Fünf Hände halten eine Euro-Münze.

Familie

Erben und Vererben

In Deutschland wird viel vererbt. Doch das Erbe ist ungleich verteilt: So wandert die Hälfte aller Erbschaften und größeren Schenkungen zu den reichsten 10 Prozent der Bevölkerung, während sich die anderen 90 Prozent die verbliebene Hälfte teilen.

Von Barbara Garde, Andrea Schultens und Marie-Luise Nilges

Das Erbe ist ungleich verteilt

Deutschland erlebt einen Erbenboom: Nach Schätzungen des "Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung" (DIW Berlin) werden im Zeitraum von 2012 bis 2027 vermutlich bis zu 400 Milliarden Euro pro Jahr vererbt oder verschenkt. "Anstrengungslosen Wohlstand" hat der Soziologe Klaus Butterwegge das Erben genannt: Geld, das einem zufällt, ohne dass man selbst etwas dafür getan hat – und für das die Erben viel weniger Steuern zahlen als für selbst erarbeitetes Geld.

Das Geldvermögen hat sich zwischen 1998 und 2018 in Deutschland nahezu verdoppelt. Aber es ist ungleich verteilt: Betrachtet man das Nettovermögen (das neben Geld unter anderem auch Immobilien- und Betriebsvermögen umfasst), so verfügen zehn Prozent der Deutschen über rund zwei Drittel des Gesamtvermögens, während die ärmere Hälfte nur etwas über ein Prozent besitzt.

Aus diesem Grund erben auch nur sehr wenige sehr viel. Erbschaften vergrößern die Ungleichheit in der Gesellschaft also noch: Wer viel hat, kann viel vererben. Wer wenig hat, vererbt auch wenig.

Füller und Blatt Papier mit der Aufschrift "Mein letzter Wille". Darauf liegen Monopoly-Häuser, darunter Geld.

Wenige erben viel, Viele wenig

Erbschaftssteuer – nur wenige müssen zahlen

Rund sechs Milliarden nimmt der Staat über die Erbschaftssteuer ein. Das sind nur rund 2,5 Prozent des vererbten Vermögens und 0,7 Prozent des gesamten Steueraufkommens – viel weniger, als zum Beispiel über die Tabak- oder die KFZ-Steuer eingenommen wird. Das deutsche System tendiert dazu, Erträge aus Arbeit und Konsum hoch zu besteuern, aber kaum aus Kapital.

Die Freibeträge für Erben sind hoch: Ehepartner zahlen erst ab einem Erbe vom 500.000 Euro, Kinder haben 400.000 Euro frei und Enkel 200.000 Euro. Und niemand muss Angst um Omas Haus haben: Selbst genutzte Immobilien oder Familienunternehmen, die sieben Jahre weitergeführt werden, sind ganz von der Erbschaftsteuer befreit.

Die Absicherung der Familie hat einen hohen Stellenwert in unserer Gesellschaft: Nicht verheiratete Lebenspartner sind völlig Fremden gleichgestellt. Sie haben lediglich einen Freibetrag von 20.000 Euro und unterliegen darüber hinaus einem Steuersatz von 30 Prozent.

Geldscheine

Erbenboom: Die Gesellschaft hat wenig davon

Stiftungen Gutes tun über den Tod hinaus

Ein Weg, Steuern zu sparen und dabei noch Gutes zu tun, sind Stiftungen. Viele Deutsche stiften große Teile ihres Nachlasses. Ob Kinder-, Tier- oder Naturschutz, soziale Projekte, Sport, Kultur oder politische Arbeit: Die Möglichkeiten zu stiften sind groß.

Stiftungen sind gesellschaftlich wichtig, weil sie Bereiche unterstützen, die von der öffentlichen Hand nicht ausreichend gefördert werden. Der große Vorteil: Der Stifter kann selbst bestimmen, wohin sein Geld fließt.

Stiftungen sind in der Regel für die Ewigkeit angelegt. Das Stiftervermögen bleibt erhalten, und nur die erwirtschafteten Zuwächse fließen dem Stiftungszweck zu. Stiftungen sind darüber hinaus eine Möglichkeit, sich selbst ein Denkmal zu setzen und seinen Namen mit einer guten Sache zu verbinden.

