Nobelpreisträger
Geschichte des Nobelpreises in Deutschland
Zu den deutschen Nobelpreisträgern gehören große Namen wie Willy Brandt, Carl von Ossietzky, Heinrich Böll, Günter Grass, Herta Müller oder Wilhelm Conrad Röntgen. Andere Preisträger sind nur Fachleuten ein Begriff.
Von Martina Frietsch
Besonders stark: Physiker und Chemiker
Mehr als 80 Mal ging seit 1901 bereits einer der Nobelpreise nach Deutschland. Besonders stark vertreten sind bei den Preisträgern mit mehr als 20 Preisen die Physiker und mit fast 30 Preisen die Chemiker – unter ihnen Stefan Hell, der 2014 für seine bahnbrechende Entdeckung in der Mikroskopie-Technik ausgezeichnet wurde.
Dass der Öffentlichkeit jedoch eher die Preisträger aus den Kategorien Literatur oder Frieden präsent sind, liegt in der Natur der Sache: Meist sind die Geehrten schon vorher einer breiten Öffentlichkeit bekannt.
Und auch der Grund für die Ehrung ist nun einmal leichter zu verstehen als in den Naturwissenschaften: Willy Brandt bekam den Preis für seine Ostpolitik, der Publizist Carl von Ossietzky für seinen Einsatz gegen den Nationalsozialismus; der Schriftsteller Thomas Mann für seinen Roman "Die Buddenbrooks", Herta Müller für ihre Bücher über die rumänische Diktatur.
Schwierig wird es dagegen mit Themen wie Kolloid-Chemie (Richard Adolf Zsigmondy, 1925), mit der Bestimmung der dreidimensionalen Struktur eines photosynthetischen Reaktionszentrums (Johann Deisenhofer, 1988) oder mit Arbeiten im Bereich der Laserspektroskopie (Theodor W. Hänsch, 2005).
17 Mal ging der Nobelpreis für Medizin nach Deutschland, darunter im Jahr 1995 auch an eine Frau, Christiane Nüsslein-Vollhard. Sie erhielt den Preis, der sonst eher eine Männerdomäne ist, für ihre Forschungen zur genetischen Kontrolle der frühen Embryonalentwicklung.
Aus Deutschland kommen auch vier Friedensnobelpreisträger, zehn Literaturnobelpreisträger und ein Preisträger, Reinhard Selten, aus dem Bereich der Wirtschaftswissenschaften. In letzterer Kategorie wird erst seit 1969 ein Preis vergeben.
Die DDR konnte übrigens nur einen einzigen Preisträger für sich in Anspruch nehmen: Gustav Hertz, Neffe des Physikers Heinrich Hertz, erhielt zwar bereits 1925 den Physik-Nobelpreis. Da der gebürtige Hamburger aber nach der Trennung der beiden deutschen Staaten in der DDR lebte, galt er als der einzige Nobelpreisträger der DDR.
Die ersten Preisträger
Bereits bei der ersten Verleihung der Nobelpreise im Jahr 1901 waren die Deutschen zweimal vertreten – mit zwei Wissenschaftlern, die heute bestens bekannt sind: Es waren der Bakteriologe Emil von Behring, der den Medizinnobelpreis erhielt, und Wilhelm Conrad Röntgen, der für die Entdeckung der nach ihm benannten Röntgenstrahlen den Nobelpreis für Physik verliehen bekam.
Auch ein Jahr später gab es Preise für zwei Deutsche: Der Historiker Theodor Mommsen bekam als erster Deutscher den Literatur-Nobelpreis; Hermann Emil Fischer den Chemie-Nobelpreis.
Es dauerte bis 1926, bis der erste Deutsche mit dem Friedensnobelpreis auszeichnet wurde: Zusammen mit dem französischen Außenminister Aristide Briand bekam Reichsaußenminister Gustav Stresemann den bedeutenden Preis für die Verträge von Locarno, die die Anerkennung der Westgrenze und gegenseitige Grenzgarantien enthielten.
Eher selten: Preisträgerinnen
Nur wenige Frauen erhalten einen Nobelpreis – international sind es knapp über fünf Prozent. Die wohl berühmteste von ihnen war die Physikerin Marie Curie. Beim Frauenanteil in Deutschland sieht es keineswegs besser aus.
Von mehr als 80 deutschen Preisträgern sind nur vier Frauen und selbst über diese Zählung lässt sich streiten: Die Physikerin Maria Goeppert-Mayer lebte zur Zeit der Ehrung schon lange in den USA und die Schriftstellerin Nelly Sachs war 1940 nach Schweden geflohen, da sie als Jüdin in Deutschland verfolgt wurde.
Den Nobelpreis für Literatur bekam sie 1966 zuerkannt. Unstrittig sind wohl nur die Biochemikerin Christiane Nüsslein-Vollhard (Nobelpreis für Medizin, 1995) und die Schriftstellerin Herta Müller (Literatur-Nobelpreis 2009).
