Ein Relief auf einem alten Grabstein zeigt, wie Arbeiter Marmor behauen und abtransportieren

Marmor

Arbeit in den Marmorbrüchen

Hart und gefährlich war das Leben der Arbeiter in den Marmorbrüchen in den vergangenen Jahrhunderten. Das jedenfalls belegen Berichte der Zeitzeugen.

Von Bärbel Heidenreich

Was Michelangelo um 1506 berichtete

Michelangelo Buonarroti, wie er mit Familiennamen hieß, kam ab 1506 immer wieder nach Carrara, um sich die besten Marmorblöcke für seine Skulpturen auszusuchen. Drei Jahre seines Lebens verbrachte er insgesamt dort. Er stieg in die Marmorbrüche zu den Arbeitern, denn er wollte nur die schönsten Blöcke für seine Aufträge, wie zum Beispiel für die Fassade der San-Lorenzo-Kirche in Florenz und das Grabmahl für Papst Leo X. in Rom.

Michelangelo schrieb 1506 an den Papst: "Seiner Heiligkeit zu dienen, kehrte ich also nach Carrara zurück, um die Marmorblöcke für das Grabmal nach Rom zu transportieren. Daraufhin sandte mir Papst Leo die ersten 1000 Dukaten. Ich habe es also auf mich genommen, Tote zu erwecken, indem ich die Berge hier bezwingen und Kunst in diese Gegend pflanzen will."

Böse Überraschungen trafen den Meister, wenn sich herausstellte, dass zum Beispiel ein Marmorblock innen Fehler aufwies und er die Skulptur nicht vollenden konnte, weil Risse oder Absplitterungen auftraten. Im August 1518 schrieb Michelangelo:

"Der Marmorhang liegt ein wenig hinter Riomania auf dem Weg nach Serroveza. Dort ist noch ein großer Fels in der Straßenschlucht. Der andere liegt bei den letzten Häusern von Serraveza nach Corvara zu. Leider sind die Dinge ansonsten schlecht vorangegangen. Eine Säule war fast ausgebrochen, da fand ich einen Fehler im Marmor, der sie mir verstümmelte. Ich musste also noch einmal so tief in den Fels eindringen.

Aber genug. Was ich versprochen habe, werde ich unter allen Umständen ausführen und ich werde das schönste Werk, das je in Italien geschaffen wurde, vollbringen, wenn Gott mir hilft. Michelangelo."

Der nackte Jüngling aus weißem Marmor ist mehr als doppelt so groß wie ein Mensch. Er schaut seitlich, eine Hand zur Schulter gerichtet. Er steht auf einem Sockel und ist umgeben von vielen Besuchern.

Michelangelos "David" in Florenz

Michelangelos Gedichte

Weniger bekannt ist, dass der große italienische Maler und Bildhauer Michelangelo auch viele Gedichte und Minnelieder schrieb. Da geht es um schöne Frauen, die Liebe und den Marmor wie zum Beispiel hier:

"Beim Modellieren der hartherzigen Schönen.
Drückt Einer wirklich je sein eigen Ich
Im Marmorbildniß eines And'ren aus,
So mach' ich's öd'und graus
Gar oft, wie ich geworden bin durch Die hier.
Und immer schein' ich mich
Zu bilden, denk ich auch, ich bilde sie mir.
Wohl könnt'ich sagen: wie hier
Der Marmor hart und spröd',
Aus dem ich sie erschaff', ist sie von Stein!
Auch wüßt' ich And'res nie mir
(Von ihr zerstört, verschmäht!)
Zu bilden als mein eig'nes trübes Sein.
Kann Kunst nur Dauer leih'n
Der Schönheit, nun, so mag Sie mich beglücken!
Dann bild' ich Sie der Nachwelt zum Entzücken.

(Aus: Gedichte des Michelangelo Buonarroti, übersetzt von Walter Rober-Tornow, Berlin 1896)

Was Charles Dickens 1845 niederschrieb

Im Sommer 1844 brach der damals schon berühmte englische Schriftsteller Charles Dickens mit seiner Familie zu einer Italienreise auf. Er wollte sich in Italien eine längere Auszeit gönnen, ließ sich in Genua nieder und bereiste von dort aus das gesamte Land. In der toskanischen Stadt Carrara war zu dieser Zeit gerade ein hübsches, kleines Theater gebaut worden.

