Die Wurzeln des Künstlers
Samy Molcho ist der Sohn einer traditionsbewussten jüdischen Familie spanischer Abstammung. Er ist stolz auf seine Herkunft, sie ist für ihn die Basis seines Selbstbewusstseins und seiner künstlerischen Schaffenskraft.
"Ich habe diese Stärkung meines Rückgrats meinem Vater zu verdanken, meiner Familie; und ich weiß, dass mich dieses Bewusstsein der eigenen Würde sehr stark geprägt hat", schreibt er in seinem Buch "Magie der Stille".
Seine Bühnenlaufbahn begann schon mit zehn Jahren. Er spielte bei einem Pfadfinder-Theater und wurde bald im Kindertheater von Tel Aviv aufgenommen. Dort lernte er die Schauspielkunst.
Mit 14 Jahren fing er zusätzlich an, tanzen zu lernen. Er widmete sich dem klassischen Ballett, lernte orientalischen und fernöstlichen Tanz und erhielt Unterricht im Ausdruckstanz durch eine Schülerin Mary Wigmans. Von der fernöstlichen Philosophie und Denkweise fühlte er sich stark angezogen und so gehörte auch Yoga zu seinem Übungsprogramm.
Sein Wunsch nach Training, Weiterbildung und künstlerischer Arbeit war bemerkenswert. "Miss dich an dir selbst" war sein Leitsatz. Da sein Vater seine künstlerische Laufbahn nicht unterstützte, war er auf Stipendien angewiesen. Mit 17 nahm er Unterricht an der Schauspielschule des Nationaltheaters und arbeitete als freier Tänzer und Schauspieler an den Theatern Tel Avivs.
"Der Körper ist der Handschuh der Seele", sagt Samy Molcho
Erfolgreicher Pantomime
Auf der Suche nach seiner persönlichen Ausdrucksform fand Samy Molcho über das Sprechtheater und den Tanz zur Pantomime. Hier fand er die Möglichkeit, das Essenzielle der Dinge darzustellen.
Sein Freund und späterer Manager Joram Harel organisierte 1959 für ihn einen ersten Solo-Abend als Pantomime. Das Programm war ein großer Erfolg, es folgten in kurzer Zeit 200 weitere Vorstellungen in ganz Israel. Samy Molcho war zu diesem Zeitpunkt 23 Jahre alt.
1961 begann seine Europa-Karriere mit einem Auftritt in Berlin, der ihm viel Kritik seiner Landsleute einbrachte. Seine Reise nach Deutschland begründete er in "Magie der Stille": "Humaner Geist kann sich nur unter der Bedingung ausbreiten, dass wir miteinander kommunizieren, statt einander zu hassen. Meine Kunst schien mir das geeignete Mittel dazu".
Samy Molcho wurde neben Marcel Marceau weltweit einer der gefeiertsten Pantomimen. Er bereiste etwa 60 Länder und gab über 2000 Vorstellungen mit eigenen Schöpfungen.
Einige seiner berühmtesten szenischen Pantomimen sind "Kain und Abel", "Jäger und Vogel", "Der Prozess", "Preis der Freiheit" und "Abschied auf dem Bahnhof". Parallel zu seinen eigenen Auftritten arbeitete er auch erfolgreich als Theaterregisseur.
Molcho 1977 am Berliner "Theater des Westens"
Körpersprache – die zweite Karriere
Mit 50 Jahren beendete Molcho seine Bühnenkarriere, um eine Familie zu gründen. Er heiratete die 18 Jahre jüngere Haja Heinrich, die wie er aus Tel Aviv stammt, und bekam mit ihr vier Söhne.
Dann wurde ihm eine Stelle als Professor am Max-Reinhardt-Seminar in Wien, der Hochschule für Musik und darstellende Kunst, angeboten. Der ehemalige Pantomime Samy Molcho wurde zum Lehrer für Körpersprache.
Am Institut für Schauspiel und Schauspielregie unterrichtet er "Körperliche Gestaltung" und auch außerhalb der Universität vermittelt er sein Wissen. In Wirtschaftskreisen zum Beispiel schätzt man ihn als Trainer für das "erfolgreiche Auftreten". Erneut bereist er die ganze Welt, um Vorträge zu halten und Seminare zu geben. Zudem hat er eine Reihe von Büchern veröffentlicht.
Samy Molchos Philosophie des Körpers
Seine Körperarbeit beruht auf Bewusstsein und innerer Würde. Er schreibt: "Nur was ich in mir selbst finde, kann ich darstellen. (...) Im Endeffekt benötigt der Pantomime, der allein und ohne alle Hilfsmittel auf der Bühne steht, eine besondere Energie, mit der er seine innere Kraft herauspressen kann, um durch sie sein Publikum zu fesseln. Da liegt die Kunst. Sie lässt sich nicht erlernen."
Dennoch haben viele Lehrer ihn geprägt, besonders der berühmte Pantomime Étienne Decroux, der ihm "La mime pure" nahe brachte – die Kunst der reinen Mimik.
Molcho versucht Bewegungen nicht nachzuahmen, sondern sie sich innerlich vorzustellen und im eigenen Körper nachzufühlen. Um einen Vogel zu mimen, sucht er nach der "Ur-Erinnerung", nach dem "Vogel, der in mir ist". Sein Erfolg bestätigt ihn.
Seine Beschäftigung mit der Körpersprache baut auf diesen persönlichen Erfahrungen auf. Entsprechend seiner Schauspielausbildung wählt er eine psychologische Herangehensweise.
Er ist überzeugt: "Was wir sind, sind wir durch unseren Körper. Der Körper ist der Handschuh der Seele, seine Sprache das Wort des Herzens. Jede innere Bewegung, Gefühle, Emotionen, Wünsche drücken sich durch unseren Körper aus".
Körpersprache ist deutlicher als Worte, so stellt er fest. Durch seine Lehrtätigkeit versucht Samy Molcho, sein großes Wissen über die Ausdrucksmöglichkeiten des Körpers einem breiten Publikum zu vermitteln.
Körpersprache sei für viele zu einer Fremdsprache geworden. Sie zu erlernen sei ein Weg, sich selbst und andere besser zu verstehen. Auch Gespräche würden leichter und erfolgreicher, wenn wir die Informationen über die innere Haltung und Einstellung unserer Mitmenschen verstehen lernten.
(Erstveröffentlichung 2004. Letzte Aktualisierung 12.11.2019)
Quelle: WDR