Sonden und Raketen
Geschichte der Ariane-Raketen
Europas Raumfahrtindustrie musste einen langen Weg zurücklegen, um heute die europäische Raketenfamilie "Ariane" zur Verfügung zu haben. Die europäische Raumfahrt steckte zu Beginn der 1970er-Jahre in einer Krise.
Von Wolfgang Richter und Tobias Schlösser
Europa-Rakete Ariane
Das Ariane-Projekt trug maßgeblich dazu bei, dass die Krise in der europäischen Raumfahrt überwunden werden konnte – unter anderem, weil Deutsche und Franzosen bei der Entwicklung der Ariane enger als zuvor zusammenarbeiteten.
Ziel war es, eine Trägerrakete zu entwickeln, die mit den Modellen der USA konkurrieren konnte. Sie sollte kommerzielle Satelliten sowohl in niedrige Umlaufbahnen als auch in sehr hohe, geostationäre Bahnen einschießen können.
Der Zeitpunkt für die Neuentwicklung – Mitte bis Ende der 1970er-Jahre – war gut gewählt. Die USA hatten nach dem Ende des Apollo-Programms (1972) ganz auf die Entwicklung des wiederverwendbaren Raumtransporters "Space Shuttle" gesetzt.
Dadurch war die Produktion von Raketen für kleinere Nutzlasten heruntergefahren worden. Die Satellitenbetreiber suchten nach einer neuen Trägerrakete und Ariane kam da gerade zur rechten Zeit auf den Markt.
Lange Zeit begleiteten Fehlschläge Europas Raketenbauer seit dem ersten Start einer Ariane 1 am 24. Dezember 1979. Doch nach dem letzten Unglück im Jahre 2002 gab es mehr als 50 erfolgreiche Starts in ununterbrochener Reihenfolge.
Ariane – doch noch eine Erfolgsstory
Bevor die Ariane zu einer Erfolgsstory wurde, wusste die Presse von der "Raketenpleite von Guayana" zu berichten. Der Start der Vorgängerrakete vom Typ "Europa II" im November 1971 von Kourou aus war misslungen. Doch wenigstens der Startplatz war gut gewählt.
Kourou liegt in Französisch-Guayana, dicht am Äquator, was durch die dort größere Eigendrehgeschwindigkeit der Erde einen gewaltigen energetischen Vorteil bringt. Eine von dort gestartete Rakete braucht ihre dritte Stufe nur einmal zu zünden und verbraucht damit beim Flug ins All 15 Prozent weniger Treibstoff als die Konkurrenz.
Die Ariane-1-Raketen wurden von 1979 bis 1986 zum Start von Erdbeobachtungs-, Wetter- und Kommunikationssatelliten genutzt. In den Jahren 1983 bis 1989 ergänzten Ariane 2 und Ariane 3 die Raketenfamilie. Mit dem Einsatz der Ariane 4 hatten sich die Entwicklungskosten der verschiedenen Modelle auf 2,25 Milliarden Euro summiert.
Die Ariane war die erste Rakete, die speziell für die kommerzielle Raumfahrt entwickelt wurde. Über die Geschichte der Ariane-Raketen kann man sich ausführlich im Toulouser Space Center (Centre Spatial de Toulouse) informieren.
Gute Wahl: der Startplatz in Kourou
Ariane 4 – Symbol der europäischen Raumfahrt
Am 15. Juni 1988 brachte erstmals eine Ariane 4 den ESA-Satelliten "Meteosat P2" (Meteosat 3) auf seine Bahn in 36.000 Kilometern Höhe. Bis zum letzten Start im Februar 2003 war die Ariane 4 mit insgesamt 113 erfolgreichen Starts bei nur drei Fehlschlägen zum Symbol der europäischen Raumfahrt geworden. Ihre Erfolgsquote von mehr als 97 Prozent ist bis heute bei den vergleichbaren US-Konkurrenzmodellen unerreicht.
Die Ariane 4 bestand aus drei Hauptstufen. Die erste und zweite Stufe nutzten festen Treibstoff. Die dritte Stufe wurde mit flüssigem Wasserstoff und flüssigem Sauerstoff betrieben. Das "Viking"-Triebwerk war das Haupttriebwerk für die erste und zweite Stufe. Allein 139 Telekommunikationssatelliten, darunter die bekannten von Eutelsat und Astra, wurden mit Ariane 4 abgesetzt.
Ariane 4 war für Nutzlasten von bis zu fünf Tonnen ausgelegt. Doch die Mehrzahl der Satelliten wurde kleiner und leichter konzipiert, das Marktsegment der 5-Tonnen-Satelliten schrumpfte. Die Ariane-Betreiber entschieden daher, den Bau der Ariane 4 im Jahr 2003 einzustellen.
Der letzte Flug der Ariane 4 war ein historischer Moment für die europäische Raumfahrt, denn die Rakete hatte sich den Ruf des zuverlässigsten kommerziellen Satellitenträgers erarbeitet und musste nun der leistungsfähigeren und an den Satellitenmarkt besser angepassten Ariane 5 weichen.
Die Ariane 4 – zuverlässig und erfolgreich
Ariane 5 – Gegenwart und die Zukunft
Jeder Start einer Ariane 5 in Kourou ist ein imposantes Ereignis. Die 50 Meter hohe Rakete verbrennt allein in ihrer Zentralstufe 155 Tonnen Wasserstoff und Sauerstoff. Dazu kommen die Feststoffbooster an der Seite, die nur zwei Minuten lang brennen und dann abgeworfen werden.