Das Besondere daran: Der Chor setzte sich aus Arbeitern der Marmorbrüche zusammen. Eine Gesangsausbildung hatte niemand von ihnen. Sie sangen nur nach Gehör. Dickens schrieb: "Ich hörte sie in einer komischen Oper und in einem Akt von Bellinis 'Norma', und sie machten ihre Sache sehr gut, im Unterschied zu den anderen Italienern, die mit Ausnahme der Neapolitaner völlig falsch zu singen pflegen und wenig wohllautende Stimmen haben."

Früh morgens mietete er Ponys und machte sich mit seiner Familie auf zu den Marmorbrüchen. Er schrieb: "Drei große Täler ziehen sich die Hügel hinauf, bis die Natur ihnen Einhalt gebietet. Die Marmorbrüche oder Marmorgruben, wie sie auch genannt werden, sind Öffnungen hoch oben am Hügel zu beiden Seiten dieser Täler.

Dort wird Marmor gebrochen und hervorgeholt, der entweder von guter oder schlechter Qualität ist; folglich kann ein Mann durch ihn schnell reich werden oder durch die großen Kosten eines sich nicht lohnenden Bruches völlig verarmen. Einige der Brüche sind bereits von den alten Römern angelegt worden und bis zur Stunde so verblieben, wie sie von diesen verlassen wurden. In vielen anderen wird fleißig gearbeitet, wieder andere sollen morgen, nächste Woche oder nächsten Monat in Angriff genommen werden.

Eine ganze Reihe ist noch nicht verkauft, und niemand denkt bis jetzt daran, sie auszubeuten. Überall gibt es Marmor genug, und zwar für mehr Jahrhunderte, als seit der Entdeckung der Brüche vergangen sind; das edle Gestein harrt geduldig darauf, gefunden zu werden."

Ein Mann mittleren Alters mit halblangen Haaren, einem Schnauz- und Kinnbart sitzt auf einem Lehnstuhl. Leicht gewendet, liegt die rechte Hand auf der Rückenlehne. Er blickt nach rechts.

Der britische Schriftsteller Charles Dickens

Dickens: Eisenbahn statt Ochsenkarren

Der Abtransport der gewaltigen Blöcke beeindruckte Charles Dickens besonders. Er schrieb: "Man stelle sich einen kleinen Bach vor, der über ein felsiges, mit Haufen von Steinen jeder Form und Größe bedecktes Bett rinnt, das sich mitten in der Schlucht hinabwindet. Das ist auch heute der Weg, so wie er es vor fünfhundert Jahren war.

Man denke sich, dieselben Karren wie vor fünfhundert Jahren werden noch zu dieser Stunde gebraucht und wie vor fünfhundert Jahren von Ochsen gezogen, deren Vorfahren vor fünfhundert Jahren, wie ihre unglücklichen Nachkommen jetzt noch, von der Anstrengung und Qual dieser schweren Arbeit in einem Jahr zu Tode geschunden wurden.

Je nach der Größe sind zwei Paar, vier Paar, zehn Paar, zwanzig Paar Ochsen vor einen Block gespannt und müssen diesen Weg hinab. Während sie ihre ungeheure Last mühsam von Fels zu Fels schleppen, sterben sie oft unterwegs, und nicht nur sie allein, sondern manchmal auch ihre sich wild gebärdenden Treiber, die in ihrem Übereifer oft unter die Räder kommen und von diesen zermalmt werden. Aber was vor fünfhundert Jahren gut war, muss auch heute noch gut sein und eine Eisenbahn von den Höhen herab – die einfachste Sache von der Welt – würde man wahrscheinlich als Blasphemie ansehen."

Aber Mr. Dickens urteilte voreilig: 30 Jahre später, 1876, hatte Carrara seine "Carrara-Bahn", die die Marmorbrüche mit dem Meer verband. Die Hauptlinie war 20 Kilometer lang, hatte 15 Tunnel und 16 Brücken. Die Entwicklung der Diesel-Lastkraftwagen ab 1923 machten der Bahn noch lange keine Konkurrenz. Das geschah erst, als sie leistungsfähiger wurden. Der Verlauf der alten Bahnlinie ist aber noch heute zu sehen.

Marmorstatuen im Foro Italico

Für Statuen ist Marmor das Material der Wahl

(Erstveröffentlichung: 2004. Letzte Aktualisierung: 07.01.2020)

Quelle: WDR

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