Alleinige Herrscher über Ägypten
Die oberste Pflicht eines Pharaos war, unter seinem Volk Gerechtigkeit herrschen zu lassen. Hierfür hatte jeder Pharao einen engen Vertrauten, den Wesir. Dieser delegierte wiederum ein Heer von Richtern, Schreibern und Direktoren.
So war der Pharao zwar der alleinige Herrscher, hatte aber schon im alten Ägypten einen gewaltigen Beamtenapparat unter sich, der für ihn die weltlichen Dinge regelte. Bis auf einige Ausnahmen scheinen die alten Pharaonen zwar Herrscher, aber keine Diktatoren gewesen zu sein. Sie verfügten dagegen über ein ausgeklügeltes Rechtssystem.
Wenn man vom alten Ägypten spricht, fallen häufig die Namen bekannter Pharaonen wie Tutanchamun, Cheops oder Menes. Gemeinsam ist allen, dass sie in ihrer Dynastie alleinige Herrscher über Ägypten waren. Leicht übersieht man, dass zwischen den Lebenszeiten dieser Pharaonen Jahrtausende liegen, in denen ganze Teile der Kultur zerstört und vergessen wurden oder sich neu entwickelten.
Was wusste Tutanchamun über Menes?
Tutanchamun (um 1333 bis 1323 vor Christus) etwa dürfte nicht wesentlich viel mehr über den Pharao Menes (um 3032 bis 3000 vor Christus) gewusst haben als wir – schließlich trennen die beiden mehr als 1600 Jahre Geschichte. Ohne eine genaue Aufteilung der Epochen verliert man leicht den Überblick.
Das alte Reich (um 2707 bis 2170 vor Christus)
Historiker teilen die Geschichte Ägyptens oft in drei Epochen auf: das alte, mittlere und neue Reich. Im vierten Jahrtausend vor Christus ließen sich immer mehr Volksstämme im Niltal nieder. Die Sesshaftigkeit brachte einen höheren Lebensstandard mit sich, der immer mehr Nomaden ins kulturelle Zentrum am Nil zog.
Dies war die Grundlage für das alte Reich, die Epoche der Pyramidenbauer. Sie gilt als die großartigste Epoche in der gesamten ägyptischen Zivilisationsgeschichte. Es wurden zivile und religiöse Gesetze sowie die Schrift festgelegt. Der Pharao wurde als göttliches Wesen gesehen und hatte die Weltordnung aufrecht zu erhalten, auch nach seinem Tod.
Viele Nomaden wurden im Niltal sesshaft
Die ersten Pharaonen
Einer der ersten Pharaonen dieser Zeit war Djoser (um 2690 bis 2670 vor Christus). Über sein politisches Handeln ist nicht viel bekannt – doch er war es, der mit seiner Stufenpyramide von Sakkara den Bau der gigantischen Pyramiden vom Gizeh-Plateau erst ermöglichte.
Snofru (um 2639 bis 2604 vor Christus), sein Sohn Cheops (um 2604 bis 2581 vor Christus), sein Enkel Chephren (um 2572 bis 2546 vor Christus) und sein Ur-Enkel Mykerinos (um 2539 bis 2511 vor Christus) zählen zu den bekanntesten Pharaonen überhaupt. Grund dafür sind nicht nur die gigantischen Pyramiden, die sie sich bauen ließen, sondern vor allem, dass sie Ägypten in eine Blütezeit führten.
Snofru startete Expeditionen in andere Länder und baute Handelsbeziehungen auf. Bis auf Cheops sollen die Herrscher aus der Mitte des alten Reiches sehr sanftmütig gewesen sein. Mykerinos war übrigens mit seiner Schwester verheiratet – damals dachten die Menschen noch, dass Verbindungen unter Adligen das Blut reinhalten. Des Öfteren führte diese Fehleinschätzung zu behindertem Nachwuchs.
Ein Grund für den Untergang des alten Reiches könnten klimatische Veränderungen in der Zeit um 2250 vor Christus gewesen sein. Wissenschaftler vermuten, dass der Nil wegen einer Trockenperiode lange Zeit nicht über seine Ufer trat und so der Boden unfruchtbar blieb. In dieser Zeit soll bis zu 20 Prozent weniger Niederschlag gefallen sein.