Die Ariane 5 ist robuster als alle vorherigen Versionen. Sie besitzt zwei Stufen und hat zwei Triebwerke.
Das "Vulcain"-Triebwerk verbrennt flüssigen Treibstoff. Während seiner Brenndauer von zehn Minuten verlässt die Rakete die Atmosphäre.
Das "Aestus"-Triebwerk bringt innerhalb von 25 Minuten die Rakete auf eine Geschwindigkeit von 28.000 Kilometern pro Stunde. Das reicht aus, um einen Satelliten auf eine geostationäre Umlaufbahn zu bringen.
50 Meter hoch: Die Ariane 5
Anfängliche Startschwierigkeiten
Zehn Jahre Entwicklungsarbeit und sieben Milliarden Euro Entwicklungskosten steckten in der ersten Ariane 5, als sie im Sommer 1996 zum Start geschoben wurde. Doch schon 39 Sekunden nach dem Start verursachte ein Softwarefehler ein plötzliches Neigen der Rakete.
Sie musste in einer Höhe von 4000 Metern vor den Kameras von Fernsehteams aus aller Welt gesprengt werden. Ein herber Rückschlag für das Ariane-Programm und die gesamte europäische Raumfahrt. Allein die Kosten für die dabei zerstörten Wissenschaftssatelliten beliefen sich auf 500 Millionen Euro.
Erst 16 Monate nach dem Fehlschlag gelang am 23. Juli 1997 der erste erfolgreiche Start.
Ein weiterer Fehlstart ereignete sich am 11. Dezember 2002, als eine neue Version der Ariane 5 drei Minuten nach dem Start außer Kontrolle geriet. Die Techniker entschlossen sich zur Notsprengung. Zwei insgesamt 600 Millionen Euro teure Forschungssatelliten wurden dabei zerstört. Das Kühlsystem des Raketenmotors hatte versagt.
In der Ariane 5 stecken zehn Jahre Entwicklungsarbeit
Konkurrierende Systeme
Dieser Rückschlag traf die ESA und die Vermarktungsfirma "Arianespace" zu einem besonders ungünstigen Zeitpunkt. Die Telekommunikationsindustrie steckte in der Krise, die Anzahl der neu zu startenden Telekommunikationssatelliten nahm stetig ab.
Während die US-Konkurrenten bei ihren Starts für das Verteidigungsministerium und die NASA oftmals vom Staat subventioniert werden, war das Vermarktungskonzept der Europäer von Anfang an ein rein kommerzielles. Bei schweren Satelliten bringen die USA zudem die neuen Raketenmodelle "Atlas 5" und "Delta IV" zum Einsatz. Auch Russland ist mit den ausbaufähigen Trägern "Zenith" und "Proton" bestens für die Zukunft gerüstet.
Zur langfristigen Sicherung ihrer Wettbewerbsposition wurde die Ariane 5 im Rahmen des "Ariane 5 Plus"-Programms weiterentwickelt. Kernpunkte waren die schrittweise Nutzlasterhöhung von sechs auf bis zu zwölf Tonnen sowie eine noch größere Flexibilität bei den Startdienstleistungen.
So wurde über eine Weiterentwicklung des "Aestus"-Antriebs erreicht, dass die Oberstufe insgesamt fünfmal gezündet werden kann. Auf diese Weise können mehrere Satelliten in unterschiedliche Umlaufbahnen ausgesetzt werden.
Damit erfüllt die Ariane 5 die Anforderungen von über 90 Prozent aller Satellitenbetreiber und kann als effektiver "Sammeltransporter" eingesetzt werden.
Neue Modelle und Einsatzmöglichkeiten
Inzwischen hat sich die Ariane 5 mit 50 erfolgreichen Starts in Folge als verlässliche Trägerrakete bewährt. Neue Einsatzmöglichkeiten kommen hinzu, das zeigte nicht zuletzt die "Ariane 5 ES ATV".
Diese spezielle Version konnte das etwa 20 Tonnen schwere europäische Versorgungsraumschiff ATV ("Automated Transfer Vehicle") in den Erdorbit tragen, das von dort aus selbstständig weiter zur Internationalen Raumstation ISS flog.
Es brachte Nachschub wie Nahrung, Wasser, Treibstoffe und Ausrüstung zur Station. Der erste Transporter mit dem Namen "Jules Verne" startete erfolgreich am 9. März 2008, der fünfte und letzte am 30. Juli 2014 mit dem Namen "Georges Lemaître".
Die Europäer werden sich nun anderen Aufgaben auf der ISS widmen und die Versorgungsflüge den amerikanischen, russischen und japanischen Partnern überlassen.
Wie die Nachfolgerakete Ariane 6 aussehen wird, darüber scheiden sich bisher die Geister. Eine Variante mit einer Festtreibstoff-Hauptstufe wäre zwar kostengünstig – aber da solche Raketen immer hochexplosiven Treibstoff enthalten, geht von ihnen auch permanent eine hohe Gefahr aus.
Zudem sind sie dadurch schwerer als vergleichbar große Flüssigtreibstoffraketen, die leer transportiert und erst bei Bedarf betankt werden können. Der Erstflug der Ariane 6 war ursprünglich für das Jahr 2020 geplant und verschob sich dann auf Ende 2022.
Das ATV belieferte die ISS mit Vorräten
Quelle: SWR | Stand: 30.07.2021, 13:01 Uhr