Heinz Erhardt – Komiker aus Leidenschaft 02:32 Min. Verfügbar bis 12.03.2027

Wirtschaftswunder

Heinz Erhardt

Heinz Erhardt ist bis heute einer der erfolgreichsten deutschen Komiker. Er war ein Meister der Wortspielereien und Kurzgedichte – wie etwa "Das Reh springt hoch, das Reh springt weit. Warum auch nicht? Es hat ja Zeit!"

Von Markus Schall

Der erste Auftritt war ein Desaster

Heinz Erhardts Karriere begann mit einem Zufall: Mit 29 Jahren ergatterte er 1938 einen Auftritt als Vertretung des bekannten Kabarettisten Peter Igelhoff. Der sollte in der "Kaiserkrone" in Breslau auftreten, war aber erkrankt.

Erhardts trat an seiner Stelle auf, doch die erste Vorstellung war ein Desaster. Das Publikum buhte ihn aus und protestierte lauthals, denn sie wollten Igelhoff sehen. Aus Enttäuschung blieb Erhardt am Abend der zweiten Vorstellung im Bett und verschlief beinahe seinen Auftritt.

"Man fand mich schnarchend im Bett, rüttelte mich wach und scheuchte mich in die Kaiserkrone. Mir war alles egal. Und so schlich ich mich verschlafen, mit tieftraurigem Gesicht auf die Bühne und spulte mein Programm ab. Die Leute schrien vor Lachen."

Erhardt hatte seinen Stil gefunden: Sein trotteliges Gesicht, der Schlafzimmerblick, seine scheinbar spontanen Einfälle waren von nun an seine Markenzeichen. Heinz Erhardt wurde einer der beliebtesten Stars der Wirtschaftswunderjahre.

Schauspieler mit großem Schalk im Nacken: Heinz Erhardt WDR Zeitzeichen 20.02.2024 14:37 Min. Verfügbar bis 20.02.2034 WDR 5

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Zwischen Riga, St. Petersburg und Deutschland

Heinz Erhardt wurde am 20. Februar 1909 in Riga geboren, der heutigen Hauptstadt Lettlands. Kurz darauf trennten sich seine Eltern. Seine Mutter zog nach St. Petersburg und der Vater ließ sich in Deutschland nieder, um als Kapellmeister zu arbeiten.

So wuchs er überwiegend bei seinen Großeltern Paul und Henriette Nelder auf. Die kümmerten sich fürsorglich um den kleinen Heinz, wie sich Erhardt rückblickend erinnert: "Sie waren so gut zu mir, daß es schon wieder schlecht war."

Später lebte er bei seinem Vater in Deutschland und bekam eine seriöse Musikausbildung. Er komponierte und dirigierte bereits als 13-Jähriger ein Freiluftkonzert von Haydns Kindersinfonie.

Zwei Jahre später kehrte er schließlich wieder zu seinen Großeltern nach Riga zurück. Zu diesem Zeitpunkt hatte er sage und schreibe 15-mal die Schule gewechselt. "In der Schule war kein Fortkommen – also machte ich, dass ich fortkam." Er verließ die Schule ohne Abschluss.

Die Anfänge in Berlin

Zunächst wollte Heinz Erhardt professioneller Pianist werden. Statt dessen begann er eine kaufmännische Lehre und studierte nebenbei Klavier und Komposition.

Seine Frau, die er 1934 kennenlernte, und die ersten kleinen Bühnenerfolge ermutigten ihn, 1938 nach Berlin zu gehen und sein Glück als Schauspieler zu versuchen. Tatsächlich: Es folgten ein großer Auftritt vor 3000 Zuschauern und eine Tournee durch ganz Deutschland. Der Durchbruch war geschafft.

Im Zweiten Weltkrieg wurde Erhardt 1941 zur Wehrmacht einberufen. Als Mitglied des Marine-Musikkorps und Truppenbetreuer musste er nicht an die Front. Seine Frau und die Kinder flohen über Polen nach Schleswig-Holstein.

Superstar der jungen Bundesrepublik

Nach dem Krieg versuchte er einen Neuanfang beim Hörfunk. Er moderierte die Sendung "So was Dummes", die schlagartig zum Erfolg wurde. Er trat wieder im Theater auf und später in vielen Fernsehproduktionen und Kinofilmen.

Das Publikum liebte den ganz normalen, etwas spießigen und verklemmten Musterbürger, den er auf Bühne und Leinwand verkörperte. Er spielte den pseudo-autoritären Typ, den er zugleich lächerlich machte.

Auf dem Höhepunkt seines Erfolgs gönnte sich Erhardt keine Pause. Er war immer unterwegs. Seine Frau und seine Kinder sahen ihn nur noch selten. Dann beendete ein Schlaganfall 1971 seine Karriere.

Erhardt war damals 62 Jahre alt. Die letzten siebeneinhalb Jahre seines Lebens war er halbseitig gelähmt und konnte kein einziges Wort mehr sprechen – ein hartes Schicksal für den berühmten Sprachakrobaten.

An seinem 70. Geburtstag bekam er das Große Bundesverdienstkreuz verliehen. Dreieinhalb Monate später starb Erhardt am 5. Juni 1979. Doch seine Texte und Filme sind immer noch Kult und werden bis heute aufgeführt.

Heinz Erhardt lebte voll und ganz für seinen Beruf | Bildquelle: dpa

(Erstveröffentlichung: 2004. Letzte Aktualisierung: 13.06.2019)