Die erste Pyramide der Welt
Das mittlere Reich (um 2060 bis 1785 vor Christus)
Zwischen dem alten und dem mittleren Reich lag die sogenannte erste Zwischenzeit. In ihr zerfiel das Reich. Über viele Jahrzehnte herrschte Anarchie, die Zeit war geprägt von sozialen Umwälzungen und Hungersnöten. Verschiedene Könige versuchten die Macht an sich zu reißen.
Es dauerte rund 200 Jahre, bis wieder Frieden einkehrte. König Mentuhotep schaffte es um 2040 vor Christus, die Macht für längere Zeit an sich zu binden und das Land zu vereinen. 40 der 50 Jahre seiner Amtszeit verbrachte er mit Kriegen im eigenen Land. Er gilt als Begründer des mittleren Reiches.
Theben: Hier siedelten die Ägypter ihre neue Hauptstadt an
Nach der Wiedervereinigung wurde die Hauptstadt des Reiches von Memphis nach Theben verlegt, in die Nähe des "Tals der Könige". Unter den größten Pharaonen dieser Epoche – Amenemhet, Sesostris I., Amenemhet III. und Sesostris III. – gelangte das Land zu einem bis dahin nicht dagewesenen Reichtum.
Sesostris III. besetzte Nubien im heutigen Sudan und stieß bis nach Palästina vor. Doch auch das mittlere Reich wurde schon bald durch interne Machtkämpfe um den Thron destabilisiert. Es war nur eine Frage der Zeit, bis ein anderes Volk versuchte, die Herrschaft über das fruchtbare Land zu gewinnen.
Das neue Reich (um 1570 bis 1075 vor Christus)
Etwa um 1650 vor Christus übernahmen die Hyksos, ein asiatischer Stamm, die Macht in Ägypten. Sie überrumpelten die Ägypter mit ihren Waffen aus Eisen, das dem Volk der Pyramidenbauer bis dahin unbekannt gewesen war.
Die neuen Herrscher nahmen auch einen maßgeblichen Einfluss auf die Kultur. Sie brachten Pferde und Wagen nach Ägypten. Es dauerte rund 100 Jahre, bis sich die ägyptischen Prinzen vereinten und das Besatzungsheer schlagen konnten.
Mit dem Sieg über die Hykoser wurde die dritte Epoche in der altägyptischen Geschichte eingeläutet: das neue Reich. Die vielen Götter wurden endgültig durch den Reichsgott Amun abgelöst, Theben wurde zur religiösen und Memphis zur militärischen Hauptstadt. In den ersten Jahrhunderten erlebten die Ägypter eine neue Blütezeit: Die Grenzen Ägyptens wurden immer weiter ausgedehnt, Kreta und Zypern dem Reich einverleibt.
Reichsgott Amun
Der Weg in die Dekadenz
Ein Kuriosum dieser Zeit: Die Gemahlin von Thutmosis II., Hatschepsut, übernahm im 15. Jahrhundert vor Christus den Thron und trug fast die gesamten 22 Jahre ihrer Regentschaft Männerkleidung und einen künstlichen Bart.
Unter ihrer Herrschaft gab es keine Kriege. Doch die Amun-Religion und der Kult um den Reichsgott entwickelten sich für die folgenden Pharaonen immer mehr zu einem Problem. Die Priester gewannen an Macht und es bildete sich ein Staat im Staat.
Zwar wurde der Kult um Amun im 14. Jahrhundert vor Christus kurzzeitig unter Amenophis IV., der sich später in Echnaton umbenannte, verboten. Doch in den folgenden Jahren kam er umso stärker zurück.
Die innere Spaltung in religiöse und weltliche Herrschaft schwächte das neue Reich nachhaltig. Verschwendungssucht und Dekadenz, die innere Zerrissenheit und Angreifer von außen beendeten die Epoche des neuen Reiches im Jahre 1075 vor Christus. Die Pharaonen hatten längst ihr Ansehen verloren und galten nicht mehr als fleischgewordene Götter.
Hatschepsut – erste Frau auf Ägyptens Thron
(Erstveröffentlichung 2010. Letzte Aktualisierung 09.12.2020)
Quelle: WDR