Die Anfänge des Königreichs Preußen
Was später Preußen genannt wurde, war zunächst nur ein geografischer Flickenteppich, bestehend aus dem Kurfürstentum der Mark Brandenburg, dem Herzogtum Preußen rund um Königsberg sowie einzelner Gebiete rund um Kleve und Ravensberg im Westen des Reiches.
Kurfürst Friedrich III. war der erste, der diesem zusammenhanglosen Territorium den Namen Königreich Preußen gab. Der ehrgeizige Fürst machte sich im Winter 1701 auf den Weg nach Königsberg, um sich dort selbst als Friedrich I. zum "König in Preußen" zu krönen. Doch es war ihm noch nicht erlaubt, sich "König von Preußen" zu nennen, da Teile Preußens noch unter polnischer Hoheit standen.
Nach ersten Widerständen der europäischen Monarchen gewöhnte man sich mit der Zeit daran, vom Königreich Preußen zu sprechen. Parallel zu den von Erfolg gekrönten machtpolitischen Bestrebungen hatten bereits die kurfürstlichen Vorgänger des neuen preußischen Königs mit einer erfolgreichen Einwanderungspolitik begonnen, die Friedrich I. nun fortsetzte.
Das Kernland Brandenburg war durch den Dreißigjährigen Krieg von 1618 bis 1648 stark verwüstet worden, die Einwohnerzahl hatte sich durch Seuchen und Hungersnöte halbiert. Dem neuen König gelang es wie seinen Vorfahren, ethnische und religiös verfolgte Minderheiten aus anderen europäischen Regionen ins Land zu holen.
Als Lockmittel erhielten die Zugewanderten unter anderem eine mehrjährige Steuerbefreiung, freie Bauplätze und kostenloses Material für den Häuserbau. Vor allem aber sicherte der preußische Staat ihnen Religionsfreiheit zu. Die Einwanderungswelle dauerte noch bis weit in das 18. Jahrhundert hinein an.
Karte von Preußen um 1712
Auf dem Weg zur europäischen Großmacht
Zum machtpolitischen Rückgrat Preußens wurde das Militär. Besonders König Friedrich Wilhelm I., der den Beinamen "Soldatenkönig" erhielt, begann mit einer umfassenden, den Staat beherrschenden Armeereform.
Er führte die Wehrpflicht ein, vergrößerte die Armee und verschärfte den Drill und die Disziplin unter den Soldaten. Seine militärische Besessenheit, die zu Lasten von Kunst und Kultur ging, verkörperte der Aufbau seines persönlichen Regiments, der "Langen Kerls".
Obwohl König Friedrich Wilhelm I. pedantisch auf das Geld schaute, verschleuderte er für seine "Langen Kerls" ein Vermögen. Trotz der militärischen Aufrüstung führte der König zusammen mit Dänemark und Sachsen nur einen einzigen Krieg gegen Karl XII. von Schweden, der das Territorium Preußens nach Norden und zur Ostsee erweiterte.
Schlacht bei Kunersdorf 1759
Erst sein Sohn Friedrich II., der in der Jugend als feinsinniger und aufgeklärter Kronprinz galt, führte als König viele zermürbende und verlustreiche Kriege. Seine Hauptgegnerin war Maria Theresia, die Erzherzogin von Österreich. Im Winter 1740 griff Friedrich II. zum ersten Mal Schlesien an. Ein Großteil der österreichischen Provinz wurde ihm nach zwei Jahren im Berliner Frieden zugesprochen.
Insgesamt führte Friedrich II. viele Kriege, die Preußen große Gebietsgewinne sicherten. Doch damit nicht genug. In der ersten polnischen Teilung von 1772, bei der Russland, Österreich und Preußen das polnische Königreich unter sich aufteilten, konnte er weite Teile Westpreußens, das Verbindungsstück zwischen Brandenburg und Königsberg, besetzen.
Damit gelang es ihm, das zersprenkelte Staatsterritorium weiter zusammenzuführen. Fortan durfte er auch den Titel "König von Preußen" führen. Aus dem einstigen Flickenteppich war eine ernst zu nehmende Großmacht inmitten Europas geworden.
Der "Alte Fritz" und seine Soldaten
Territoriale Ausdehnung und Reichsgründung
Unter Friedrich II. hatte Preußen zwar viel Territorium dazu gewonnen, seine weiteste Ausdehnung erhielt es aber erst unter seinen Nachfolgern. Der ersten polnischen Teilung folgten unter König Friedrich Wilhelm II. zwei weitere. Preußen konnte sich die polnischen Städte und Gebiete Warschau, Danzig, Posen, Thorn und Zentralpolen einverleiben.
Es verfügte nun über ein so großes Staatsgebiet wie nie zuvor in seiner Geschichte. Außer seinen territorialen Zugewinnen tat sich Friedrich Wilhelm II. vor allem durch die Einführung des "Allgemeinen Preußischen Landrechts" hervor, das allen Bürgen eine zivil- und strafrechtliche Sicherheit gewährte.
Im weiteren Verlauf der Geschichte waren es wieder Kriege, die Preußens Vormachtstellung in Mitteleuropa festigten. Das Ende der Napoleonischen Kriege durch den Wiener Kongress im Jahr 1815 sorgte für eine territoriale Neuordnung des Kontinents. Der Zugewinn der polnischen Gebiete wurde einerseits bekräftigt, andererseits kamen im Westen neue Landstriche hinzu: Westfalen und das Rheinland wurden nun preußisch.
Innenpolitisch war der Beginn des 19. Jahrhunderts durch viele Reformen geprägt. Verwaltung, Regierung, Landwirtschaft und Heer wurden neu strukturiert. Von großer Bedeutung waren die Gewerbefreiheit und die Bildungsreform, die Wilhelm von Humboldt in die Wege leitete.
Dieser forderte die Freiheit von Forschung und Lehre ein, die das Universitätssystem bis heute prägt. Nach dem Wiener Kongress machte sich auf der anderen Seite jedoch auch eine restriktive Politik gegenüber nationalen und liberalen Bestrebungen breit.
Wilhelm von Humboldt reformierte das Bildungswesen
Nachdem sich Preußen durch die Gebiete im Westen territorial gefestigt hatte, konnte es im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts seine Vormachtstellung behaupten und seinen größten Konkurrenten Österreich in der Schlacht von Königgrätz 1866 erfolgreich ausschalten.
Fünf Jahre später wurde Preußen zum Motor der deutschen Reichsgründung. Der preußische König Wilhelm I. wurde 1871 zum deutschen Kaiser gekrönt. Der preußische Ministerpräsident Otto von Bismarck wurde deutscher Reichskanzler. Damit wurde Preußen Teil des neu gegründeten Deutschen Reiches.
(Erstveröffentlichung 2005. Letzte Aktualisierung 29.04.2020)
Quelle: SWR