Aber Stiftungen – insbesondere große, wie zum Beispiel die Bertelsmann-Stiftung – geraten auch immer wieder in die Kritik, wenn sie durch ihr gesellschaftliches Engagement sehr einflussreich werden: Es besteht die Gefahr, dass sich Unternehmens- und Stiftungsziele vermischen und dass durch Lobbyarbeit politische Entscheidungen gelenkt werden.

Erben als Altersabsicherung

Viele potenzielle Erben verlassen sich auf das Vermögen ihrer Eltern und planen es als eigene Alterssicherung ein. Das "Deutsche Institut für Altersvorsorge (DIA)" warnt allerdings davor, sich auf ein bevorstehendes Erbe zu verlassen.

In Einzelfällen könnten die Erbschaften zwar die absehbaren Versorgungslücken schließen, doch beim Großteil der Deutschen werde dies nicht der Fall sein. Längere Lebenszeiten und unter Umständen unvorhergesehene hohe Pflege- und Betreuungskosten lassen das Vermögen schmelzen. Für die Nachkommen bleibt dann entsprechend weniger.

Außerdem betont das "DIA", dass sich auch die Konsumfreudigkeit der älteren Generation verändert habe. Während die ältere Generation in früheren Jahren ihr Hab und Gut eher für die Nachkommen aufgespart hat, seien ältere Menschen heute konsumfreudiger. Sie nutzten ihr Vermögen, um sich selbst einen schönen Lebensabend zu gestalten.

Frau mit Rollstuhl und Rollator im Pflegeheim

Das Alter birgt oft ungeplante Kosten

Erbstück als Erinnerung

Erben bedeutet mehr als die Weitergabe von Vermögen und materiellen Werten: Es geht auch um moralische Haltungen, Traditionen und Familiengeschichte. Besonders deutlich wird dies auch an Erbstücken, also an persönlichen Objekten, die als Erbe gelten.

Welches Objekt jemand gerne als Erbe weitergeben möchte oder aber was von einem Menschen als Erbstück aufbewahrt wird, ist sehr persönlich und individuell.

Erbstücke können wertvolles Familiensilber oder eine goldene Uhr sein, aber auch rein symbolische, materiell wertlose Erinnerungsstücke, etwa eine alte Brieftasche oder die selbstgestickte Tischdecke der Oma.

Zweigeteiltes Bild: Taschenuhr geschlossen und geöffnet.

Persönliche Erbstücke enthalten Erinnerungen

Streit ums Erbe

Beim Erben und Vererben treten oft auch unterschwellige emotionale Verstrickungen zutage, meist zwischen Familienmitgliedern. Das birgt Konfliktpotenzial: Vom eher harmlosen Familienstreit bis hin zum kompletten Kontaktabbruch oder sogar bis zum Gerichtsverfahren – Erbstreitigkeiten sind so zahlreich, dass sich die Umstände kaum auflisten lassen.

Das scheinbar gefälschte Testament, aufgrund dessen das Großteil des Erbes an die neue Partnerin des Vaters geht, heimliche Schenkungen vor dem Tod, unterschlagene Werte in der Auflistung des Erbes, ein Bruder, der Zugang zur Wohnung hat und ohne Absprache Gegenstände herausnimmt – die Beispiele lassen sich zahlreich weiterführen.

Im Erbfall können sich jahrelang unterdrückte Gefühle zwischen den Beteiligten offenbaren: Ein Familienmitglied fühlte sich schon sein Leben lang benachteiligt – und hat es jetzt vermeintlich schwarz auf weiß, weil es weniger erbt. In solchen Fällen kann oft ein Mediator helfen, der alle Seiten an einen Tisch bringt und nach Lösungen sucht.

Mehrere Hände greifen nach einem Haus

Beim Erbe kommt es schnell zum Streit

(Erstveröffentlichung: 2006. Letzte Aktualisierung: 12.03.2021)

Quelle: WDR

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