Mit dem Medizin-Nobelpreis geehrt: Christiane Nüsslein-Volhard
Gute Schüler – schlechte Schüler
Und wie wird man Nobelpreisträger? Mit Einsen in der Schule? Schaden kann das sicher nicht, doch es gibt durchaus ein paar deutsche Nobelpreisträger, deren schulische Laufbahn nicht gerade brillant aussah.
Allen voran der erste deutsche Nobelpreisträger Wilhelm Conrad Röntgen. Seine Noten waren zwar gut, aus disziplinarischen Gründen flog er 1863 trotzdem von der Schule und hatte somit kein Abitur vorzuweisen. Das war für sein Maschinenbaustudium auch nicht nötig – für die Aufnahme genügte ihm die bestandene Aufnahmeprüfung.
Wilhelm Wien, Physik-Nobelpreisträger des Jahres 1911, musste wegen schlechter Schulleistungen das Gymnasium in Rastenburg abbrechen. Er erhielt Privatunterricht, ging anschließend erfolgreich in Königsberg aufs Gymnasium.
Über das Schulfach Physik, die Disziplin, in der er später den Nobelpreis erhielt, findet Rudolf Mößbauer keine netten Worte: Wegen der Qualität des Unterrichts sei das sein schlechtestes Fach gewesen. Schriftsteller Hermann Hesse brachte eine wahre Schulodyssee hinter sich und brach das Gymnasium schließlich ab.
Und wie sieht es mit dem berühmtesten aller Preisträger aus, mit Albert Einstein? Dass er ein richtig schlechter Schüler war, ist eine Behauptung, die ins Reich der Märchen gehört. Oder ins Archiv der Fehler: Da Albert Einstein eine Zeitlang Schweizer Schulen besuchte und nach dem dortigen System die Note 6 die beste ist, hatte er zahlreiche Sechser vorzuweisen.
Spätes Genie: Albert Einstein
Nichtsdestotrotz waren seine Leistungen in etlichen Fächern eher mittelmäßig, sein Abitur machte er im zweiten Anlauf und seine Lehrer waren sich nicht bewusst, welches Genie in ihrem Klassenzimmer saß.
Welchem Land gebührt die Ehre?
Klar gesagt: Im Grunde genommen keinem, denn der Stifter des Preises, Alfred Nobel, bekundete in seinem Testament ausdrücklich, dass bei der Verleihung des Preises "auf die Nationalität der Kandidaten keine Rücksicht genommen werden dürfe". Trotzdem tauchen immer wieder Ranglisten auf, denn die meisten Länder schmücken sich gerne mit den Leistungen ihrer Wissenschaftler.
Doch weltweit herrscht Uneinigkeit darüber, wer denn nun welchen Erfolg für sich verbuchen darf. Die Staaten, in denen die Preisträger geboren wurden und ihre Bildung erhalten haben oder die Staaten, in denen sie die gewürdigte Leistung erbracht haben?
Jedes Land hat seine eigene Zählung, wodurch viele Nobelpreisträger doppelt auftauchen. In Deutschland ist dies nicht anders, immerhin hält das Land seit Beginn der Nobelpreise einen Spitzenplatz.
Die Nationalsozialisten und der Nobelpreis
Viele Preisträger, die gerne als Deutsche gezählt werden, haben ihre Heimat nicht freiwillig verlassen. Die Schriftstellerin Nelly Sachs und der Physiker Jack Steinberger beispielsweise, beide Juden, flüchteten vor den Nazis ins Ausland.
Der Chemiker Gerhard Herzberg verließ Deutschland zusammen mit seiner jüdischen Ehefrau und auch die Familie des späteren US-Außenministers und Friedensnobelpreisträgers Henry Kissinger verließ 1938 Deutschland, da sie als Juden verfolgt wurden.
Die Nationalsozialisten hatten mit dem Nobelpreis spätestens ab 1935 ein Problem, als der kritische Publizist Carl von Ossietzky den Friedensnobelpreis bekommen sollte. Sie verweigerten ihm die Ausreise nach Norwegen und übten auf die dortige Regierung politischen Druck aus. Carl von Ossietzky bekam den Preis daher 1936 rückwirkend zuerkannt.
Ab 1937 wurde deutschen Wissenschaftlern für die Zukunft die Annahme des Preises untersagt.
Das hinderte das schwedische Nobelpreis-Komitee keineswegs daran, deutsche Wissenschaftler auch weiterhin zu ehren: Richard Kuhn (Chemie, 1938), Adolf Butenandt (Chemie, 1939) und Gerhard Domagk (Medizin, 1939) konnten ihre Preise jedoch erst nach dem Zweiten Weltkrieg in Empfang nehmen.
Quelle: SWR | Stand: 03.04.2020, 17:00 Uhr