Verlassenes Straflager Gulag (1993)

Stalin

Gulags – Konzentrations- und Straflager

Schon in den 1920ern kamen so genannte "Klassenfeinde der Sowjetrepublik" in Konzentrationslager – die so genannten Gulags. Unter der Herrschaft des Diktators Josef Stalin breitete sich das Gulag-System überall in Russland aus.

Von Gregor Delvaux de Fenffe

Der stalinistische Gulag

Unter der Terrorherrschaft von Stalin war es ab Mitte der 1930er-Jahre alltäglich, dass Menschen wegen kleinster Vergehen, Verdächtigungen oder auch ohne erkennbaren Grund von der sowjetischen Geheimpolizei abgeholt und hingerichtet wurden. Millionen Existenzen wurden zerstört, Familien zerfielen, Kinder wurden zu Waisen.

Viele Menschen verschwanden auch ohne Wissen der Angehörigen im so genannten Gulag. Das war das sowjetische System der Konzentrations- und Arbeitslager, die Abkürzung Gulag steht für "Glavnoe Upravlenie Lagerej", zu deutsch: Hauptverwaltung der Arbeitslager.

Wer unter die Räder des stalinistischen Massenterrors geriet und nicht getötet wurde, der verschwand meist für Jahre oder Jahrzehnte in einem der gefürchteten Straflager. Viele kehrten nie zurück.

476 Lagerkomplexe mit Tausenden Einzellagern, in denen jeweils bis zu mehrere Tausend Menschen lebten, umfasste der Gulag in seiner größten Ausdehnung. Die amerikanische Journalistin und Gulag-Expertin Anne Applebaum ermittelte in jahrelangen Recherchen, dass von 1929 bis zu Stalins Tod 1953 rund 18 Millionen Menschen in sowjetischen Zwangsarbeitslagern interniert waren.

Viereinhalb Millionen von ihnen starben an Unterernährung, an Erschöpfung, durch Erfrieren, an Krankheiten und an den Folgen drakonischer Strafen. Erst der Tod des Diktators führte zur Auflösung des stalinistischen Gulag.

Zeichnung des Gulag Workuta: Ein paar Häuser, die in der Einöde stehen, sind von Stacheldrahtzäunen umgeben.

Eines von Tausenden Einzellagern: der Gulag Workuta

"Der Archipel Gulag"

Der ehemalige Häftling und Nobelpreisträger Alexander Solschenizyn legte 1974 ein erschütterndes Zeugnis von der menschenverachtenden Maschinerie des Gulag ab. Sein Werk "Archipel Gulag" beschreibt die stalinistischen Lager als Inseln der Unmenschlichkeit, Unterdrückung und Vernichtung, geschlossene Räume mit eigenen Regeln und Gesetzen.

Das Buch erlangte damals weltweit Aufmerksamkeit und lenkte den Blick auf das stalinistische Unterdrückungssystem, sehr zum Unwillen der sowjetischen Führungsschicht.

Solschenizyn erhält den Literaturnobelpreis (am 10.12.1970)

WDR Zeitzeichen 10.12.2020 14:57 Min. Verfügbar bis 11.12.2099 WDR 5


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Die Häftlinge selbst sprachen vom Prinzip "Fleischwolf", berichtet Anne Applebaum: von Verhaftung, Verhör, Zerstörung der Familien, Deportation in ungeheizten Viehwaggons, Zwangsarbeit und Verbannung und von einem frühen Tod.

Solschenizyn beschreibt die fein abgestuften Rangordnungen im Lager und die perfiden Mechanismen der Unterdrückung – der Gulag als System, das den internierten Menschen ihre Würde raubte.

Der Schriftsteller und Nobelpreisträger Alexander Solschenizyn.

Alexander Solschenizyn saß als Häftling im Gulag

Wirtschaftsfaktor Gulag

Neben dem erklärten Ziel der Internierung von Millionen unschuldiger politischer Häftlinge ging Stalin fälschlicherweise davon aus, dass der Gulag für das sowjetische Wirtschaftswachstum unentbehrlich sei. Die Häftlinge sollten die Industrialisierung der Sowjetunion vorantreiben, Bodenschätze ausbeuten und den lebensfeindlichen Norden Sibiriens erschließen. Die Strafgefangenen wurden in riesigen Straßenbauprojekten verheizt, sie schürften Gold, förderten Kohle und Erze und rodeten ganze Wälder.

Nach Stalins Tod 1953 wurde offenkundig, dass der Gulag ein höchst ineffizientes und unwirtschaftliches Unterdrückungssystem war, das nicht nur Millionen Menschenleben zerstörte, sondern auch die Sowjetunion Millionen an Investitionen kostete. Das System Gulag hatte die wirtschaftliche und politische Rückständigkeit des Staates sogar zementiert.

Schwarzweiß-Foto: Zwangsarbeiter im Steinbruch

Zwangsarbeit im Steinbruch

(Erstveröffentlichung 2007. Letzte Aktualisierung 10.10.2018)

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Quelle: WDR

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