termine ein und rufen in der Kita an. Aber wieso funktioniert das eine System so erstaunlich gut und das andere sorgt ständig für Klagen?
Der Unterschied liegt vor allem darin, dass die Systeme in Callcentern auf viele verschiedene Benutzer eingestellt sind und die Informationen über die Telefonleitung meist in minderer Qualität ankommen.
Spracherkennungen wie Siri, Alexa & Co. sind dagegen direkt mit dem Benutzer verbunden, der in der Regel immer derselbe ist. Außerdem sind sie lernfähig und bei häufigem Gebrauch immer besser in der Lage, die sprachlichen Eigenheiten des Benutzers zu erkennen.
Die Sekretärin im Smartphone: Siri
Der Computer als Übersetzer
Nicht nur das gesprochene, auch das geschriebene Wort wird von Computern immer besser verarbeitet. Das Problem dieser Programme ist logischerweise nicht die Bedeutung eines Wortes; Computer können problemlos tausende Wörterbücher speichern und darauf zurückgreifen.
Kompliziert wird es bei Grammatik, Satzbau und Sprachstil. Eine Möglichkeit ist ein Übersetzungsspeicher mit häufigen Formulierungen und deren Übersetzungen, auf den das Programm zurückgreifen kann.
Doch auch wenn die Übersetzungsprogramme immer besser werden: Man merkt in der Regel, ob ein Text von einem Menschen oder automatisch von einem Computer übersetzt wurde.
In vielen Fällen, in denen es nur um die grobe Bedeutung geht, ist das nicht weiter schlimm und wird immer mehr akzeptiert – etwa bei den automatisierten Übersetzungen in Sozialen Netzwerken. Bis ein Programm allerdings ein literarisches Werk wie ein Gedicht oder einen Roman so übersetzen kann, dass man keinen Unterschied bemerkt, wird es wohl noch eine Weile dauern.
(Erstveröffentlichung 2013. Letzte Aktualisierung 26.10.2020)
Quelle: WDR